Toxikologie

J. Reichling et al.Ätherische Öle im HET-CAM-Test

Die Hersteller von Kosmetika erproben derzeit verschiedene In-vitro-Methoden, die für die Prüfung von Substanzen auf haut- und schleimhautreizende Eigenschaften geeignet sind und den Draize-Test am Kaninchenauge als den international vorgeschriebenen Tierversuch ersetzen könnten. Zu den Ersatzmethoden zählt auch der HET-CAM-Test an der Chorioallantoismembran von befruchteten bebrüteten Hühnerei

Anwendung ätherischer Öle

Die medizinische und kosmetische Anwendung ätherischer Öle ist eine uralte, seit den Ägyptern und Babyloniern praktizierte Heil- und Pflegemethode. Heute werden ätherische Öle vor allem in der Naturheilkunde und Komplementärmedizin bei Atemwegserkrankungen, Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, nervösen Störungen sowie bei bakteriellen und pilzlichen Infektionen angewendet.

In vielen Kliniken werden ätherische Öle äußerlich als unterstützende Methode in der Krankenpflege, zur Desinfektion und in der Geburtshilfe mit Erfolg eingesetzt. Zusätzlich sorgen gezielt ausgewählte Wohlgerüche in Kranken-, Behandlungs- und Aufenthaltsräumen für eine entspannte, angstfreie Atmosphäre, da Gerüche und Düfte einen direkten Zugang zu unseren Erinnerungen und Emotionen haben (Aromatherapie im engeren Sinn).

Der Einsatz ätherischer Öle, vor allem von Lavendel- und Australischem Teebaumöl, in der Behandlung von Wunden bzw. Strahlenschäden hat sich erfolgreich bewährt. Auch in vielen Naturkosmetika sind ätherische Öle Bestandteil der Rezeptur [1 - 4].

Prüfung auf unerwünschte Effekte

Von ätherischen Ölen, vor allem von terpenreichen Ölen, ist aber auch bekannt, dass sie eine haut- bzw. schleimhautreizende sowie eine kontaktallergieinduzierende Wirkung haben können. Vor allem in durch Autoxidation veränderten ätherischen Ölen entstehen Peroxide sowie oxidierte Folgeprodukte, die zumindest potenzielle Haut- bzw. Schleimhautirritanzien darstellen können [5].

Seit der Novellierung des Tierschutzgesetzes von 1987 dürfen für die Entwicklung von dekorativen kosmetischen Produkten in Deutschland keine Tierversuche mehr durchgeführt werden. Nach der EU-Richtlinie 97/18/EG soll dies seit dem 30. Juni 2000 auch für andere Mitgliedstaaten nicht mehr möglich sein. In den Laboratorien der europäischen Hersteller von Kosmetika werden derzeit verschiedene In-vitro-Methoden erprobt, die sich für eine Prüfung auf haut- und schleimhautreizende Eigenschaften eignen, sodass sie den Draize-Test am Kaninchenauge als den international vorgeschriebenen Tierversuch ersetzen könnten.

Zu den Ersatz- und Ergänzungsmethoden, die derzeit noch nicht alle vollständig evaluiert sind, zählt der HET-CAM-Test (= Hen's Egg Test - Chorioallantoic Membrane), der ursprünglich von Luepke [6] entwickelt wurde. Es handelt sich dabei um einen schnell durchführbaren, kostengünstigen und empfindlichen Toxizitätstest, der in der Kosmetikindustrie, vor allem in Deutschland und Frankreich, zur Abschätzung der schleimhautirritierenden Wirkung von Ausgangsstoffen, Wirkstoffen und Formulierungen benutzt wird. Nach entsprechenden Erfahrungen zeigt der HET-CAM-Test in Bezug auf den Draize-Augen-Irritations-Test eine bessere In-vitro-In-vivo-Korrelation als irgendeine andere alternative In-vitro-Methode. In Deutschland wird dieser In-vitro-Test inzwischen als gut validierte Alternative zum Draize-Test akzeptiert, um schwerwiegende Schädigungen des Auges vorherzusagen [7 - 14].

