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Stange-Strafverteidiger: "Fremd- und Mehrbesitzverbot fällt in den nächsten ze

(vs). Zumindest in erster Instanz scheint sich der Strafprozess gegen Günter Stange wegen des Vorwurfs der Etablierung einer Apothekenkette seinem Ende zu zu bewegen. Der bisherige Verlauf des Verfahrens wird von den Prozessbeteiligten - wie nicht anders zu erwarten - unterschiedlich bewertet. In einem Gespräch am Rande der Strafverhandlung vor dem Landgericht Bielefeld äußerte sich der Verteidiger von Günter Stange, der Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate, gegenüber der DAZ.

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Herr Strate, der Stange-Prozess vor dem Landgericht Bielefeld zieht sich nun schon mehrere Monate hin. Wie bewerten sie den bisherigen Verlauf?

Strate:

Ich kann nicht einmal im Ansatz erkennen, dass Herr Stange sich in irgendeiner Weise strafbar im Sinne des Apothekengesetzes gemacht haben könnte. Es hat sicherlich wirtschaftliche Verbindungen gegeben zwischen Herrn Stange und den einzelnen Apothekern, die geschäftliche Zusammenarbeit und die Vertragskonzeptionen waren aber nicht so gestaltet, dass die pharmazeutische Unabhängigkeit betroffen gewesen wäre. Auch die ökonomische Unabhängigkeit war zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Soweit es finanzielle Vereinbarungen gab, insbesondere Zahlungsverpflichtungen der Apotheker gegenüber Stange und dessen Unternehmen, unterschieden sich diese graduell nicht von den Verpflichtungen, die jeder Apotheker eingeht, z. B. gegenüber seinen Banken.

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Nun geht aber das Landgericht Bielefeld in seiner vorläufigen Beurteilung von der wirtschaftlichen Abhängigkeit der "Stange-Apotheker" aus. Es stützt sich dabei auf zahlreiche Zeugenaussagen. Zielt Ihre Strategie bereits auf die nächste Instanz?

Strate:

Das Apothekenrecht besteht ja nicht zum Selbstzweck, sondern zum Schutz konkreter Rechtsgüter, wie der Gewährleistung des öffentlichen Arzneimittelversorgungsauftrags. Nur in diesem Rahmen ist ein Strafrechtsschutz sinnvoll. Der Versorgungsauftrag ist jedoch durch Stange in keiner Weise gefährdet worden, insbesondere auch nicht durch den Grad der wirtschaftlichen Verknüpfungen, die zwischen den einzelnen Apothekern und Stange bzw. dessen Unternehmen bestanden haben. Solche wirtschaftlichen Abhängigkeiten gibt es in unserer Gesellschaft in vielen Bereichen. Ich muss mir daher ernsthaft die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses Strafverfahrens stellen. Stange hat sicherlich für sich vorteilhaft wirtschaftliche Interessen zu formulieren versucht; soweit das Gericht darin wirtschaftliche Abhängigkeiten zu erkennen glaubt, sind diese aber aus meiner Sicht nicht dazu geeignet, eine Strafbarkeit Stanges zu begründen.

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Ins Blickfeld Ihrer harschen Kritik sind die ABDA, insbesondere die Herren Pieck und Tisch geraten...

Strate:

Die ABDA ist nicht einfach nur eine Dachorganisation. Wir haben in der Anwaltschaft auch die jeweiligen Standesorganisationen auf der einen Seite und auf der anderen die Anwaltskammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Bundesapothekerkammer und mit ihr verbunden die ABDA sind zwar Dachorganisationen, sie agieren aber in großem Umfang privatwirtschaftlich. Unsere derzeitigen Recherchen gehen dahin, dass es sich bei der ABDA um eine Wirtschaftsorganisation handelt, die eigene wirtschaftliche Interessen auch gegenüber den Apothekern verfolgt. Interessen, von denen ich meine, dass sie nicht die wohlverstandenen Interessen der Apotheker sind, sondern die verselbstständigten Interessen dieses Wirtschaftsunternehmens selbst, das in Herrn Stange einen Konkurrenten gesehen hat.

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Sie verwahren sich dagegen, dass sich die ABDA in die Ermittlungen eingemischt und sogar Zeugen bezahlt hat. Was ist verwerflich daran, in einem so außergewöhnlichen Verfahren außergewöhnliche Mittel einzusetzen?

