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Herausforderung Arzneimittelhandel: Hyperwettbewerb führt zu dramatischen Verä

NEUSS (diz). Der Pharmamarkt sieht sich in den nächsten Jahren vor dramatischen Veränderungen. Grund hierfür sind u. a. veränderte Wettbewerbsbedingungen, ein "Hyperwettbewerb", enorme Sparzwänge, Marktsättigungstendenzen durch Überangebot und ein rascher technologisch/wissenschaftlicher Wandel. Vor dem Hintergrund dieses Szenarios diskutierten Experten aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens auf einer Euroforum-Konferenz am 6./7. November 2000 in Neuss über die "Herausforderung Arzneimittelhandel - Industrie, Apotheke, Großhandel: Zusammenspiel mit Zukunft?" Die Konferenz stand unter der fachlichen Leitung von Prof. Dr. Kurt F. Troll, Hochschule für Wirtschaft, Technik und Kultur Leipzig.

Die Bedingungen des Wettbewerbs im Pharmamarkt haben sich geändert. Die Marktteilnehmer sehen sich einem raschen technologisch/wissenschaftlichen Wandel gegenüber, die Markttransparenz nimmt dramatisch zu, das Angebot wird zunehmend komplizierter, wobei die Konkurrenz immer schneller mit Imitationen aufwartet. Marktsättigungstendenzen durch ein Überangebot erzeugen anspruchsvolle und kritische Kunden. Wettbewerbsvorsprünge von Unternehmen lassen sich nur noch kurze Zeit sichern, die Geschwindigkeit des Wettbewerbs nimmt zu.

Proaktiv statt reaktiv

Das Internet - nach Professor Troll eine der größten Erfindungen der Menschheit - sorgt für größte Transparenz, denn über das Internet kann ein Unternehmen minutiös verfolgen, was der Wettbewerber macht. So zeigt die "heile" Welt des Marktes von früher mittlerweile tiefe Risse. Troll führt dies u. a. auf folgende Faktoren zurück: Die Produkte werden immer ähnlicher, die Zahl der bedeutenden Innovationen nimmt ab. Außerdem: die Geschwindigkeit, mit der Produkte kopiert und imitiert werden, steigt. Hinzu kommt die Furcht vor der Unbezahlbarkeit des Gesundheitssystems, Distributeure wie Großhandel und Apotheken werden zunehmend aktiver. Das Image der Hersteller und Distributeure schwindet. Auch die Marktentscheider wie Ärzte werden kritischer auf Grund erzwungener Preiswahrnehmung. Hinzu kommen immer kritischere Patienten. Die Marktteilnehmer wie Industrie, Ärzte, Großhandel, Apotheken, Krankenkassen usw. verhalten sich als Reaktion auf das "chaotisch" erlebte Umfeld zum Teil ebenfalls chaotisch, dies bedeutet, dass die gelernten linearen Verhaltensweisen heute nicht mehr ausreichen, um erfolgreich in diesem nicht-linearen Umfeld zu überleben. Immer mehr ist es der Einzelne, der um seine individuelle Existenz kämpft und nicht so sehr Gruppen von Marktbeteiligten. Troll zieht aus diesem Szenario das Fazit: die neuen Marktbedingungen haben dazu geführt, dass jeder Marktteilnehmer dazu gezwungen wird, seine wirtschaftliche Zukunft proaktiv, d. h. aggressiv zu planen anstatt reaktiv, also angepasst. Schon heute haben Großunternehmen alle nur erdenklichen Strategien in der Schublade für alle nur denkbaren Veränderungen und Entwicklungen im Markt.

Erlöse rauf, Kosten runter

Um auch weiterhin erfolgreich im Markt zu bestehen, trotz Sparzwänge und endlicher Ressourcen, sieht der Marketingprofessor nur zwei Möglichkeiten: entweder die Erlöse zu erhöhen oder die Kosten zu senken. Da es immer schwieriger wird die Erlöse zu steigern, wird auch in Zukunft versucht werden, stärker an der Kostenschraube zu drehen. Ein Ansatzpunkt wird im Gesundheitsmarkt im Bereich der Distribution gesehen, die ein Ziel für weitere Reformen sein könnte, wenn es um Einsparpotenziale geht. Immerhin, so rechnete Troll vor, bleiben entlang der Wertschöpfungskette vom Hersteller bis zum Verbraucher knapp 40 Prozent im Bereich der Distribution hängen. Von interessierten Kreisen wird daher als distributionspolitische Alternative der Vertrieb durch den Versandhandel angesehen.

