DAZ aktuell

Pharmazeutische Betreuung des Diabetikers

Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft setzte sich unter ihrem Altpräsidenten Prof. Dr. H. P. T. Ammon intensiv für die Einbindung des Apothekers in die Betreuung des Diabetikers ein. Zusammen mit der Deutschen Diabetesgesellschaft, der Deutschen Diabetes Union und der Bundesapothekerkammer wurde in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe neben einem Curriculum eine Schrift erarbeitet, die Möglichkeiten und Grenzen des Apothekers in der pharmazeutischen Betreuung des Diabetikers festlegt. Nachfolgend eine Stellungnahme von Professor Ammon zur pharmazeutischen Betreuung des Diabetikers als gemeinsame Aufgabe mit Ärzten, Diabetikerberatern und -beraterinnen, Diabetesassistenten/innen und Diätassistenten/innen. Er sieht darin ein Musterbeispiel für die Bündelung der Kräfte zum Wohle des Patienten.

Der Schrecken der Zuckerkrankheit lag vor der Insulinära im Tod des Patienten durch das diabetische Koma. Noch vor der Einführung des Insulins betrug die Todesrate an diabetischem Koma über 60%. Dies änderte sich dramatisch nach der Einführung des Insulins. Seit dieser Zeit dürften eigentlich keine Diabetiker mehr bei ordnungsgemäßer Anwendung von Insulin im diabetischen Koma sterben.

Zuckerkrankheit häufig erst spät entdeckt

Der Schrecken dieser Krankheit hat sich allerdings verlagert und dies zum Teil um zehn und mehr Jahre, und zwar sowohl bei den jugendlichen Diabetikern (Typ I) als auch beim erwachsenen Diabetiker (Typ II). Es sind heute die Folgeerkrankungen wie Mikro- und Makroangiopathien an Auge, Niere und den großen Gefäßen sowie die diabetische Neuropathie. Am Ende zunächst auftretender Funktionsstörungen steht das Versagen der betroffenen Organe, welches mit dem Tod enden kann (z. B. Nierenversagen, Herzinfarkt, Schlaganfall). Die Folgeerkrankungen der Zuckerkrankheit entwickeln sich schleichend und zunächst ohne erhebliche Befindlichkeitsstörungen.

Häufig wird die Zuckerkrankheit erst entdeckt, wenn deutliche Funktionsstörungen auftauchen, es sei denn der Patient wird durch ein rechtzeitiges Screening früh auf seine Krankheit aufmerksam. Gerade die Tatsache, dass hier nichts schmerzt, verleitet den Patienten dazu, diese Krankheit nicht ernst zu nehmen. Dabei kann durch rechtzeitige Erkennung und sachgerechte Behandlung bzw. Vorsorge das Auftreten der Folgeerkrankungen verhindert, vermindert oder doch zumindest zeitlich hinausgeschoben werden. Zwar sind die Ergebnisse langfristig noch nicht befriedigend, doch zeigte sich gerade in den letzten Jahren z. B. durch die Einführung der intensivierten Insulintherapie beim Typ-I-Diabetes, dass Mikroangiopathien deutlich um über 60% und Makroangiopathien immerhin um knapp 20% reduziert werden konnten.

Optimale Betreuung des Diabetikers essenziell

Die Behandlung des Typ-II-Diabetes mit Diät und stufenweiser Einführung oraler Antidiabetika hat ebenfalls zu einer Verbesserung der Situation, insbesondere bei den Mikroangiopathien, aber in gewissem Umfang auch bei Makroangiopathien geführt. Eine Senkung des HbA1c-Wertes um 1% bewirkt eine Reduzierung der Rate an Mikroangiopathien um ca. 35%, der der Makroangiopathien um knapp 20%.

Zwar sind die bisher erzielten Ergebnisse noch nicht befriedigend und es wird noch viel Forschung notwendig sein, um die positiven Prozentzahlen weiter zu erhöhen, doch ist zumindest eine optimale Betreuung des Diabetikers eine wichtige Voraussetzung dafür, dass dieser seine Krankheit in den Griff bekommt. Nicht zu reden von den erheblichen ökonomischen Konsequenzen. So kostet z. B. ein ordentlicher, gut eingestellter Diabetiker die Krankenkassen pro Jahr etwa 1200 DM. Ein verschlampter Diabetes rechnet sich, inklusive Krankenhausaufenthalt, Arbeitsausfällen usw. auf das Zehnfache.