Prinzip des Testverfahrens

Beim HET-CAM-Test werden bebrütete Hühnereier verwendet. Der Test auf schleimhautreizende Wirkung von Stoffen, Stoffgemischen und galenischen Zubereitungen beruht darauf, dass solche Substanzen Schäden an den Blutgefäßen sowie an den kleinen Blutkapillaren der gut durchbluteten Chorioallantoismembran (= CAM) des Hühnereies hervorrufen und dadurch Rückschlüsse auf ihre schleimhautreizenden Eigenschaften zulassen [6, 15 - 17]. Die CAM stellt eine dünne, dreischichtige, gefäßreiche Haut dar, die dem Hühner-Embryo als primitives Atmungsorgan dient (Abb. 1 bis 4).

Die meisten HET-CAM-Protokolle benutzen als Endpunkte der Reizreaktion das Auftreten von Hämorrhagie, Lyse und Eiweißkoagulation. Gewöhnlich wird die Prüfsubstanz in einer Konzentration von 10% (z. B. als Lösung) auf die CAM aufgebracht und das Auftreten der jeweiligen Reizreaktionen nach bestimmten Zeiten (z. B. 0,5; 1,0; 5,0 Minuten) gemessen und nach einem definierten Punktesystem (Score) bewertet. Hierbei wird die Hämorrhagie weniger stark bewertet als Lyse und Eiweißkoagulation [6, 16]. Die Gesamtbeobachtungszeit beträgt 5 Minuten, da danach erfahrungsgemäß keine weitergehenden Veränderungen an der Chorioallantoismembran mehr feststellbar sind.

In einem weiteren HET-CAM-Protokoll lässt man Feststoffe bzw. unlösliche Stoffe 5 Minuten lang auf die CAM einwirken. Anschließend entfernt man den Stoff und bewertet die Reizstärke nach dem Auftreten von Hämorrhagie, Lyse oder Eiweißkoagulation [18].

Ein drittes HET-CAM-Protokoll ist die Reizschwellenmethode. Gewöhnlich wird hierbei die niedrigste Konzentration (= Reizschwellenkonzentration) bestimmt, bei der nach 5-minütiger Einwirkzeit der Testsubstanz deutlich sichtbare Reizungen an den Blutgefäßen der CAM festgestellt werden können [12].

Endpunkte der Reizreaktion

Die Endpunkte der Reizreaktion der ausgewählten ätherischen Öle und Terpene wurden im Vergleich zu denen der entsprechenden Positiv- und Negativkontrollen beurteilt (s. Abb. 1 bis 4). In der vorliegenden Untersuchung dienten Olivenöl als Negativkontrolle, eine 0,5%ige Natriumdodecylsulfat(SDS)-Lösung und eine 1%ige Lösung von Wasserstoffperoxid als Positivkontrollen.

  • Olivenöl verursachte nach 5-minütiger Einwirkzeit keine sichtbaren Veränderungen an den Blutgefäßen der Chorioallantoismembran (Endpunkt 1).
  • Nach Applikation von SDS auf die CAM konnte man nach einer Minute Gefäßerweiterungen (Hyperämie) sowie leichte Hämorrhagien feststellen (Endpunkt 2).
  • Nach 5 Minuten traten starke Hämorrhagien auf, die teilweise mit der Lyse von kleinen Blutgefäßen einhergingen (Endpunkt 3).
  • Nach Applikation von Wasserstoffperoxid konnte man nach 5 Minuten eine maximale Reizwirkung beobachten. Es kam zu einer starken Eiweißkoagulation und zu einem Zurückweichen des Blutes in den Blutgefäßen (Endpunkt 4).

    Auswahl des speziellen Testverfahrens

    Das häufig verwendete HET-CAM-Protokoll, bei dem eine 10%ige Lösung einer Substanz auf die CAM aufgebracht und anschließend das Auftreten von Hämorrhagie, Lyse oder Eiweißkoagulation nach einer bestimmten Zeit bewertet wird, ist für die Abschätzung der Reizwirkung von ätherischen Ölen und Terpenen in der Praxis ungeeignet. Nach dieser Methode wären von den geprüften Naturstoffen lediglich Zimtöl und Thymianöl sowie alpha-Pinen, beta-Pinen und gamma-Terpinen reizend (s. Tab. 2 und 3).