Acht Hypothesen zum Versandhandel

Vor diesem Hintergrund entwickelte Troll acht Hypothesen:

  • Mail-order-Business stellt für Länder der EU (und möglicherweise auch für Deutschland) eine offenbar nicht verbotene Distributionsalternative im Pharmamarkt dar.
  • Bei Preisnachlässen von bis zu 50 Prozent ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass zumindest die Kostenträger (zumal die Domäne des Versandhandels offenbar die Dauermedikation ist) der Ausweitung dieses Geschäfts positiv gegenüber stehen werden.
  • Die Verschreiber, die ebenfalls unter einem erheblichen Sparzwang stehen und zum Teil auch einen erheblichen emotional begründeten Sparwillen entwickelt haben, werden bei Anerkennung durch die Kostenerstatter ebenfalls ein positives Interesse an dieser Distributionsform entwickeln.
  • Die Nutzungswilligkeit durch den Patienten ist eine Frage der Zeit (Ausräumung von Sicherheitsbedenken) und eine Funktion der Höhe seiner Eigenbeteiligung (je stärker die Eigenbeteiligung, um so höher der Effekt) und der Veränderung seines Kommunikationsverhaltens (Nutzung elektronischer Medien) sein.
  • Für den Hersteller bietet der Versandhandel vor allen Dingen dann, wenn er mit einer PBM (Pharmaceutical Benefit Manager)-ähnlichen Einrichtung gekoppelt ist, eine bis heute nicht vorhandene Möglichkeit des direkten Dialogs mit seinen Kunden.
  • Der Apotheker kommt in die Lage, den added value seiner Serviceleistung noch stärker als bisher herauszustellen. Sicherheitsargumente sind unter Betrachtung der gezeigten Beispiele sicher nicht besonders tragfähig.
  • Für den Großhandel stellt der Versand von Medikamenten ebenfalls eine echte Herausforderung dar, da hier ein nicht unerhebliches Umsatzsegment verloren gehen könnte. Mögliche Strategien könnten eine stärkere Allianz mit den Herstellern oder ein Einstieg in das neue Marktsegment (inkl. der Möglichkeiten der Vorwärts- oder Rückwärtsintegration) sein.
  • Da die Logistik unter Sicherheits- und Geschwindigkeitsaspekten in dieser Distributionsform wichtig ist, und die formale Bestellabwicklung ebenfalls eine zentrale Rolle spielt, ist ein Engagement des bestehenden Zustellservices (DHL, ups, etc.) zu erwarten.

Internethandel - Industrie ist skeptisch

Dass ein von Troll skizziertes Szenario bei den Verbänden im Gesundheitswesen bisher noch auf wenig Gegenliebe stößt, machte Thomas Griese, Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Abteilung Neue Medien, deutlich. Ein Überblick über die Position der Verbände in Deutschland zeigt unisono eine Ablehnung des Internethandels. So sieht die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft darin eine ernst zu nehmende Gefahr, die Haftung der Hersteller ist nicht gewährleistet. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände-ABDA warnt vor Fehlanwendungen, Arzneimittelfälschungen, Wettbewerbsverzerrungen und sieht darin einen Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit. Der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) stärkt dem Apotheker den Rücken und weist darauf hin, dass die Abgabe von apothekenpflichtigen Arzneimitteln allein Aufgabe des Apothekers ist, während der Arzneimittelbezug im Internet die in Deutschland geltenden Bestimmungen unterläuft. Der Großhandelsverband weist auch auf Arzneimittelfälschungen hin und die fehlende ärztliche Kontrolle sowie die Risiken für die Gesundheit. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie sieht im Internethandel mit Arzneimitteln ein "russisches Roulette".

BMG kann sich Internethandel vorstellen

Dagegen ist eine nicht mehr strikt ablehnende Haltung seit jüngster Zeit aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu vernehmen. War noch vor einigen Monaten auf den Internetseiten des BMG zu lesen, dass der "Einkaufsbummel" für Arzneimittel im Internet tabu sein sollte und dass selbst bei freiverkäuflichen Medikamenten bei unsachgemäßem Gebrauch Gesundheitsschäden nicht auszuschließen seien, so wurden die Statements in jüngster Zeit vor dem Hintergrund der Äußerungen der Bundesgesundheitsministerin angepasst. So heißt es jetzt unter anderem, dass in Zukunft per Wettbewerb entschieden werde, wie viel und welche Information die Verbraucher wollten. Außerdem heißt es dort: Wer Sicherheit und Beratung bieten kann, und das zu vernünftigen Preisen, wird auf dem Markt der Zukunft die Nase vorn haben. Ebenfalls Denkrichtung von Bundesgesundheitsministerin Fischer: Es müsse das Ziel sein, die Sicherheitsstandards auch für den Internethandel zu gewährleisten, so dass es für die Kunden attraktiver sei, sich an Anbieter mit hoher Qualität und mit Sicherheitsstandards zu wenden als an dubiose Firmen, die den Markt bestimmten. Und schließlich stellt sich Frau Fischer die Frage, warum die Nutzung des Internets in der Arzneimittelversorgung prinzipiell nicht auch im Kontakt zum Endverbraucher möglich sein sollte.

