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Bewertung von Phytopharmaka

Die wissenschaftlichen Sitzungen des neu begonnenen Wintersemesters wurden in der Münchner Regionalgruppe der DPhG vom Vorsitzenden Dr. Fritz Stanislaus mit einem hochaktuellen Thema eröffnet: Prof. Dr. Theodor Dingermann, Vorstand des Instituts für Pharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt und Präsident der DPhG, referierte am 8. November zum Thema "Bewertung von Phytopharmaka - Gefordert wird Transparenz".

Sein großes Anliegen sei, so Dingermanns Eröffnungsworte, "die Welt der Phytopharmaka" dem praktischen Apotheker nahe zu bringen, damit er sie bewusster und kritischer wahrnehmen könne. Ein großes, diskussionsbereites Auditorium nahm mit Interesse dieses Angebot wahr.

Einflussfaktoren und Qualitätsmerkmale

Phytopharmaka sind heute fast durchwegs Extrakte aus pflanzlichen Drogen. Der pflanzliche Wirkstoff ist ein komplex zusammengesetztes Stoffgemisch, das durch viele Faktoren beeinflusst wird. Es gibt nicht den Extrakt aus einer Arzneipflanze. Jeder nach einem eigenen Verfahren hergestellte Extrakt stellt einen eigenen Wirkstoff dar. Zu seiner Beurteilung müssen der verwendete Pflanzenteil, das Herstellungsverfahren und das verwendete Lösungsmittel unbedingt bekannt sein.

Ein wichtiges Qualitätsmerkmal stellt das native Droge-Extrakt-Verhältnis dar (DEVnativ). Meist ist es als Spanne angegeben. Je enger der Bereich angegeben ist, desto stärker legt sich der Hersteller auf eine einheitliche Qualität fest. Mit einiger Erfahrung, so Dingermann, lässt sich aus dieser Angabe, die heute eigentlich zwingender Deklarationsbestandteil eines Phytopharmakons sein sollte, viel Wichtiges herauslesen. Vergleichbar sind jedoch nur Präparate mit sehr ähnlichem DEV.

Normierung und Standardisierung

Noch immer weiß man nur von den wenigsten Drogen, die zu Phytopharmaka verarbeitet werden, die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe. Wenn diese doch bekannt sind, wie etwa Aescin, Silymarin oder die Kavapyrone, kann man sie im Verzeichnis der Arzneistoffe der Roten Liste finden, und die Extrakte der Drogen können auf diese Wirkstoffe normiert, eingestellt werden. Von der Mehrheit der extrahierten Stoffgemische sind jedoch nur wirksamkeitsmitbestimmende Substanzen bekannt (z.B. Hypericin). Sie können, ebenso wie - oft unwirksame - Leitsubstanzen, zu Kontrollzwecken und zur Standardisierung eines Präparates herangezogen werden.

Präparate mit und ohne Zulassung

Einen ausführlichen Überblick gab Dingermann über die derzeitige gesetzliche Situation der Phytopharmaka. Die Bundesrepublik nehme dabei eine Sonderstellung innerhalb Europas ein, sei damit aber auch einem großen Druck der übrigen Mitgliedstaaten ausgesetzt. Wie chemisch-synthetische Arzneimittel werden Phytopharmaka in Deutschland seit 1961 registriert und sind seit 1976 einem Zulassungsverfahren ausgesetzt - mit Prüfung auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Bereits im Verkehr befindliche Präparate müssen nachzugelassen werden.

Bis zur AMG-Novelle 1994 habe die damalige Kommission E des Bundesgesundheitsamtes Pionierarbeit geleistet: Zum ersten Mal habe man sich bei der Erarbeitung von Drogen-Monographien, die zur Grundlage der Zulassung wurden, Gedanken über sinnvolle Indikationsfelder, wirksame Tagesdosen oder die Bewertung der pharmazeutischen Wirksamkeit von pflanzlichen Arzneidrogen gemacht. Seit 1994 kann für "traditionell angewandte Arzneimittel" (Deklarationsvorschrift) eine vereinfachte Nachzulassung beantragt werden. Präparate, die bis 2005 nicht nachzugelassen sind, sollen aus dem Verkehr gezogen werden. Diese "2005-Regelung" bildete den Stein des Anstoßes innerhalb der EU, sodass solche Phytopharmaka seit der 10. AMG-Novelle dieses Jahres auch formal in den Zulassungsprozess wiedereingegliedert wurden und mit dem Vermerk versehen sein müssen: "Dieses Arzneimittel ist nach der gesetzlichen Übergangsvorschrift im Verkehr, die behördliche Prüfung auf Qualität, Wirksamkeit, Unbedenklichkeit ist noch nicht abgeschlossen."

Bewertung in der Apothekenpraxis

Genau dort hat, nach Dingermanns Meinung, der Apotheker die Aufgabe, zu überprüfen, ob solch ein Arzneimittel auch wirklich gut ist. Anhand von Beispielen zeigte er auf, wie groß und unterschiedlich das Angebot heute auf dem Phytopharmakamarkt ist. Nur genaue und transparente Deklaration des Herstellers ermöglicht die Qualitätsbewertung eines Phytopharmakons auf Extraktbasis. Die Angaben sollten umfassen: den extrahierten Pflanzenteil, Art und Menge des Extraktes, DEV, das Extraktionsmittel und seine Konzentration, das Indikationsfeld und die empfohlene Tagsdosis. Fehle eines oder gar mehrere dieser Angaben, seien Vorsicht und Zurückhaltung beim Apotheker angesagt.

Gegen "Trittbrettfahrer"

Nicht alle Firmen sind um eine seriöse Information bemüht. Da es unter den Phytopharmaka neben hervorragenden Präparaten auch eine Menge "grüner Trittbrettfahrer" gebe, sei es eine wichtige Aufgabe des Apothekers als Arzneimittelfachmann, hier nach kritischer Durchsicht und Auswahl die Spreu vom Weizen zu trennen. Phytos, die nicht nach den vorgegebenen Regeln deklariert sind, sollten nicht in die erste Wahl genommen werden.

Der Apotheker sollte kritisch diese Dinge wahrnehmen und für sich die Konsequenz in der Beratung daraus ziehen. Nur so könne bereits an der Basis ein selbstregulierender Effekt erzielt werden, der die Phytopharmakahersteller zwingt, sich an die Zulassungsregeln anzupassen.

Dingermann räumte ein, dies bedeute oft einen großen Arbeitsaufwand, aber dieser lohne sich: Denn hier könne der Apotheker pharmazeutische Kompetenz beweisen und das Vertrauen des Patienten gewinnen.

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