Arzneimittel und Therapie

Morbus Parkinson: Frühtherapie mit Pramipexol – seltener motorische Spät

An 301 Parkinson-Patienten wurden Pramipexol und Levodopa/Carbidopa als Ersttherapie knapp zwei Jahre lang verglichen. Unter Pramipexol waren motorische Spätkomplikationen seltener, Halluzinationen, Schläfrigkeit und Ödeme häufiger als unter Levodopa/Carbidopa. Die Schwere der Parkinson-Symptome besserte sich mit Levodopa/Carbidopa stärker als mit Pramipexol.

Das Parkinson-Syndrom ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die sich insbesondere durch die motorischen Symptome Ruhetremor, Hypokinese (verminderte Bewegungsfähigkeit) und Rigor (Muskelstarre) bemerkbar macht.

Levodopa gleicht Dopamindefizit aus

Ein entscheidender Fortschritt für die Behandlung des Parkinson-Syndroms war die Einführung von Levodopa, der direkten Vorstufe des Dopamins. Levodopa kann die Blut-Hirn-Schranke durchdringen und nach Decarboxylierung das Dopamindefizit im Gehirn ausgleichen. Es wird zusammen mit einem Decarboxylase-Hemmstoff verabreicht, der den peripheren Umbau zu Dopamin verhindert. Die Levodopa-Gabe kann die motorischen Symptome des Parkinson-Syndroms eine Zeit lang bessern. Die Langzeitgabe führt jedoch bei einem Großteil der Behandelten zu motorischen Nebenwirkungen, insbesondere Dyskinesien (unwillkürlichen, auch schmerzhaften Bewegungsabläufen) und On-off-Phänomenen (plötzliche Wechsel von guter zu schlechter Beweglichkeit).

Langfristig schlechterer Verlauf?

Unklar ist, ob diese motorischen Spätkomplikationen durch die Behandlung oder durch das Fortschreiten der Erkrankung ausgelöst werden. Vorsichtshalber verzichtet man heute in Frühstadien der Erkrankung meist auf die Levodopa-Gabe, um sich eine vorübergehende Besserung nicht mit einem langfristig schlechteren Verlauf zu erkaufen.

Dopaminagonisten zur Frühtherapie

Möglicherweise können Dopaminagonisten dieses Dilemma lösen. Der erste Dopaminagonist, Bromocriptin (Pravidel), enttäuschte in der Frühtherapie des Parkinson-Syndroms. Die neueren Dopaminagonisten Cabergolin (Cabaseril) und Ropinirol (Requip) führten jedoch als Anfangstherapie des Parkinson-Syndroms zu weniger Dyskinesien als Levodopa. In einer Studie in den USA und Kanada wurde kürzlich der neue Nicht-Ergot-Dopaminagonist Pramipexol (Sifrol) mit Levodopa/Carbidopa (z.B. Nacom) bei Patienten mit Frühstadien des Parkinson-Syndroms verglichen. Dabei sollte insbesondere die Häufigkeit motorischer Komplikationen ermittelt werden.

Studie mit 301 Patienten

301 Patienten mit frühem Parkinson-Syndrom nahmen teil. Alle benötigten zu Studienbeginn eine dopaminerge Therapie und hatten in den beiden Monaten zuvor weder Levodopa noch Dopaminagonisten erhalten. Doppelblind und randomisiert bekamen die Patienten zu Beginn einer zehnwöchigen Dosis-Eskalations-Phase zunächst dreimal täglich 0,5 mg Pramipexol oder dreimal täglich 100 mg Levodopa plus 25 mg Carbidopa als Tabletten (Stufe 1). Traten dennoch Behinderungen auf, durfte die Tagesdosis auf 3,0 mg Pramipexol oder 450 mg Levodopa plus 112,5 mg Carbidopa (Stufe 2) und sogar auf 4,5 mg Pramipexol oder 600 mg Levodopa plus 150 mg Carbidopa (Stufe 3) erhöht werden. In der anschließenden Erhaltungsphase von der elften Woche bis nach 23,5 Monaten wurde diese Dosis beibehalten. Zusätzlich durfte in beiden Gruppen zur Behandlung anhaltender oder neu auftretender Behinderungen offen - also nicht doppelblind - Levodopa plus Carbidopa eingenommen werden.

