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Schwarze Raucher – Quelle des Lebens

Als japanische Fischer in den 70er Jahren hohe Gehalte an Quecksilber in ihren Thunfischen fanden, wurde die Verschmutzung der Meere dafür verantwortlich gemacht. Dass die Natur selbst der Übeltäter ist, ahnte damals kaum jemand. Denn das System der mittelozeanischen Rücken, das sich rund um den Erdball zieht, ist erst in den 50er Jahren entdeckt worden. Die Schwarzen Raucher warteten noch länger auf ihre Entdeckung.

Schornsteine des Meeresgrundes

Die Entdeckung der mittelozeanischen Rücken mit ihrem Vulkanismus gab von Anfang an viele Rätsel auf. Merkwürdige magnetische Phänomene, eine hohe Temperaturabstrahlung und vieles mehr war zu erforschen. Heraus kam schließlich die Erkenntnis der Plattentektonik und der Drift der Kontinente.

Dass die Vulkane der Meere auch eine zentrale Rolle für die gesamte Biologie der Erde besitzen, wird aber erst, nachdem 1977 die ersten Schwarzen Raucher vor den Galapagos-Inseln entdeckt wurden, langsam deutlich.

Die Schornsteine des Meeresgrundes sind Zentren einer rätselhaften Welt, die das etablierte Bild der globalen Kreisläufe in Frage stellen. Sie liegen vor allem an den mittelozeanischen Rücken, wo sich durch hervorquellendes heißes Magma der Meeresboden dehnt. Sie treten meistens in Gruppen auf. Hunderte solcher Schlotfelder wurden mittlerweile gefunden. Sehr viel mehr werden vermutet. Denn das Riftsystem der Ozeane ist mit fast 60000 km Länge das größte Gebilde der Erde und auch das unbekannteste.

Ein riesiges System von Umwälzpumpen

Das Magma quillt ruckartig aus dem Untergrund hervor. Dadurch bilden sich Risse und Spalten, in denen kaltes Meerwasser in die Tiefe sickert und sich erhitzt. Mit dem Wasser gehen Ionen in den Fels über und lösen Mineralien aus dem Gestein.

Hat das Wasser eine Hochtemperaturzone von vielleicht 1000 Grad Celsius erreicht, kommt die Beladung mit Mineralien nahe ans Gleichgewicht mit der Umgebung. Als hydrothermale Flüssigkeit bleibt das Wasser auch unter dem großen Druck flüssig.

Auf dem Rückweg nach oben kühlt das Wasser wieder ab. Zunächst adiabatisch langsam durch die zunehmende Dekompression. Beim Abkühlen übersättigt sich die Flüssigkeit, sodass sukzessive Sekundärminerale wie Metallsulfide oder Quarz ausfallen.

Wenn die immer noch relativ heiße Flüssigkeit auf das 2 Grad Celsius kalte Tiefenwasser des Meeres stößt, bilden sich dunkle "Wolken", die dem Phänomen den Namen Schwarze Raucher gegeben haben. Sie bestehen hauptsächlich aus Sulfiden, wie FeS, ZnS oder CuFeS2, und Sulfaten, wie CaSO4 und BaSO4. Es gibt auch Weiße Raucher, die vor allem Barium- und Calciumsilicat ins Meer transportieren.

Ein Teil des "Rauches" fällt sofort aus und lässt um die Austrittstelle einen Schlot aufwachsen. Die größten bekannten Schlote sind 50 Meter hoch. Der Rest bleibt in Lösung und bildet so genannte Plumes (Federn), die durch das Meer wandern.

Wassersäulen treiben durchs Meer

Man sollte annehmen, dass die heißen Wassersäulen, die aus den Schloten in die Höhe schießen, sich sofort mit dem kalten Meerwasser mischen und verschwinden. Doch dem ist nicht so. Noch in 1000 Kilometer Entfernung von den Schloten werden 200 Meter dicke und zwei Kilometer lange rotierende Plumes gefunden. Der chemische Fingerabdruck weist deren Ursprung nach.

Das Rätsel ist mittlerweile gelöst: Die rotierende Erde versetzt die aufsteigende Wassersäule in eine sie stabilisierende Drehbewegung. Über deren potenzielle Wirkungen wird bereits trefflich spekuliert. So soll eine Plume, die die Meeresoberfläche auf 50 Grad Celsius aufheizt, einen gewaltigen Wirbelsturm entfachen können, der Wasser und Staub in die Stratosphäre schleudert, was wiederum das Klima beeinflusst. Für das Aussterben der Dinosaurier gibt es eine neue Theorie: Es war vielleicht kein Meteorit, sondern eine "Megaplume".

Erzmine oder Schutzgebiet?