    Für die Anwendung von ätherischen Ölen und Terpenen in der medizinischen und kosmetischen Praxis ist die Frage von entscheidender Bedeutung, ab welcher Konzentration die Stoffe eine deutliche schleimhautreizende Wirkung zeigen. Wir haben uns daher für die Reizschwellenmethode entschieden, die wir modifiziert und den speziellen Erfordernissen bei der Ermittlung der Reizschwellenkonzentration von ätherischen Ölen angepasst haben. Es wurde festgelegt, dass die Reizschwellenkonzentration dann erreicht ist, wenn nach 5-minütiger Einwirkung des Naturstoffes auf die CAM die Endpunkte 3 oder 4 - starke Hämorrhagie oder Eiweißkoagulation - auftreten (vgl. Abb. 3 und 4).

    Charakterisierung der oxidierten ätherischen Öle

    Von den getesteten ätherischen Ölen wurden beispielhaft Eucalyptusöl, Latschenkiefernöl, Pfefferminzöl und Teebaumöl zusätzlich einer künstlichen Autoxidation unterzogen (s. Methoden). Wie schon früher gezeigt werden konnte [5], werden ätherische Öle durch Autoxidation in ihrer quantitativen (seltener auch in ihrer qualitativen) Zusammensetzung verändert. In der vorliegenden Untersuchung traten vor allem beim Teebaumöl und Pfefferminzöl deutliche Verschiebungen im Gehalt einzelner Ölbestandteile auf (s. Tab. 1).

    • Im Teebaumöl stieg der Gehalt von p-Cymen von 2,0% im frisch destillierten Öl auf über 13,0% im oxidierten Öl an. Gleichzeitig gingen die Werte des alpha-Terpinen von 11,2 auf 4,0% und des gamma-Terpinen von 21,0% auf 10,8% deutlich zurück.
    • Beim Pfefferminzöl erhöhte sich der Gehalt von Menthon von 26,4% im frisch destillierten Öl auf 34,6% im oxidierten Öl deutlich.
    • Bei allen oxidierten ätherischen Ölen stieg die Peroxidzahl von 25 ppm in den frisch destillierten Ölen auf über 500 ppm in den oxidierten Ölen an.

    Ätherische Öle im Vergleich

    Mit der oben beschriebenen Reizschwellenmethode konnte bei allen geprüften ätherischen Ölen die jeweilige Reizschwellenkonzentration eindeutig und reproduzierbar ermittelt werden (s. Tab. 2).

    Zunächst bleibt festzustellen, dass alle ätherischen Öle im nativen, unverdünnten Zustand (100%ige Lösung) eine starke Reizwirkung (Endpunkt 3) zeigten. Eine Eiweißkoagulation war hingegen nicht zu beobachten. Dieses Ergebnis spricht für die allgemein anerkannte Empfehlung, ätherische Öle zumindest nicht über einen längeren Zeitraum unverdünnt auf die Gesichts- und Körperhaut aufzubringen. Arbeitet man ätherische Öle z. B. in Mandelöl, Olivenöl oder in eine Salbengrundlage ein, dann hängt das Auftreten der Reizwirkung von der Reizschwellenkonzentration des jeweiligen ätherischen Öls ab. Diese kann nach den vorliegenden Ergebnissen für die verschiedenen ätherischen Öle sehr unterschiedlich sein. So lag z. B. die Reizschwellenkonzentration von Zimtöl bei 5%, die von Latschenkiefernöl dagegen bei 100% (Tab. 2).

    Kategorien

    Nach einer ersten Sichtung kann man die getesteten ätherischen Öle nach ihren Reizschwellenkonzentrationen grob in drei Kategorien einteilen (Tab. 2).

    • In der Kategorie I wurden diejenigen ätherischen Öle zusammengefasst, die schon bei einer relativ niedrigen Reizschwellenkonzentration von 1 bis 10% eine starke schleimhautreizende Wirkung verursachten. Hierzu gehören z. B. Zimt- und Thymianöl. Thymi aetheroleum (Stammpflanze: Thymus vulgaris L.) wird in der Literatur als stark hautreizende Substanz beschrieben [19]. Interessanterweise zeigte es in 8%iger Konzentration in Vaseline beim Menschen keine Reizung [19]. Die von uns im HET-CAM-Test ermittelte Reizschwellenkonzentration lag bei 10%.
    • Die Kategorie II umfasst ätherische Öle, deren Reizschwellenkonzentrationen im mittleren Konzentrationsbereich zwischen 15 und 25% liegen. Dazu zählen z. B. Lavendelöl, Gewürznelkenöl, Teebaumöl, Cajeputöl, Eucalyptusöl, Niaouliöl und Kanukaöl. Auch aus der Literatur sind Gewürznelkenöl und Eucalyptusöl als leicht reizende ätherische Öle bekannt [20, 21].
    • In der Kategorie III wurden solche ätherischen Öle zusammengefasst, die erst bei einer relativ hohen Reizschwellenkonzentration von 30 bis 100% starke Schleimhautreizungen verursachten. Hierzu gehören z. B. Pfefferminzöl, Manukaöl und Latschenkiefernöl.

