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Modellprojekt Invade: Wie lassen sich Schlaganfälle und Demenzen verhindern?

(diz). Wenn Risikofaktoren wie Hochdruck, Hypercholesterinämie, Diabetes, Rauchen, Vorhofflimmern, Bewegungsmangel und Übergewicht konsequent erfasst und behandelt werden, lässt sich vaskulären Hirnerkrankungen (z. B. Schlaganfall) und Demenz vorbeugen. Von dieser Hypothese geht eine breit angelegte Interventionsstudie aus, die im Landkreis Ebersberg bei München angelaufen ist.

Ausschlaggebend für die Idee zum Projekt Invade (Interventionsstudie zu vaskulären Erkrankungen und Demenz im Landkreis Ebersberg) war die tägliche Erfahrung von niedergelassenen Neurologen, wie wichtig vorbeugende Medizin gerade bei den bedeutendsten Gehirnerkrankungen wie Schlaganfall und Demenz ist, d. h., welche zentrale Rolle dabei die konsequente Beeinflussung von Risikofaktoren für Gefäßerkrankungen spielen.

Schlaganfall dritthäufigste Todesursache

In den industrialisierten Ländern stellt der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache dar und ist - trotz neuer Entwicklungen in der Akuttherapie wie z. B. der systemischen Thrombolyse - die häufigste Erkrankung, die zu einer dauerhaften Behinderung führt. Jährlich kommt es in Deutschland zu 400 000 stationären Behandlungen aufgrund eines Schlaganfalls. Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der Erkrankungen infolge der demografischen Veränderungen künftig Jahr für Jahr um zwei Prozent zunehmen wird. Vor diesem Hintergrund kommt einer möglichst effektiven Primär- und Sekundärprävention des Schlaganfalls eine wesentliche Bedeutung zu.

Außerdem: Mehr als sieben Prozent der über 65-Jährigen leiden unter Demenzerkrankungen. In Deutschland beläuft sich die Zahl der Kranken gegenwärtig auf 1 Million. Die jährliche Neuerkrankungsrate in der Altenbevölkerung beträgt knapp zwei Prozent. Pro Jahr erkranken an diesem zu völliger Hilflosigkeit führenden Leiden damit 190 000 bis 230 000 Menschen. Häufigste Ursache einer Demenz ist die Alzheimer-Krankheit mit einem Anteil von zwei Dritteln an den Krankheitsfällen, gefolgt von den vaskulären Demenzen mit einem Anteil von etwa 20 Prozent. Die direkten und indirekten Kosten für die Versorgung von Demenzerkrankungen werden auf über 50 Mrd. DM pro Jahr geschätzt.

Wichtigste Ursache für schwere Pflegebedürftigkeit

Schlaganfall und Demenz sind die mit Abstand wichtigsten Ursachen für dauerhafte und schwere Pflegebedürftigkeit. Das Beispiel Bluthochdruck zeigt, dass auch heute noch der größte Teil der Betroffenen nicht ausreichend behandelt wird, wenn man die neuesten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugrunde legt. Ein Hauptgrund dafür liegt darin, dass viele Betroffene gar nicht wissen, dass sie Bluthochdruck haben. Da Bluthochdruck in der Regel keine Schmerzen verursacht, besteht bei Betroffenen kaum Leidensdruck, verordnete Medikamente werden nur von einem Teil der behandelten Patienten regelmäßig eingenommen.

Pharmazeutische Betreuung in der Apotheke

Mit dem Modellprojekt Invade ist es in Ebersberg erstmals gelungen, ein Präventionsprojekt zu schaffen, an dem alle maßgeblich am Gesundheitswesen in Deutschland beteiligten Gruppen mitarbeiten. Vertreter der Ärzteschaft, der Apotheker, der Pharmaindustrie und der Krankenkassen haben sich zu einem Modellversuch zusammengefunden, von dem man sich zukunftsweisende Ergebnisse für die künftige Therapie mit Lipidsenkern und deren präventiven Einsatz erhofft, der aber auch neue Wege in Bezug auf pharmazeutische Betreuung aufzeigen soll. Das Projekt soll belegen, dass durch den Einsatz von Lipidsenkern das Schlaganfallrisiko ebenso gesenkt wird wie das Risiko, an Demenz zu erkranken.

Neben der Einweisung durch den behandelnden Arzt wird der Patient auch in der Apotheke durch seinen Apotheker während des Projekts begleitend und beratend betreut. Die Compliance der Arzneimitteltherapie soll bei diesem Projekt durch den Apotheker gezielt gefördert werden. Durch spezielle Rezepte und extra gekennzeichnete Arzneimittelpackungen wird der Patient sensibilisiert und eine optimale Überwachung und Dokumentation der medikamentösen Therapie und Behandlung während der Laufzeit des Versuchs ermöglicht. Auf diesem Weg ist die Transparenz des Projekts garantiert.