In der Bismarcksee vor Papua-Neuguinea liegen mehrere Milliarden DM in Kupfer, Gold und Silber, allerdings in 2500 Meter Tiefe. Das beruhigt die Meeresbiologen, die am liebsten alle Schlotgebiete unter Naturschutz gestellt sehen wollen.

Die Schlote emittieren je nach Standort alles Mögliche, vom Edelmetall und Quecksilber bis zu einem petroleumartigen Öl. Der Abbau der Rohstoffe wäre aufwendig und teuer. Dennoch gibt es Unternehmen, die in den nächsten Jahren mit der Ausbeutung solcher Felder beginnen wollen.

Giftig und kochend heiß - aber paradiesisch

Die direkte Umgebung der Schlote ist für die menschliche Erfahrung extrem giftig und heiß. Ihre Entdeckter haben deshalb gestaunt, als sie am Grund des Meeres, unter hohem Druck und im absoluten Dunkel, blühendes vielgestaltiges Leben fanden.

Die Primärproduzenten der exotischen Welt sind Bakterien und Archäbakterien, die Schwefel, Wasserstoff oder Methan als Energiequelle nutzen. Vor allem die thermophilen Archäbakterien haben es der Forschung angetan. Schon seit Jahren ist die Jagd nach Extremozymen, nach hitzestabilen Enzymen mit neuen Eigenschaften, eröffnet. Das Beispiel der taq-Polymerase, die aus der PCR-Technik nicht wegzudenken ist, beflügelt die Forscher. Doch sind bisher nur wenige Erfolge zu verzeichnen.

Es ist ein völliges Rätsel, wie Tiere in einer kochenden Schwefelbrühe leben können, wie sie ihren Stoffwechsel organisieren, wie sich die Zellen teilen, wie die Proteine stabil bleiben und vieles mehr.

Bei den Mikroorganismen ist die Erkenntnis etwas weiter fortgeschritten. Sie haben Stoffwechselwege gefunden, die unter den außerordentlichen Bedingungen thermodynamisch geeignet sind, Energie zu gewinnen. Seltsamerweise stellen die Schlote einen passenden Ort dar, da hier Elektronendonatoren und -akzeptoren zusammenfließen. Die Donatoren sind reduzierte Verbindungen aus der Hochtemperaturzone des Tiefengesteins, die Akzeptoren die stärker oxidierten Verbindungen des Seewassers.

Die Quelle des Lebens

Die Photosynthese treibt das Leben auf der Erdoberfläche an. Im Dunkel der Tiefsee geht das nicht. Chemoautotrophe Schwefelbakterien sind hier der Urgrund alles Lebens, der Beginn der Nahrungskette. Borstenwürmer oder Krebse weiden sie von den Basaltfelsen ab.

Viele Tiere sind auch Symbiosen mit den Bakterien eingegangen. So bildet der drei Meter lange Riesenbartwurm Riftia so genannte Trophosomen in seinem Körper aus. Die sackartigen Zellen beherbergen viele Millionen Schwefelbakterien. Der Wurm verzichtet auf Mund, Augen, Darm und After. Offenbar ist das Zusammenleben perfekt.

Der Ofen der Erde

Die Schlote sind nicht nur für exotische Bakterien wichtig. Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass sie das Leben der Erde als Ganzes wesentlich beeinflussen. Sie fördern gewaltige Mengen Mineralien, Gase und Metalle aus dem Erdinnern und entziehen dem Wasser gleichzeitig Sulfat und Magnesium.

Die Schlote sollen mit einem Drittel am Wärmezustrom in die Weltmeere beteiligt sein. Falls sich das bewahrheitet, fließt ein Viertel der gesamten Wärmemenge der Erde über sie. Die endlosen Debatten über den Wärmehaushalt der Erde bekommen einen neuen Baustein.

Der Ursprung der Biologie?

Das Leben auf der Erde ist nicht in den trüben Ursuppen der Meeresküsten entstanden, sondern zwischen den katalytisch wirksamen Metallsulfiden der schwarzen "Wolken". Das behaupten zumindest einige Wissenschaftler. Es konnte gezeigt werden, dass sich unter hohem Druck bei 100 Grad Celsius Aminosäuren zu Peptiden zusammenlagern. Es ist auch experimentell geglückt, bei 500 Grad Celsius und 500 bar aus Nitrat, Eisensulfid und Wasser Ammoniak herzustellen, eine notwendige Vorstufe für komplexere Moleküle.

Ob die Theorie stimmt, muss sich noch erweisen. Die Schwarzen Raucher zeigen, dass auf der scheinbar so gut erforschten Erde noch Überraschungen schlummern, die das Weltbild nachhaltig beeinflussen können.

Schwarze Raucher im Internet

http://seawifs.gsfc.nasa.gov/ OCEAN_PLANET/HTML/oceanography_recently_revealed1.html www.pmel.noaa.gov/vents/home.html

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