Auswertung motorischer Komplikationen

Während der 23,5-monatigen Behandlung erlitten 42 (28%) der mit Pramipexol Behandelten und 76 (51%) der mit Levodopa/Carbidopa Behandelten mindestens eine dopaminerge motorische Komplikation. Hierzu zählten:

  • Dyskinesien, beispielsweise Chorea (Veitstanz), Dystonie (Störung der normalen Muskelspannung), Myoklonie (Schüttelkrampf) oder Tick (nervöse Muskelzuckung). Dyskinesien traten bei 10% gegenüber 31% der Behandelten auf.
  • Wirkungsverluste, also allmähliche (innerhalb mehrerer Minuten eintretende) Verluste der Beweglichkeit oder Geschicklichkeit. Diese betrafen 24% gegenüber 38% der Behandelten.
  • On-off-Phänomene, also plötzliche (innerhalb von Sekunden bis Minuten eintretende), meist vom Zeitpunkt der Medikamenteneinnahme unabhängige Wechsel von Beweglichkeit zu Unbeweglichkeit. On-off-Phänomene kamen bei 1% gegenüber 5% der Behandelten vor. Der Unterschied war nicht signifikant.

Die Schwere der klinischen Symptome des Parkinson-Syndroms wurde zu Beginn und am Ende der Behandlung anhand der Unified Parkinson's Disease Rating Scale (UPDRS) beurteilt. Dabei verbesserten sich Patienten der Pramipexol-Gruppe insgesamt um 4,5 Punkte, Patienten der Levodopa-Gruppe um 9,2 Punkte. Im Vergleich zur Pramipexol-Gruppe stieg in der Levodopa-Gruppe auch der Punktwert für motorische Symptome sowie für Tagesaktivitäten.

Häufiger Schläfrigkeit und Halluzinationen

Als Nebenwirkungen wurden mit Pramipexol signifikant häufiger Schläfrigkeit, Halluzinationen sowie generalisierte oder periphere Ödeme beobachtet als mit Levodopa/Carbidopa: bei 32% gegenüber 17%, 9% gegenüber 3%, 18% gegenüber 8% und 15% gegenüber 4%. Schläfrigkeit und Halluzinationen traten mit Pramipexol in der Dosis-Eskalation-Phase vermehrt auf, Ödeme in der Erhaltungsphase. Drei Patienten - zwei mit Pramipexol und einer mit Levodopa - schliefen beim Autofahren ein, zwei weitere mit Pramipexol klagten über plötzliche Müdigkeit.

Dichte der Dopamintransporter

In einer Untergruppe von 82 Patienten wurden Behandlungseffekte auf die Dopamintransporter-Dichte untersucht. Die Single-Photon-Emissionscomputertomographie (SPECT) mit [123Iod]-2-b-Carboxymethoxy-3-b-(4-iodphenyl)tropan zeigte zu Beginn eine im Vergleich zu Gesunden verringerte b-CIT-Aufnahme ins Striatum. Nach 23,5 Monaten war die b-CIT-Aufnahme in der Pramipexol-Gruppe um 20%, in der Levodopa-Gruppe um 25% zurückgegangen. Es bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen.

Pramipexol verringert motorische Komplikationen

Demnach verringert Pramipexol als Anfangsbehandlung des Parkinson-Syndroms im Vergleich zu Levodopa in den ersten beiden Jahren das Risiko motorischer Komplikationen. Das relative Risiko war in dieser Studie um 55% reduziert, das absolute um 23%. Um eine Komplikation zu verhindern, müssen also durchschnittlich vier bis fünf Patienten zwei Jahre lang mit Pramipexol statt mit Levodopa/Carbidopa behandelt werden. Diesem Vorteil des Dopaminagonisten stehen zwei Nachteile gegenüber: Er verbessert die Parkinson-Symptome nicht so stark wie Levodopa. Er führt außerdem häufiger zu Schläfrigkeit, Halluzinationen oder Ödemen. Diese Nebenwirkungen können insbesondere bei Älteren, Patienten mit Schlafstörungen oder Begleitmedikationen problematisch sein. Hinweise auf eine neuroprotektive Wirkung von Pramipexol gab die Substudie nicht. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob Dopaminagonisten das Fortschreiten der Parkinson-Erkrankung verhindern können. Im Moment kann man die Therapie nur abhängig von den Vorlieben des Einzelnen im Hinblick auf die zu erwartenden Wirkungen und Nebenwirkungen auswählen.

An 301 Parkinson-Patienten wurden Pramipexol und Levodopa/Carbidopa als Ersttherapie knapp zwei Jahre lang verglichen. Unter Pramipexol waren motorische Spätkomplikationen seltener, Halluzinationen, Schläfrigkeit und Ödeme häufiger als unter Levodopa/Carbidopa. Die Schwere der Parkinson-Symptome besserte sich mit Levodopa/Carbidopa stärker als mit Pramipexol.

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