    Bei den vier oxidierten ätherischen Ölen konnte eine deutliche Verschiebung der jeweiligen Reizschwellenkonzentration hin zu niedrigeren Konzentrationen, das heißt eine Zunahme der Reizstärke, beobachtet werden (s. Tab. 2).

    So verursachten oxidiertes Eucalyptusöl und Teebaumöl nach 5-minütiger Einwirkzeit schon in einer Konzentration von 5% an der CAM eine sehr starke schleimhautreizende Wirkung, die sich in einer Eiweißkoagulation (Endpunkt 4) ausdrückte. Hingegen traten bei oxidiertem Pfefferminzöl und Latschenkiefernöl die gleichen Reizwirkungen erst bei deutlich höheren Reizschwellenkonzentrationen (15 bzw. 20%) auf.

    Möglicherweise sind vor allem die instabilen Peroxide, die bei der Autoxidation der ätherischen Öle gebildet werden, für die Reizverstärkung verantwortlich. Pfefferminzöle z. B. reizen die Haut umso stärker, je mehr Menthon (nativ oder aus Autoxidationsprozessen, s. Tab. 1) sie enthalten [22]. Eine Autoxidation von ätherischen Ölen ist daher unerwünscht und stellt eine Minderung der pharmazeutischen Qualität dar.

    Mono- und Sesquiterpene im Vergleich

    Mit der von uns beschriebenen Reizschwellenmethode lassen sich die ausgewählten Mono- und Sesquiterpene, ähnlich wie die ätherischen Ölen, in drei Kategorien einteilen (s. Tab. 3).

    • In der Kategorie I wurden die Monoterpene alpha-Pinen, beta-Pinen und gamma-Terpinen zusammengefasst, die nach 5-minütiger Einwirkzeit schon bei einer Reizschwellenkonzentration von 10% an der CAM eine starke schleimhautreizende Wirkung (Endpunkt 3) verursachten. Auch in der Literatur werden alpha-Pinen und beta-Pinen als stark haut- und schleimhautreizende Stoffe beschrieben [23].
    • In der Kategorie II wurden die Substanzen Terpinen-4-ol, alpha-Terpinen, Caryophyllen, o3-Caren, Caryophyllenoxid und p-Cymen zusammengefasst, die erst in mittleren Reizschwellenkonzentrationen von 15 bis 25% an der CAM eine starke Reizwirkung hervorgerufen haben. In einer früheren Arbeit wurde p-Cymen als ein starkes Hautirritans beschrieben [24]. Im HET-CAM-Test rief p-Cymen dagegen erst bei einer mittleren Reizschwellenkonzentration von 20% starke Hämorrhagien an der CAM hervor. Bei autoxidativ verändertem Teebaumöl liegt der p-Cymengehalt aber nicht selten weit über 20% [5]. Dies bedeutet, dass die erhöhte Reizwirkung von oxidiertem Teebaumöl nicht nur auf die gebildeten Peroxide zurückzuführen ist, sondern dass auch ein sehr hoher p-Cymengehalt mitverantwortlich ist.
    • 1,8-Cineol wurde in die Kategorie III gestellt, da es erst bei der relativ hohen Reizschwellenkonzentration von 30% an der CAM starke Hämorrhagien auslöste. In der Literatur wird 1,8-Cineol als leicht bis schwach reizende Substanz beschrieben [21].

    Schlussfolgerung

    Für die praktische Anwendung möchte man nicht nur wissen, ob ein ätherisches Öl stark reizend oder schwach reizend wirkt. Ärzte, Therapeuten oder Kosmetiker sind vielmehr daran interessiert zu erfahren, ab welcher Konzentration ein bestimmtes ätherisches Öl auf der Haut oder Schleimhaut toxikologisch bedenkliche Irritationen hervorruft.