Für AOK-Versicherte über 55 Jahre

Die Hypothesen, die beim Projekt Invade geprüft werden, sind:

  • Die Häufigkeit von Schlaganfall und Demenz bei den untersuchten und behandelten Patienten im Landkreis Ebersberg sinkt signifikant ab.
  • Es kommt zu einer statistisch signifikanten Verminderung von Pflegebedürftigkeit.
  • Die Gesamtbehandlungskosten (direkte und indirekte Kosten) steigen zunächst an, sinken im weiteren Verlauf dann aber unter das Niveau einer vergleichbaren Gruppe, die "wie bisher" behandelt werden.

Um dieses Projekt zu verwirklichen, hat sich unter dem Namen Invade ein Verein gegründet, der bereits eine über zweijährige Vorarbeit geleistet hat. Vorsitzender ist Dr. med. Hans Gnahn, niedergelassener Neurologe in Ebersberg. Das Modellprojekt auf Landkreisebene richtet sich an alle AOK-Versicherten im Alter von über 55 Jahren mit Wohnsitz im Landkreis Ebersberg. Die Versicherten dieser Krankenkasse können sich an dem Vorhaben beteiligen, wenn sie in den beiden ersten Jahren, also Oktober 2000 bis einschließlich März 2002 des auf eine Gesamtlaufzeit von acht Jahren angelegten Modellprojekts ihre Teilnahmebereitschaft erklären. Bei den Versicherten, die das Angebot einer systematischen Bestimmung ihrer Gesundheitsrisiken und einer darauf aufbauenden Behandlungsempfehlung annehmen, werden im Rahmen einer hausärztlichen Untersuchung die Risikofaktoren für Schlaganfall und Demenz in einheitlicher Form erhoben. Dazu zählen Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Vorhofflimmern, Erhöhungen der Homocysteinkonzentration sowie kognitive und depressive Störungen, Übergewicht, Bewegungsmangel und Lebensstilfaktoren. Darüber hinaus wird allen Versicherten ein Screening zur Erfassung von Frühstadien einer Arteriosklerose der Halsarterien mittels Ultraschall angeboten. Anhand des individuellen Risikoprofils erstellt der Hausarzt eine Behandlung der Risikofaktoren nach den aktuellen Empfehlungen und Behandlungsleitlinien der medizinischen Fachgesellschaften.

Kooperation auf breiter Ebene

Sämtliche Apotheken des Landkreises Ebersberg haben sich bereit erklärt, an diesem Modellprojekt mitzuarbeiten. Mitbeteiligt an diesem Projekt sind auf Seiten der pharmazeutischen Industrie die Firmen ratiopharm und die Firma Bayer vital GmbH (Lipidsenker). Bayer vital stellt beispielsweise für dieses Projekt den Cholesterin-Synthese-Enzymhemmer Lipobay kostenlos zur Verfügung. An dem Projekt arbeiten außerden mit: die Hausärzte, die AOK Bayern, die Kassenärztliche Vereinigung, die Neurologische und Psychiatrische Klinik der TU München und die Kreisklinik Ebersberg.

Man erwartet von Invade eine deutliche Verringerung der Zahl von Schlaganfällen, von kardiovaskulären Krankheiten und von Demenzerkrankungen, aber auch eine starke Reduktion der Entstehung von Pflegebedürftigkeit. Ein wesentlicher Bestandteil des Modellprojekts ist der Einsatz von Leitlinien, die entscheidend die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Leistungserbringern verbessern sollen und damit auch zu einer Qualitätssteigerung in der medizinischen Versorgung beitragen sollen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Leitlinien soll das Modellprojekt die Voraussetzungen zur Entwicklung neuartiger, qualitativ gesicherter Versorgungsformen erfüllen.

Für den in das Modellprojekt eingebundenen Patienten wurde ein eigener Invade-Gesundheitspass entwickelt, in dem die wesentlichen Risikofaktoren und gegebenenfalls deren Behandlung individuell festgehalten werden. Eine allgemeine Einführung in das Ziel des Projekts und eine Empfehlung für "vernünftige" Umstellung der Lebensweise ebenso wie eine Aufforderung für den Betreffenden, sich zusammen mit dem Hausarzt um die Einhaltung dieser Empfehlungen zu kümmern, steht am Anfang des Passes.

Invade im Internet:

http://www.invade.de

Wenn Risikofaktoren wie Hochdruck, Hypercholesterinämie, Diabetes, Rauchen, Vorhofflimmern, Bewegungsmangel und Übergewicht konsequent erfasst und behandelt werden, lässt sich vaskulären Hirnerkrankungen (z. B. Schlaganfall) und Demenz vorbeugen. Von dieser Hypothese geht eine breit angelegte Interventionsstudie aus, die im Landkreis Ebersberg bei München angelaufen ist. Auch Apotheken sind im Rahmen der pharmazeutischen Betreuung in dieses Projekt eingebunden.

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