WHO sieht Gefahren

Während Länder wie die USA oder Großbritannien bereits Erfahrungen mit dem Arzneimittelhandel via Internet sammeln, hat sich die Weltgesundheitsorganisation Gedanken zur Arzneimittelsicherheit im Netz gemacht. Basierend auf der WHO-Resolution über Werbung und Verkauf von medizinischen Produkten über das Internet entstand eine Leitlinie für Internetnutzer. Sie informiert ausführlich über Gefahren durch fehlerhafte Informationen, über medizinische Produkte im Internet, gibt Hinweise über den sinnvollen Einsatz des Internets und enthält Empfehlungen, die jeweiligen Gesundheitsbehörden und die Organisationen der Fachkreise bei der Suche nach verlässlichen Informationsquellen um Hilfe zu bitten. Die Leitlinie weist außerdem darauf hin, dass über das Internet bestellte medizinische Produkte Gesundheitsschäden verursachen können, weshalb diese ausschließlich über die sonst üblichen Vertriebswege besorgt werden sollen. Sie fordert die Verbraucher auf, Arzneimittel über die sonst üblichen Vertriebswege zu besorgen und grundsätzlich einen Arzt oder Apotheker zu Rate zu ziehen. Darüber hinaus enthält die Leitlinie eine Liste von Produktinformationen, die auf einer zuverlässigen Website mindestens aufgeführt sein müssen, und sie gibt Hinweise darauf, in welchen Fällen Werbeaussagen wahrscheinlich nicht wahr sind.

0800DocMorris - der Versuch

Auf der Euroforum-Konferenz stellten Apotheker Jacques Waterval und Jens Apermann, Betreiber der niederländischen Internetapotheke 0800DocMorris, ihr Konzept für eine Versandapotheke vor. Mittlerweile hat bekanntlich das Landgericht in Frankfurt einer vom Deutschen Apothekerverband beantragten einstweiligen Verfügung stattgegeben und diese Internetapotheke für den Versand nach Deutschland gesperrt (siehe auch unseren Bericht in der Montagsausgabe zur DAZ vom 13. November). Wie jedoch Waterval und Apermann in einer Presseerklärung dazu erklärten, werde man sich mit diesem Urteil nicht zufrieden geben und in die nächste Instanz gehen.

Auf der Euroforum-Konferenz zeigten sie sich zuversichtlich, dass sie gerichtliche Angriffe überstehen werden. In einer Internetapotheke sieht Apermann "nichts weiter als einen neuen Markt, der neben den bisherigen Märkten existieren wird". Man nütze das Preisgefälle von Arzneimitteln in verschiedenen EU-Ländern aus, um günstig Arzneimittel einzukaufen (Arbitrage-Geschäfte). Im Prinzip sei man, so Apermann, keine virtuelle Apotheke, denn 0800DocMorris existiere auch real. Waterval und Apermann stellten heraus, dass sie durchaus die Kunden, die bei ihnen bestellen, beraten, so z. B. über einen Fragebogen, der per Internet ausgefüllt werden könne. Man wolle einen Apothekenservice bieten, der für alle EU-Bürger gleichermaßen die jeweiligen Stärken der nationalen Gesundheitsmärkte nutzbar mache. Neben den günstigen Arzneimittelpreisen biete man die hohe Arzneimittelsicherheit wie z. B. in Deutschland und eine patientenorientierte Kommunikation. Der typische Kunde von DocMorris sei der preis- und leistungsbewusste Patient mit einem planbaren Bedarf an rezeptfreien und rezeptpflichtigen Medikamenten, während für Patienten mit Ad-hoc-Bedarf ein Fernbezug, wie Apermann deutlich herausstellte, nicht relevant sei. Patienten von 0800DocMorris hätten beispielsweise einen Preisvorteil, einen Convenience-Vorteil (dadurch dass nach Hause geliefert werde), und zeigten Verantwortung, da solche Patienten das Gesundheitssystem auf Grund der günstiger bezogenen Arzneimitteln entlasteten.