    Wir konnten zeigen, dass die Reizwirkungen bestimmter ätherischer Öle bzw. Ölbestandteile, die am Menschen oder im Tiermodell festgestellt wurden, relativ gut mit den Reizwirkungen korrelieren, die sich mit Hilfe des beschriebenen HET-CAM-Protokolls ergaben. Diese Methode erscheint daher geeignet, eine Abschätzung der schleimhautreizenden Wirkung von ätherischen Ölen und deren Bestandteilen vorzunehmen. Zur Stützung dieser Aussage müssen jedoch noch weitere ätherische Öle ganz unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung mit dieser In-vitro-Methode untersucht werden.

    Material und Methoden

    Auswahl der Testeier: Die Fertilität und Entwicklungsfähigkeit von Hühnereiern sind abhängig von zahlreichen Faktoren, wie z. B. genetischer Hintergrund, Alter des Legevolkes, Ernährungsstatus, Haltebedingungen. Die Rasse White Leghorn gilt als am besten genetisch kontrolliert und charakterisiert. Alle Untersuchungen wurden daher an frischen fertilen Bruteiern der Rasse White Leghorn des gleichen, genetisch kontrollierten Zuchtstammes durchgeführt. Die Hühnereier wurden am achten Inkubationstag von einem gewerblichen Zuchtbetrieb (LSL-Rhein/Main Schaafheim) bezogen. Zur Verwendung kamen nur Bruteier im Gewicht von 50 bis 60 g.

    Die Bebrütung der Eier erfolgte bei 37 Grad Celsius mit dem spitzen Eipol nach unten, sodass sich die Luftblase unter dem stumpfen Eipol einstellen konnte. Eine gestörte Entwicklung oder ein abgestorbener Keim lassen sich beim Durchleuchten der Eier am Zustand der Blutgefäße sowie den Bewegungen des Keims erkennen. Eier mit Defekten wurden ausgesondert. Am zehnten Inkubationstag wurde die Luftkammer mit einem rotierenden Sägeblatt angefräst und entfernt. Nach Abpräparieren der inneren Eimembran liegt die Chorioallantoismembran frei.

    Durchführung des Hühnereitests: Zur Testung wurde das jeweilige ätherische Öl/Terpen unter clean-bench-Bedingungen in Olivenöl gelöst oder suspendiert und im Volumen von 0,2 ml auf die Membran gegeben. Für jede Testsubstanz und -konzentration wurden vier bebrütete Eier verwendet. Als Negativkontrolle diente handelsübliches, kaltgepresstes Olivenöl, als Positivkontrolle wurden 0,2 ml einer Standardreferenzlösung (0,5% Natriumdodecylsulfat [SDS] in 0,9%iger steriler Kochsalzlösung) benutzt. Nach der Applikation der Prüfsubstanzen wurden sowohl die Chorioallantoismembran als auch die Blutgefäße einschließlich des Kapillarnetzes und die Eiweißkoagulation über einen Zeitraum von 5 Minuten beobachtet. Längere Beobachtungszeiten führten zu keinen zusätzlichen Informationen. Registriert wurden Kapillargefäßveränderungen (Hyperämie), Hämorrhagie und Koagulation.

    Bewertung der Endpunkte der Reizreaktion (s. Abb. 1 bis 4):

  • Nicht reizend: Keine Reaktion. Aussehen der CAM wie nach 5-minütiger Olivenölbehandlung.
  • Leicht reizend: Kapillargefäßveränderung und leichte Hämorrhagie wie nach 1-minütiger SDS-Behandlung.
  • Stark reizend (++): Starke Hämorrhagie der Blutgefäße wie nach 5-minütiger SDS-Behandlung.
  • Sehr stark reizend (+++): Eiweißkoagulation.