Strate:

So versucht auch Herr Dr. Pieck sein Vorgehen zu rechtfertigen. Aus meiner Sicht ist das Einschleusen von Informanten in eine Vertrauensbeziehung anstößig. Ich kann nicht beurteilen, ob die so gewonnenen Informationen anders nicht zugänglich geworden wären - der Beweiswert solcher Auskünfte ist jedenfalls sehr in Frage gestellt. Das Vorgehen der ABDA ist in diesem Punkt also eher kontraproduktiv und verstößt des Weiteren gegen das Fairnessgebot. Ich finde es im Übrigen auch bedenklich, dass die Staatsanwaltschaft Bielefeld die Ermittlungsakten, insbesondere die beschlagnahmten Akten an den Justitiar der ABDA zur Einsichtnahme überlassen hat, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Verteidigung Stanges keine Akteneinsicht nehmen durfte. Diese hat die Akten sodann dem Regierungspräsidium zur Verfügung gestellt, ohne dass Herr Stange die Möglichkeit hatte, sich zu den jeweiligen Dokumenten zu äußern und auf die Verfahren Einfluss zu nehmen. Dies ist aus meiner Sicht äußerst anstößig.

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Das Landgericht Bielefeld hat offenbar keine verfassungsrechtlichen oder europarechtlichen Bedenken gegen das Fremd- und Mehrbesitzverbot, trotz des von Stange initiierten Auftragsgutachtens von Professor Taupitz. Wie schätzen Sie die Weiterentwicklung in Sachen Fremd- und Mehrbesitzverbot ein?

Strate:

Es wird sicher in den nächsten zehn Jahren fallen. Wir müssen nur auf die Nachbarländer blicken: auf die Entwicklung, wie sie sich in Italien vollzieht und in Großbritannien schon vollzogen hat, nämlich dass die Apotheken ohne Einbuße an pharmazeutischer Qualität in Ketten zusammengefasst sind. Dies ist eine Entwicklung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, wie sie beispielsweise auch von der OECD gefordert worden ist, und die sich auf kurz oder lang auch in Deutschland durchsetzen wird. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot erinnert aus meiner Sicht eher an alte Zunftbande als an Marktwirtschaft im beginnenden 21. Jahrhundert.

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Glaubt man Ihrem Mandanten, so steht er aufgrund des Stange-Verfahrens finanziell vor dem Abgrund. Seine Prozesskosten sollen sich auf bislang immerhin DM 130 000 belaufen. Eine Verurteilung könnte auch den Entzug der Apothekenbetriebserlaubnis zur Folge haben. Was raten Sie also ihrem Mandanten?

Strate:

Hier geht es um einen Strafprozess, in dem Herrn Stange konkrete Vorwürfe gemacht werden, die er bestreitet. Die bisherige Beweisaufnahme konnte aus meiner Sicht die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht bestätigen. Sollte das Landgericht Bielefeld dennoch einen Verstoß gegen das Apothekengesetz erkennen, werden wir auf jeden Fall Revision beim Bundesgerichtshof einlegen und dort auch die verfassungsrechtliche und europarechtlicher Problematik vortragen. Ich bin sicher, dass Stange am Ende als unbestrafter Mann aus dem Verfahren hervorgehen wird, wenn auch möglicherweise nicht in dieser Instanz.

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Und was reizt Sie als Verteidiger am Fall Stange?

Strate:

Es gibt zwei Aspekte, die den Prozess für mich besonders reizvoll machen: Zum einen steht das Verfahren für einen Scheitelpunkt im Gesundheitswesen in dem sich abzeichnenden Prozess um die Veränderungen beim Fremd- und Mehrbesitzverbot. Hier wirken wir mit, sind gestaltend an der weiteren Entwicklung beteiligt. Des Weiteren ist der Umgang mit der Persönlichkeit Stange, einem ungewöhnlich intelligenten und sympathischen Mandanten, außerordentlich interessant.

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Was ist Stange für Sie? Robin Hood, Pionier, Geschäftsmann?

Strate:

Er ist sicher ein guter Geschäftsmann, der allerdings auch tiefen Einblick in das Gesundheitswesen gewonnen und dessen Mängel erkannt hat. Er ist aber auch eine integre Persönlichkeit, dessen Durchhaltevermögen gegen die fortwährenden Angriffe der ABDA und der Behörden schon gehörigen Respekt abnötigt.

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Herr Strate, haben Sie vielen Dank für dieses Interview!

Zumindest in erster Instanz scheint sich der Strafprozess gegen Günter Stange wegen des Versuchs der Etablierung einer Apothekenkette seinem Ende zu zu bewegen. Der bisherige Verlauf des Verfahrens wird von den Prozessbeteiligten – wie nicht anders zu erwarten – unterschiedlich bewertet. In einem Gespräch am Rande der Strafverhandlung vor dem Landgericht Bielefeld äußerte sich der Verteidiger von Günter Stange, der Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate, gegenüber der DAZ. 

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