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Gesetzliche Krankenversicherung: Harter Wettbewerb der Kassen

BONN (im). Ersatz-, Orts- und Innungskrankenkassen kritisieren den aus ihrer Sicht "ruinösen Wettbewerb" der gesetzlichen Krankenkassen untereinander und fordern schnelle Änderungen beim kassenartenübergreifenden Finanzausgleich (Risikostrukturausgleich).

Rund 800 000 Mitglieder haben den Kündigungstermin für Pflichtversicherte Ende September genutzt und sind zu einer Betriebskrankenkasse (BKK) gewechselt, sagte Herbert Rebscher am ersten November in Berlin. Dort forderte der Vorstandsvorsitzende der Ersatzkassenverbände ebenso wie Dr. Hans Jürgen Ahrens vom AOK-Bundesverband ein Handeln der Politik. Vor allem große Ersatzkassen und AOK verlieren Mitglieder an beitragsgünstigere kleinere BKK. Dabei sind Differenzen bei den Beitragssätzen von teils mehr als drei Prozent laut Rebscher nicht das Ergebnis einer wirtschaftlichen Verwaltung sondern nur das einer gezielten Risikoselektion. Die BKK sprächen vor allem jüngere und gesunde Mitglieder an (so genannte gute Risiken im Kassenjargon), während ältere Kranke bei ihrer Kasse blieben und nicht wechselten. Diese Entwicklung gehe zu Lasten der Kassen, die die Versorgung der Kranken vor Ort sicherstellten, so Rebscher und Ahrens übereinstimmend in Berlin. Handele die Politik nicht, drohe die Spaltung in teure Versorgerkassen einerseits sowie Billig-Kassen für Gesunde andererseits. Spätestens 2001 müsse der Risikostrukturausgleich modifiziert werden, forderte Dr. Hans Jürgen Ahrens, der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands.

In Berlin stellten sie ein mit dem IKK-Bundesverband in Auftrag gegebenes Gutachten zum kassenartenübergreifenden Finanzausgleich vor, das die Professoren Karl W. Lauterbach und Eberhard Wille verfassten. Deren Bericht zeigt auf der Grundlage analysierter Kassendaten, dass Mitglieder, die ihre Krankenkasse wechseln, wesentlich gesünder als die verbleibenden Versicherten sind, was durch die heutige Konstruktion des Risikostrukturausgleichs noch belohnt werde. Die Gesundheitsökonomen schlagen unter anderem einen Betrag von 600 Mark für Kassenwechsler vor, der der abgebenden Kasse gutgeschrieben werde und den die aufnehmende Kasse tragen müsste. Ihre Begründung: Wechselnde Versicherte verursachten nur etwa die Hälfte der durchschnittlichen Leistungsausgaben bei Arzneimitteln, Krankengeld und Krankenhausbehandlung verglichen mit Versicherten, die bei ihrer Kasse blieben. Die Betriebskrankenkassen wiederum lehnen solche Vorhaben, die sie als Strafzölle bezeichnen, ab.

Darüber hinaus müsse es Anreize für einen Wettbewerb um chronisch Kranke geben, vertreten Lauterbach und Wille. Vorgeschlagen wird, dass sich chronisch kranke Wechsler bei ihrer neuen Kasse freiwillig in spezielle Disease-Management-Programme einschreiben könnten. Dazu solle die aufnehmende Kasse fünf Jahre lang die Behandlung dieser Patienten erstattet bekommen. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer hatte zuvor ein Gutachten in Auftrag gegeben. Sie hat das Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (Iges) sowie die Professoren Dieter Cassel und Jürgen Wasem damit betraut. Einem Bericht des Handelsblatts zufolge plant Fischer einen "Hochrisiko-Pool". Mit diesem sollen besonders hohe Behandlungskosten von chronisch Kranken über eine gemeinsame Umlage aller Kassen bezahlt werden. Das kritisierte Wolfgang Schmeinck gegenüber dem Handelsblatt. Der Vorstandsvorsitzende des BKK-Bundesverbands hält die Ausweitung des Finanzausgleichs für wettbewerbsfeindlich. Ein genereller Ausgabenausgleich eröffne Manipulationsmöglicheiten, meinte Schmeinck.

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