    Verwendete Prüfsubstanzen:

  • Ätherische Öle: Die nicht oxidierten, frisch destillierten ätherischen Öle wurden aus dem Handel bezogen: Teebaumöl (ALVA, Wallenhorst), Latschenkiefernöl (Allga-Pharma, Fischen), Cajeputöl (Spinnrad, Gelsenkirchen), Eucalyptusöl, Niaouliöl (Caesar und Loretz, Hilden), Kanukaöl (Colimex, Köln), Manukaöl (ALVA, Wallenhorst), Pfefferminzöl, Nelkenöl, Lavendelöl, Thymianöl, Zimtöl (Caesar und Loretz, Hilden). Die Identität und chemische Zusammensetzung der ätherischen Öle wurde mit Hilfe der gaschromatographischen Analyse und von authentischen Vergleichssubstanzen sowie durch GC-MS-Kopplung sichergestellt (zur chemischen Zusammensetzung s. [25]).
  • Terpene: p-Cymen, 1,8-Cineol, D3-Caren, Terpinen-4-ol, beta-Pinen, alpha-Terpinen, gamma-Terpinen, Caryophyllen, Caryophyllenoxid (Roth, Karlsruhe); alpha-Pinen (Fluka, Deisenhofen).

    Autoxidation von ätherischen Ölen:

    25 ml des jeweiligen ätherischen Öls wurden in einen 1-Liter-Rundkolben aus weißem Glas gegeben, mit einem Glasstopfen verschlossen und während des gesamten Untersuchungszeitraumes bei Raumtemperatur am Fenster dem Tageslicht ausgesetzt. Dem Behältnis wurden in festgelegten Zeitabständen Ätherisch-Öl-Proben entnommen. Es wurde sowohl die Peroxidzahl ermittelt als auch die qualitative und quantitative Zusammensetzung der Probe mittels GC-Analyse erfasst.

    GC-Methode: Die ätherischen Öle wurden als 1%ige Lösungen in Hexan analysiert. Als Gaschromatograph wurde ein Carlo Erba GC 6000 Gerät verwendet. Als GC-Säule diente eine 15 m x 0,25 mm (i.D.) fused silika OV-1 Kapillarsäule. Trägergas: Helium (Durchfluss: 2 ml/min); Split: 1:5; Temperaturprogramm: Die Starttemperatur betrug 40 Grad Celsius. Nach 4 Minuten wurde die Temperatur um 4 Grad Celsius/min auf 120 Grad Celsius und anschließend um 10 Grad Celsius/min auf 300 Grad Celsius erhöht.

    GC-MS-Methode: Die einzelnen Bestandteile der ätherischen Öle wurden mit Hilfe der GC-MS-Methode identifiziert. Die erhaltenen Massenspektren wurden mit denen authentischer Vergleichssubstanzen und/oder mit Literaturdaten verglichen. Ein Carlo Erba HRGC 4160 Gaschromatograph war mit einem Finnigan MAT 4500 Massenspektrometer über ein Interface verbunden. Trennsäule: OV-1 Kapillarsäule, 30 m x 0,25 mm; Split: 1 : 20; Temperaturprogramm: Die Starttemperatur betrug 46 Grad Celsius. Nach 4 Minuten wurde die Temperatur zunächst um 3 Grad Celsius/min auf 76 Grad Celsius, dann um 4 Grad Celsius/min auf 136 Grad Celsius und anschließend um 6 Grad Celsius/min auf 300 Grad Celsius gesteigert.

    Zusammenfassung

    • In einem In-vitro-Test mit der Chorioallantoismembran (= CAM) des bebrüteten Hühnereies ließen sich für bestimmte ätherische Öle und ihre Inhaltsstoffe typische Reizschwellenkonzentrationen ermitteln.
    • Die Festlegung der Reizschwellenkonzentration an der CAM orientierte sich am Auftreten bestimmter Endpunkte der Reizreaktion wie Hämorrhagie, Lyse und Eiweißkoagulation.
    • Bei den Tests ergab sich eine Korrelation mit den Ergebnissen von In-vivo-Tests am Menschen und am Tier.
    • Das Testverfahren erscheint daher geeignet, Tierversuche zu ersetzen.

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  • Um die haut- und schleimhautreizende Wirkung von Kosmetika zu testen, waren früher Tierversuche (Kaninchenauge) vorgeschrieben. Als eine von mehreren Ersatzmethoden wurde der Test an der Chorioallantoismembran des befruchteten, bebrüteten Hühnereis etabliert (HET-CAM). Eine Heidelberger Forschungsgruppe hat diesen Test weiterentwickelt, um die Reizschwellenkonzentrationen von ätherischen Ölen sowie von Mono- und Sesquiterpenen zu messen. Dabei zeigte sich z. B., dass p-Cymen weniger hautreizend ist als in der Literatur angegeben. 

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