Zur Geschäftsidee von DocMorris gehöre es durchaus, dass man Rosinenpickerei betreibe, räumte Apermann ein, auf der anderen Seite biete man ein Zielgruppen-orientiertes hochqualifiziertes Arzneimittelangebot, halte sich strikt an die Rezeptpflicht und nehme die Beratung ernst.

Die Betreiber von 0800DocMorris gehen davon aus, dass der Handel mit Medikamenten in den Kompetenzbereich der Europäischen Union fällt und der freie Warenverkehr innerhalb der EU grundsätzlich Vorrang vor dem Länderrecht hat. Nach deren Auffassung erlaube auch die Europäische Rechtsprechung den innergemeinschaftlichen Einzelhandel mit Arzneimitteln, solange die Abgabe der Medikamente durch Apotheker erfolge. Außerdem sei Voraussetzung, dass die Arzneimittel in der EU zugelassen sein müssten und nur für den persönlichen Bedarf bezogen werden. Das Landgericht Frankfurt sieht diese Fakten, wie sich mittlerweile ergeben hat, allerdings anders.

Versuch in Deutschland: DAN

Das mit Risikokapital gegründete Internet-Versandunternehmen "vitago.de", das sich auf den Versand von Drogerieartikeln und freiverkäuflichen Arzneimitteln konzentriert, konnte bisher noch keine schwarzen Zahlen schreiben - kolportiert wurde, dass sich dieses Unternehmen bereits seinem Ende nähert. Als Ausgründung von vitago.de tritt nun eine Gruppe unternehmungslustiger Akteure an, die das "deutsche Apothekennetzwerk" unter der Internetadresse www.danag.de aufbauen wollen. Zu ihrem Unternehmenskonzept gehört es, so stellte es Conrad Pozsgai, Mitarbeiter von vitago.de, München, vor, einerseits dem Apothekenkunden umfassende Informationen, aber auch einen elektronischen Handel und die Einlösung elektronischer Rezepte zu bieten, auf der anderen Seite will das deutsche Apothekennetzwerk auch eine Plattform für den B2B-Handel bieten für Industrie, Versicherung und Dienstleister.

Der Aufbau des Netzwerkes soll, so das Konzept, in drei Phasen ablaufen. Bereits bis zum 1. Januar 2001 sollen einfache Shopfunktionen (B2C), ein Apothekenmarketing und Inhalte abrufbar sein. Bis zum 1. April 2001 sollen die Shopfunktionen erweitert werden, das B2B-Geschäft aufgenommen und die Ansprache von Endverbrauchern und Apotheken verstärkt werden. In der dritten und letzten Phase, die am 1. Januar 2003 starten soll, sollen weitere Dienste und Funktionalitäten für Apotheken und Industrie ins Netz gehen. Die Vision ist, ein bundesweites Apothekennetzwerk aufzubauen, sich als unabhängiger Dienstleister zur Einkaufs-, Marketing- und Managementunterstützung zu etablieren. DAN will sich darüber hinaus gegenüber den Endkunden und der pharmazeutischen Industrie etablieren und sich zum Marktführer in der Online-Welt entwickeln, so die Vision. Schließlich ist angedacht, ein gemeinsames Marketing und Einkaufskooperationen zu entwickeln, mit der die Netzwerkstrukturen gefestigt werden sollen.

Wie Pozsgai erklärte, sei die technische Lösung für das DAN bereits entwickelt, die Finanzplanung liege vor. Man hoffe, schon bald aktiv die Akquisition von Apotheken, die sich dem DAN anschließen wollen, anzugehen.

Kastentext: Urteilstenor Bayer Vital/DocMorris

Der Verfügungsbeklagten (DocMorris) wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu DM 500 000,- ersatzweise von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an deren Geschäftsführer, zu unterlassen, einen gewerbsmäßigen Versandhandel für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medikamente über das Internet nach Deutschland anzubieten, zu bewerben und durchzuführen wie mit dem Programm http://www.0800docmorris.com.

