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Nahrungsergänzungsmittel: Zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln

Im Rahmen der an der Universität in Halle angebotenen Seminarreihe zu Themen der Klinischen Pharmazie referierte die Lebensmittelchemikerin und Leistungssportlerin Maria Kristina Henze, die am Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule in Köln arbeitet und Doktorandin am Fachbereich Pharmazie der Universität Halle-Wittenberg ist, am 13. Juni über die Einsatzgebiete von Nahrungsergänzungsmitteln, vor allem auch im Bereich des Leistungssportes. Angesichts des verbreiteten Einsatzes von Nahrungsergänzungsmitteln kann diese Thematik in Bezug auf die Beratungstätigkeit des Offizinapothekers als besonders relevant angesehen werden.

Definitionen

Nach der Definition des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin sind Nahrungsergänzungsmittel Lebensmittel, die einen oder mehrere Nährstoffe in konzentrierter Form enthalten (überwiegend Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente) und üblicherweise eine lebensmitteluntypische Form (Tabletten, Kapseln etc.) aufweisen.

Lebensmittel sind nach §1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden. Ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden.

Rechtliche Einordnung von Nahrungsergänzungsmitteln

Hieraus ergibt sich für Nahrungsergänzungsmittel ein Abgrenzungsproblem zu den Arzneimitteln. Nach derzeit geltendem Recht dienen Nahrungsergänzungsmittel der Deckung des normalen oder gesteigerten Bedarfs, Arzneimittel dagegen Heil- und Vorbeugungszwecken. Welcher Gruppe die Präparation zugeordnet wird, ist von der Dosierung abhängig und richtet sich nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Bei einem Ausgleich von Mängeln in der normalen Kost handelt es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel, bei Dosierungsempfehlungen, die die dreifache Menge des Tagesbedarfs übersteigen, zählt man das Präparat zu den Arzneimitteln.

In der Regel sind Nahrungsergänzungsmittel Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs, für die die Bestimmungen des LMBG gelten. Generell unterliegen sie keiner Zulassungspflicht.

Ausnahmen sind Nahrungsergänzungsmittel, die einem diätetischen Zweck dienen oder neuartige Lebensmittel sind. Solche Produkte unterliegen einer Anzeige- bzw. Zulassungspflicht. Für sie gelten, zusätzlich zu den rechtlichen Vorschriften für sonstige Nahrungsergänzungsmittel, die Diät-Verordnung bzw. die Novel-Food-Verordnung.

Frau Henze wies auf die Problematik hin, dass Hersteller aufgrund der Zulassungspflicht für Arzneimittel bei entsprechenden Präparaten häufig versuchen, sie als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt zu bringen, um die Zulassung zu umgehen.

Objektive Zweckbestimmung

Ob eine Substanz als Lebensmittel oder als Arzneimittel eingestuft wird, darüber entscheidet die objektive Zweckbestimmung. Sie orientiert sich an folgenden Faktoren:

  • naturwissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirkung des Erzeugnisses und
  • die bei den Käufern und Verwendern hierzu herrschenden Vorstellungen über das Produkt.

Ausschlaggebend für die Verbraucherauffassung und -erwartung sind sowohl die Natur des Erzeugnisses (Zusammensetzung, Dosierung) als auch dessen Aufmachung und Werbung. So können Fischölkapseln aufgrund unterschiedlicher Urteilssprüche deutscher Gerichte sowohl als zugelassene Arzneimittel mit der Indikation "bei stark erhöhtem Triglyceridspiegel" wie auch als Nahrungsergänzungsmittel in Verkehr gebracht werden.

Eine genaue Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen muss im Einzelfall erfolgen. Künftig soll es aber zumindest aufgrund einer EG-Richtlinie explizite Regelungen für Nahrungsergänzungsmittel (Mindest- und Höchstmengen) geben.

Kennzeichnung

Für Nahrungsergänzungsmittel gelten weiterhin die Bestimmungen des LMBG, der Zusatzstoff-Zulassungs-Verordnung (ZZulV), der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV), der Los-Kennzeichnungs-Verordnung (LKV), der Fertigpackungsverordnung (FPV) und des Eichgesetzes (EichG) sowie ggf. der Nährwertkennzeichnungsverordnung (NKV).