Kooperation aller sachkompetenten Berufsgruppen

Die Zuckerkrankheit ist eine Stoffwechselkrankheit, die nicht nur den Kohlenhydratstoffwechsel, sondern insbesondere auch den Lipidstoffwechsel und den Proteinstoffwechsel betrifft. Es wird also mit einer einfachen Blutzuckerkosmetik nicht getan sein, da die Krankheit mit ihren Folgen letztlich fast alle Organe betrifft, wenn man die Störungen vegetativ innervierter Organe durch Neuropathie mit einschließt. So wird sichtbar, dass für den behandelnden Personenkreis intensive und sehr vertiefte Kenntnisse über dieses Leiden und im Umgang mit ihm erforderlich sind.

Von Seiten der Ärzteschaft ist es sicher nicht ausreichend, mit den geringen Kenntnissen, die während der universitären Ausbildung zum Thema Zuckerkrankheit erworben wurden, eine optimale Diabetestherapie durchzuführen. Hier muss sich der Arzt bereits Spezialkenntnisse aneignen. Dies war bis vor kurzem - sieht man von den Spezialisten an den Diabeteskliniken und den endokrinologischen Abteilungen von Krankenhäusern und Universitätskliniken ab - nur in beschränktem Umfange der Fall.

Dabei ist die sachgerechte Behandlung des Diabetes mellitus zwischenzeitlich aber nicht nur eine Sache des Arztes, sondern auch weiterer Berufsgruppen wie den Diabetesberatern und -beraterinnen, den Diabetesassistenten/innen, den Diätassistenten/innen und neuerdings, was den optimalen Umgang mit Arzneimitteln sowie der Beteiligung an Früherkennung und Prävention anbelangt, auch Sache des geschulten Apothekers, der geschulten Apothekerin. Nimmt man eine solche Vorstellung ernst, so kann sich eigentlich daraus nur ergeben, dass hier eine Kooperation aller sachkompetenten Berufsgruppen notwendig ist, um dieser Krankheit Herr zu werden.

Ärzte müssen sich qualifizieren

In diesem Kontext hat die Deutsche Diabetesgesellschaft (DDG) im Jahre 1994/95 ein Curriculum für die Ausbildung von ärztlichen Diabetesspezialisten erarbeitet, um durch Kurse, Seminare, Kliniktätigkeiten eine Art Facharzt zu schaffen, den "Diabetologen DDG". Bis heute haben über 2000 Internisten, Ärzte für Allgemeinmedizin und Pädiater diese Qualifikation erworben, und es ist zu hoffen, dass in absehbarer Zeit die Ärztekammern eine offiziell führbare Bezeichnung für Ärzte, die diese Ausbildung genossen haben, anerkennen. Auf diese Art und Weise qualifizierte Ärzte sind in zunehmenden Maße Leiter von diabetischen Schwerpunktpraxen. Diese gab es früher bereits in der ehemaligen DDR. Heute sind sie dabei, sich auf das ganze Bundesgebiet auszuweiten.

Der Vorteil ist es, dass ein einmal an Diabetes erkrankter Patient leicht erkennen kann, wo der für ihn zuständige Spezialist zu finden ist. In Zusammenarbeit mit Diabetesberatern und -beraterinnen, Diabetesassistenten/innen und Diätassistenten/innen führen diese Schwerpunktpraxen auch Schulungen von Patienten durch, um sie im Umgang mit ihrer Krankheit vertraut zu machen, denn es hat sich gezeigt, dass ein wichtiger Faktor in der Prävention von Folgeerkrankungen auch Kenntnisse des Kranken selbst über seine Krankheit sind, die ihm Sinn und Zweck der zu ergreifenden Maßnahmen plausibel machen.