Kastentext: Aus den Urteilsgründen

"Nach der Überzeugung der Kammer verdient die Auslegung den Vorzug, den gewerblichen Versandhandel von der Vorschrift des § 73 Abs. 2 Nr. 6 a AMG auszunehmen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Vorschrift ausdrücklich als Ausnahmevorschrift konzipiert und daher eng auszulegen ist. Würde man den gewerblichen Versandhandel als von § 73 Abs. 2 Nr. 6 a AMG gedeckt ansehen, wäre kein Ausnahmetatbestand mehr gegeben, sondern der Versandhandel mit Arzneimitteln aus Apotheken im europäischen Ausland nach Deutschland wäre grundsätzlich erlaubt, während lediglich den deutschen Apothekern der Versand von Arzneimitteln verboten bliebe. Dies würde zu einer nicht akzeptablen Konsequenz der Inländerdiskriminierung führen. (...) Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Absicht hatte (...), einen gewerblichen Versandhandel mit Arzneimitteln zu erlauben. Schließlich zeigt auch die Regelung des § 8 Abs. 2 HWG, wonach für die Einzelzufuhr von Medikamenten nicht geworben werden darf, dass die Einfuhr von Arzneimitteln aus Apotheken im europäischen Ausland die Ausnahme bleiben soll, unter anderem, um eine Umgehung des nationalen Zulassungssystems für Arzneimittel zu verhindern. Die von der Kammer vertretene Auslegung der Passage, ohne berufs- oder gewerbsmäßige Vermittlung' in § 73 Abs. 2 Nr. 6 a AMG dahingehend, dass ein gewerblicher Versandhandel, wie ihn die Beklagte betreibt, nicht von dieser Vorschrift erfasst wird, ist auch mit den einschlägigen europarechtlichen Regelungen vereinbar."

Kastentext: Aus den Urteilsgründen

"Durch das deutsche Versandhandelsverbot für Arzneimittel soll in erster Linie sichergestellt werden, dass dem Endverbraucher beim Kauf eines Arzneimittels die Möglichkeit einer persönlichen und qualifizierten Beratung durch einen Apotheker zur Verfügung steht. Hierfür stellt das Versandhandelsverbot eine geeignete Maßnahme dar. Beim Versand von Arzneimitteln aus Apotheken kann der Schutz der menschlichen Gesundheit nicht ebenso gut gewährleistet werden wie bei der Übergabe des Arzneimittels in den Apothekenbetriebsräumen. So ist zunächst die persönliche Beratung, die ein Patient vor Ort regelmäßig erfährt, von anderer Qualität als die Beratung, die die Beklagte im Rahmen ihres Internethandels anbietet. Zum einen kann ein Apotheker allein schon aus dem Alter, der Körperstatur und sonstiger äußerer Merkmale des vor ihm stehenden Kunden Rückschlüsse auf die Geeignetheit und Verträglichkeit bestimmter Medikamente gerade für diesen Kunden ziehen, was bei einer telefonischen oder schriftlichen Beratung naturgemäß nicht der Fall ist. Auch ist es im Rahmen der persönlichen Beratung für den Kunden möglich, sofort Rückfragen zu stellen, während ein Kunde der Internet-Apotheke dazu nach Erhalt des Medikaments erst unter der angegebenen Telefonnummer bei der Beklagten anrufen bzw. eine E-Mail schicken muss. Dabei gerät er leicht in Versuchung, etwaige Fragen auf sich beruhen zu lassen und das Medikament einzunehmen, ohne mögliche Bedenken vorher abgeklärt zu haben. Auch ist ein Medikamentenmissbrauch bei der Bestellung von Arzneimitteln via Internet leichter möglich als beim Kauf des Medikamentes in den Apothekenbetriebsräumen."

Kastentext: Internet

Die hier zusammengefassten einstweiligen Verfügungen des Landgerichts Frankfurt/Main und das Urteil selbst können Sie im Wortlaut im Internet abrufen bei DAZ-online unter http://www.deutscher-apotheker-verlag.de/DAZ (DAZ-Service/Rechtsprechung) Benutzername: apotheke Kennwort: daz

Der Pharmamarkt sieht sich in den nächsten Jahren vor dramatischen Veränderungen. Grund hierfür sind u. a. veränderte Wettbewerbsbedingungen, ein "Hyperwettbewerb", enorme Sparzwänge, Marktsättigungstendenzen durch Überangebot und ein rascher technologisch/wissenschaftlicher Wandel. Vor dem Hintergrund dieses Szenarios diskutierten Experten aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens auf einer Euroforum-Konferenz am 6./7. November 2000 in Neuss über die "Herausforderung Arzneimittelhandel – Industrie, Apotheke, Großhandel: Zusammenspiel mit Zukunft?" Anwesend waren auch die Betreiber der Internetapotheke 0800 DocMorris.

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