Nahrungsergänzungsmittel müssen in einer bestimmten Art und Weise gekennzeichnet sein, und zwar sind folgende Elemente vorgeschrieben:

  • Verkehrsbezeichnung nach §4 LMKV,
  • Name und Anschrift des Herstellers nach §3 LMKV,
  • Zutatenverzeichnis nach §§5 und 6 LMKV,
  • Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum nach §7 bzw. 7a LMKV,
  • Alkoholgehalt bei >1,2 Vol.-% nach §7b LMKV,
  • Menge bestimmter Zutaten/Gattungen von Zutaten nach §8 LMKV,
  • enthaltene Menge nach §7 Abs. 1 EichG.

Für die Anbringung von nährwertbezogenen Angaben gilt die NKV.

Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln bei Sportlern

Seit den Anfängen eines verstärkten Körperkults und der Fitness- und Wellnessbewegung werden Nahrungsergänzungsmittel im Bereich des Sports in immer stärkerem Ausmaß eingesetzt. Gründe für die starke Zunahme des Einsatzes im Sport sind erhöhte Belastungsintensitäten und -umfänge. Sportler erhoffen sich durch die Einnahme von "Aufbaumitteln" erhöhte Leistungsfähigkeit (körperlich/geistig), verminderte Krankheits-/Verletzungsanfälligkeit, Erhöhung der Muskelmasse (Anabolika-Ersatz), erhöhte Fettverbrennung und verkürzte Regenerationszeiten.

Ein verbessertes Bewusstsein von Athleten in Bezug auf Nebenwirkungen von Dopingmitteln, aber auch verbesserte Dopingkontrollen im Bereich des Leistungssports (z.B. Einführung von Trainingskontrollen) haben vielfach zu einer Abkehr von Dopingmitteln und vermehrtem Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln geführt.

Als Grund dafür ist sicherlich auch zu nennen, dass Sportler von der Ernährungsindustrie massiv beworben werden und dass Nahrungsergänzungsmittel generell als absolut unproblematisch angesehen werden.

Dopingproblematik

Nach der Definition des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ist Doping die Verwendung von Substanzen aus den verbotenen Wirkstoffgruppen und die Anwendung verbotener Methoden. Kriterien für die Aufnahme einer Substanz in die Dopingliste sind nachgewiesene Erhöhung der Leistungsfähigkeit, Gesundheitsgefährdung bzw. Gefährdung der Gesundheit des Gegners und Nachweisbarkeit der Substanz.

Nach einer Erklärung des Präsidenten des Deutschen Sportärztebundes widerspricht die Zufuhr von Substanzen, die - wie z.B. Hormone (Testosteron, Cortisol, Wachstumshormone) - von einem gesunden Organismus selbst synthetisiert werden können, dem medizinischen Verständnis des Begriffes Substitution. Sollten die von einem gesunden Organismus synthetisierten Substanzmengen für bestimmte sportliche Höchstleistungen bei einzelnen Sportlern nicht ausreichen, so ist diese natürliche Barriere als Grenze der individuellen Leistungsfähigkeit zu respektieren.

Doping widerspricht sowohl der Ethik des Sports als auch der Ethik der medizinischen Wissenschaft. Ziel von Dopingkontrollen ist es, Doping zu bekämpfen, um einen dopingfreien (Spitzen-) Sport zu erreichen. Dopingkontrollen dienen auch dem Schutz vor unberechtigten Dopingvorwürfen.

Sind Nahrungsergänzungsmittel dopingrelevant?

Die weitverbreitete Meinung, Nahrungsergänzungsmittel könnten keine verbotenen dopingrelevanten Stoffe enthalten, ist nicht richtig. Frau Henze berichtete über verschiedene Nahrungsergänzungsmittel, die Bestandteile oder Substanzen wie Guarana, Ma Huang (Ephedra sinensis) oder Coffein enthalten und die nachgewiesenermaßen (aufgrund des Vorkommens von z.B. nicht oder nicht eindeutig deklarierten Inhaltsstoffen) zu - von den betreffenden Sportlern unerwarteten - positiven Dopingbefunden führen können. Hierzu einige Beispiele:

