Ernährung aktuell

Essstörungen: Die andere Seite der Medaille

Beim Lesen der zahlreichen Berichte in Fach- und Laienpresse bekommt man heute den Eindruck, dass ein normales Essverhalten die große Ausnahme ist: Auf der einen Seite nimmt die Zahl der Übergewichtigen ständig zu, auf der anderen Seite leiden aber immer mehr Menschen an Essstörungen, weil sie unbedingt dem schlanken Schönheitsideal entsprechen wollen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) warnt in einer Pressemitteilung vor den Folgen des "Schlankheitswahnes".

Essstörungen sind psychische Störungen, die sich besonders bei Mädchen und jungen Frauen, immer häufiger aber auch bei Männern, manifestieren. Zu den Essstörungen zählen die Anorexia nervosa (Magersucht), die Bulimia nervosa (Bulimie, Ess-Brech-Sucht) und die Binge eating disorder (Ess-Sucht).

Anorektische Patienten weigern sich, eine ausreichende Nahrungsmenge zu essen. Mahlzeiten werden ausgelassen, oder es werden nur geringe Mengen verzehrt. Die Folge ist ein starker Gewichtsverlust. Der Body-Mass-Index liegt bei den Betroffenen meist unter 16. Zur Krankheit gehört ein subjektiv gestörtes Körperbild. Die Patienten haben panische Angst vor einer Gewichtszunahme, typisch ist auch eine gewisse Ruhelosigkeit und ein gesteigerter Bewegungsdrang.

Teilweise wird das ständige Fasten von Essanfällen unterbrochen, die dann mittels Erbrechen, Abführmitteln oder Einläufen kompensiert werden.

Unter Bulimie leiden etwa drei bis fünf Prozent der Deutschen. Die Essstörung ist gekennzeichnet durch Fressattacken, die mindestens zweimal pro Woche auftreten. Innerhalb von Minuten bis zu einer Stunde verschlingen die Betroffenen große Mengen an Lebensmitteln und nehmen dabei zwischen 3000 bis 4000, in Extremfällen sogar bis zu 10 000 kcal zu sich. Während des Essens empfinden die Patienten einen Kontrollverlust, außerhalb der Fressattacken ist das Essverhalten dagegen sehr rigide kontrolliert. Einer Fressattacke folgt entweder eine längere Fastenperiode oder exzessives sportliches Training, die meisten Patienten versuchen den Fressanfall durch selbst herbeigeführtes Erbrechen zu kompensieren. Ebenfalls möglich sind Missbrauch von Abführmitteln, Diuretika und Einläufen.

Zahlen für die Essstörung Binge eating disorder gibt es bislang kaum, geschätzt werden 10 bis 20 Prozent der Übergewichtigen. Das Krankheitsbild ähnelt dem der Bulimie. Hauptmerkmale sind wiederkehrende Heißhungerattacken, jedoch fehlt bei den Patienten das charakteristische Kompensationsverhalten. Erbrechen, abführende Maßnahmen, Fasten oder exzessiver Sport treten nicht auf. Die hochkalorische Nahrungsaufnahme ist daher meist mit Übergewicht verbunden.

Prof. Volker Pudel, Präsidiumsmitglied der DGE, dazu: "Für viele Patienten mit Essstörungen bedeutet Nahrungsaufnahme eine ständige Bedrohung. Nicht Appetit auf Schmackhaftes, Genuss oder echter Hunger prägen ihr Essverhalten. Die Angst vor Kalorien beherrscht vielmehr ihr Essen und ihre Lebensmittelauswahl, bis in der Fressattacke die Kontrolle total zusammenbricht".

Laut DGE steht bei allen Essstörungen die psychotherapeutische Betreuung im Vordergrund der Behandlung. Eine Ernährungsberatung ist keinesfalls ausreichend, da die Probleme der Betroffenen in erster Linie in ihrer Einstellung zum eigenen Körpergewicht und nicht in mangelndem Ernährungswissen begründet ist.

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