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Naturstoffforschung im neuen Jahrtausend (Kongress über Arzneipflanzenforschung

ZÜRICH (cae). Pharmazeutische Biologen und andere Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung von biogenen Arzneistoffen befassen, sind in dieser Woche in Zürich zu Gast, um an zwei internationalen Kongressen teilzunehmen: "Natural Products Research in the New Millennium" und "Ethnopharmacology 2000 - Challenges for the New Millennium".

Weltkongress in Zürich

Am 3. September eröffnete Prof. Dr. Otto Sticher, Pharmazeutischer Biologe an der ETH Zürich, im historischen Hauptgebäude der renommierten Schweizer Hochschule den Kongress über "Natural Products Research", der zugleich der 48. Jahreskongress der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung (GA) ist. Mitveranstalter neben der GA und der ETH Zürich ist die Schweizerische Gesellschaft der Pharmazeutischen Wissenschaften (SGPhW).

Wie Sticher ausführte, nehmen 630 Personen aus 55 Ländern an dem Kongress teil. Er zeigte sich besonders erfreut darüber, dass etwa ein Viertel von ihnen in der pharmazeutischen Industrie tätig sind. Das große Interesse der Industrie an Hochschulen und Instituten sei ein Indiz für die Relevanz dieser Forschung.

Auf dem Programm der Tagung stehen 16 Plenarvorträge, 25 Kurzvorträge, zehn Workshops und die Präsentation von etwa 350 Posters. Traditionell ist Deutschland auf den GA-Kongressen mit der Anzahl seiner Beiträge führend.

Auszeichnungen der GA

Der von Egon Stahl gestiftete und von der GA verwaltete Egon Stahl-Preis wurde in diesem Jahr in Silber vergeben; hierfür kommen Nachwuchswissenschaftler in der postdoktoralen Phase in Betracht. Zum diesjährigen Preisträger wurde Priv.-Doz. Dr. Thomas Jürgen Schmidt von der Universität Düsseldorf bestimmt. Schmidt stammt aus der Schule von Prof. Dr. Günter Willuhn und hat wesentlich Neues zur Erforschung von Arnikablüten geleistet. Er erkannte in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Irmgard Merfort, Freiburg, die Hemmung des Transkriptionsfaktors NFkB als hauptsächliches Wirkprinzip der in der Droge enthaltenen Sesquiterpene und isolierte als weitere Vertreter dieser Stoffgruppe die seco-Prezizaane.

Zu ihrem neuen Ehrenmitglied ernannte die GA Prof. Dr. Heinz Schilcher aus München, früher Freie Universität Berlin. Schilcher war sowohl in der Hochschule als auch in der Industrie tätig. Er war ein Pionier der Standardisierung und konsequenten Qualitätskontrolle von Phytopharmaka. Zudem ist er einer der wenigen Pharmazeuten, die sich in der Fortbildung von Ärzten hervorgetan haben. Das gestiegene Ansehen der Phytotherapie beruht zum großen Teil auf den pharmazeutischen Vorleistungen, wie sie Schilcher und andere engagierte Kollegen erbracht haben.

Reichstein-Medaille für Richard Ernst

In seiner Eigenschaft als Präsident der SGPhW überreichte Otto Sticher deren höchste Auszeichnung, die Reichstein-Medaille, an Prof. Dr. Richard Ernst, den Nobelpreisträger für Chemie des Jahres 1991. Ernst ist einer der Mitbegründer der NMR-Spektroskopie, die heute weder aus der modernen Medizin noch aus der Naturstoffforschung wegzudenken ist. Im Anschluss an die Ehrung hielt Ernst den Festvortrag: "Welche Art von Wissenschaft brauchen wir, um die Erde so zu erhalten, wie wir sie wünschen?".

Die Wissenschaft steht in Wechselbeziehungen zur Industrie und zur Gesellschaft. Ernst verglich das mit einem Auto: Die Wissenschaft entspricht der Lenkung, die Industrie dem Motor bzw. Antrieb und die Gesellschaft den Insassen. Gesellschaft und Industrie stellen Erwartungen an die Wissenschaft, diese hat aber durchaus ihre eignen Vorstellungen von dem, was sie leisten möchte. Konflikte seien daher unvermeidlich.

Die Wissenschaft dürfe der öffentlichen Meinung nicht zu sehr nachgeben, denn die Gesellschaft sei in gewisser Weise schizophren: Die Segnungen des technischen Fortschritts nimmt sie als selbstverständlich, aber für alles Übel in der Welt mache sie wiederum die Technik verantwortlich.

Auch der Industrie dürfe sich die Wissenschaft nicht bedingungslos ausliefern. Die Industrie kenne als einziges Ziel den Profit und dessen weitere Optimierung und sei nicht imstande, zukunftsträchtige Konzepte für die Menschheit zu entwerfen.

Die Hoffnung der Menschheit ruhe daher auf einer von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zwängen weitgehend unabhängigen Wissenschaft. Diese müsse auch in Zukunft an den Hochschulen institutionalisiert sein; die Prophezeiung, dass die Informationstechnologie die Hochschulen überflüssig mache, sei nicht stichhaltig.

Aber auch die Wissenschaft müsse die Erwartungen von Gesellschaft und Industrie ernst nehmen. Sie dürfe sich zwar nicht vereinnahmen lassen, aber sie dürfe sich auch nicht abkapseln und der Verantwortung für die Allgemeinheit entziehen. Denn Wissenschaft ohne Verantwortung führe zum Ruin (frei nach F. Rabelais).

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