Diabetikerbetreuung durch den Apotheker

Auf der Seite der Anwendung, aber auch des Screenings von nicht erkannten Diabetikern, besteht aber eine große Lücke. Insbesondere was den Umgang mit diabetesrelevanten Arzneimitteln sowie Geräten anlangt. Seien es Hinweise zum Gebrauch von Pens, von Blutzuckermessgeräten, seien es zusätzliche Informationen und Aufklärung des Diabetikers über seine Krankheit und Ähnlichem. Diese Lücke zu schließen ist Aufgabe der pharmazeutischen Betreuung des Diabetikers durch den Apotheker. Um dies fachgerecht realisieren zu können, bedarf es jedoch auch beim Apotheker gründlicher Kenntnisse über Physiologie sowie Pathophysiologie des intermediären Stoffwechsels, über die Klinik der Zuckerkrankheit sowie die notwendigen Arzneimittel und Gerätschaften.

Freilich ist gerade die Beteiligung des Apothekers bei der Betreuung des Diabetikers berufspolitisch ein sensibles Gebiet gegenüber dem Arzt. Es kann dies nur gut funktionieren, wenn von vorne herein festgelegt ist, welches die Aufgaben des Arztes und welches die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des Apothekers sind.

Vor diesem Hintergrund hat der Vorstand der Deutschen Diabetesgesellschaft bereits im Jahre 1995 ein Curriculum für die Qualifizierung von Pharmazeuten auf dem Gebiet der pharmazeutischen Betreuung des Diabetikers erarbeitet. Die Apothekerschaft hat diesen Gedanken zunächst über die Landesapothekerkammer Hessen aufgegriffen und von sich aus Kurse nach diesem Curriculum abgehalten, die zu einem Zertifikat für teilnehmende Pharmazeuten führen sollten. Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft hat dieses Thema dann ebenfalls aufgegriffen und zusammen mit der Deutschen Diabetesgesellschaft, der Deutschen Diabetes Union und der Bundesapothekerkammer in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe neben diesem Curriculum auch eine Schrift erarbeitet, die die Möglichkeiten und Grenzen (Abgrenzung von Kompetenzen) bei der pharmazeutischem Betreuung durch den Apotheker festlegt. Entsprechende Papiere wurden in mehreren Sitzungen beschlossen und sind in der pharmazeutischen Presse (DAZ und PZ vom 17. Februar 2000) veröffentlicht. Sie sind die Grundlage einer einvernehmlichen Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern und sollten von beiden Seiten respektiert werden.

Lehrveranstaltungen für Apotheker haben begonnen

In der Zwischenzeit haben mehrere Kammern, neben Hessen auch Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern, mit den ersten Lehrveranstaltungen für interessierte Apotheker begonnen. Der Zuspruch ist enorm. Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft wird diese Entwicklung weiterhin fördern und mit großer Aufmerksamkeit begleiten. Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft sieht die Einführung einer zertifizierten Ausbildung zur pharmazeutischen Betreuung des Diabetikers durch den Apotheker als Modell an, das auch für ähnliche Aktivitäten zur Behandlung anderer chronischer Erkrankungen Pate stehen könnte. Es ist zu hoffen, dass eine Kooperation von Diabetologen mit dem diabetisch ausgebildeten Apotheker oder Apothekerin im Verein mit Diabetesberatern und -beraterinnen, Diabetesassistenten/tinnen und Diätassistenten/innen letztlich zu noch besseren Ergebnissen bei der Reduktion der Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus führt.

Übrigens: Eine Reihe anderer Länder, und dies zeigte sich bei einer Tagung des Weltapothekerverbands FIP in Vancouver 1997, sind hier schon weiter und haben längst erkannt, dass man auch den Apotheker in die Betreuung des Diabetikers einbauen muss. Auf Initiative und unter Mithilfe (Schirmherrschaft) der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft sind jetzt in Mexiko erste Kurse für Apotheker angelaufen.

Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) setzte sich unter ihrem Altpräsidenten Prof. Dr. H.P.T. Ammon intensiv für die Einbindung des Apothekers in die Betreuung des Diabetikers ein. Zusammen mit der Deutschen Diabetesgesellschaft, der Deutschen Diabetes Union und der Bundesapothekerkammer wurde in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe neben einem Curriculum eine Schrift erarbeitet, die Möglichkeiten und Grenzen des Apothekers in der pharmazeutischen Betreuung des Diabetikers festlegt. Wir veröffentlichen eine Stellungnahme von Professor Ammon zur pharmazeutischen Betreuung des Diabetikers.

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