Coffein

Coffein kommt in der Natur z.B. in Kaffeebohnen (1-2%), Teeblättern (2-5%), afrikanischen Colanüssen (1,5-3%) und Kakaobohnen (0,2%) vor. In Nahrungsergänzungsmitteln wird es z.B. in Form von Brausetabletten (z.B. 50 mg/Tablette, entspr. 250 mg/l Getränk) angeboten. Aufgrund seiner stimulierenden Wirkung gehört Coffein zu den im Sport verbotenen Substanzen der Wirkstoffgruppe I.A.. Um Sportlern nicht den Genuss sämtlicher coffeinhaltiger Lebensmittel verbieten zu müssen, existiert ein hoher Grenzwert von 12 mg/ml Urin. Dieser Wert wird bei normaler Coffeinzufuhr in der Regel nicht erreicht, kann aber bei einzelnen Personen bereits nach Aufnahme von 300 mg Coffein überschritten werden, während bei gleicher Dosis beim Normalkollektiv lediglich Maximalwerte zwischen 4 und 7 mg/ml Urin erreicht werden.

Ephedrin

Bei Nahrungsergänzungsmitteln, die Ma Huang enthalten, können nach Gabe der empfohlenen Dosis positive Dopingresultate für Ephedrin entstehen: Nach Einnahme von zwei Tabletten eines Ma Huang-Produktes mit 70 mg Chinese Ma Huang-Extrakt (zusätzlich 140 mg Chinese Ephedra [leaf] u.a.) pro Tablette war der Grenzwert für Ephedrin im Urin mit 23 mg/ml deutlich überschritten; die Grenzwerte liegen bei 10 mg/ml Urin für Ephedrin und Methylephedrin und bei 25 mg/ml für Phenylpropanolamin und Pseudoephedrin.

Anabole androgene Steroide

Anabole androgene Steroide wurden in verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln (z.B. zur Chrysin- und Quercetin-Supplementierung) gefunden, die im Institut für Biochemie der Sporthochschule Köln analysiert wurden.

In einer Exkretionsstudie an Probanden (Messung der Urinkonzentrationen 0 bis 4 Stunden nach Applikation) wurden zudem einige dieser Nahrungsergänzungsmittel in vivo untersucht. Dabei wurden nicht in der Zutatenliste der Präparate aufgeführte (und bei Leistungssportlern verbotene) Steroide nachgewiesen. Die offenbar aus diesen zusätzlichen Inhaltsstoffen resultierenden Norandrosteron-Konzentrationen im Urin der Versuchspersonen lagen bei den Chrysin- und Quercetin-Präparaten zwischen 34 und 623 ng/ml, bei Tribulus terrestris zwischen 3,8 und 16 ng/ml und bei Guarana bei 360 ng/ml. In der Dopinganalytik gilt für Norandrosteron ein Grenzwert von 2 ng/ml Urin. Die gefundenen Werte liegen also deutlich darüber.

Kreatin

Eine weitere Substanz, die häufig als Nahrungsergänzungsmittel speziell für Sportler angeboten wird, ist Kreatin. Der Kreatinbedarf eines Erwachsenen beträgt ca. 2 g/Tag; ca. 50% werden im Körper aus Glycin, Arginin und Methionin synthetisiert, der Rest wird über die Nahrung aufgenommen. Das endogen gebildete Kreatinphosphat ist wichtig für kurzdauernde, hochintensive Belastungen. Nebenwirkungen einer Kreatinapplikation sind sinkende endogene Kreatinsynthese, steigendes Körpergewicht, kreatininduzierte Hypertonisierungen, muskuläre Probleme, erhöhte Nierenbelastung und eventuell erhöhte Leberbelastung. Kreatin steht zwar nicht auf der Liste der verbotenen Substanzen und Methoden des IOC, doch erfüllt es die Kriterien für eine Aufnahme in diese Liste.

Verschiedenste Nahrungsergänzungsmittel sind regulär auf dem Markt erhältlich, können aber auch über den Versandhandel sowie über Internet-Bestellung und Einfuhr aus dem Ausland bezogen werden, wo auch Präparate mit problematischen Zusatzstoffen z. T. legal vertrieben werden.

Quellen: Belitz H. D., Grosch W., Lehrbuch der Lebensmittelchemie, 4. Aufl., Springer-Verlag, Berlin u.a. 1992. Schänzer W., u.a. (Eds.), Proceedings of the 15th Cologne Workshop on Dope Analysis, Verlag Sport und Buch Strauss, Edition Sport, Köln 1998. Geyer H., u.a., Analysis of Nutritional Supplements for Dope Substances, Biotechnology 2000 (Poster).

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