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Wortbilder – Bildworte

STUTTGART (cae). Das Sozialministerium Baden-Württemberg in Stuttgart stellt bis zum 8. September Werke von Giovanni Kohm aus. Die Ausstellung steht unter dem Motto "Wortbilder - Bildworte". Gedichte und Zeichnungen ergänzen sich in Kohms Werken auf eine unverwechselbare Art und Weise. In ihnen zeigt sich oftmals eine ungewohnte, überraschende, aber auf jeden Fall beeindruckende Sicht der Dinge.

Hinter dem Künstlernamen "Giovanni" verbirgt sich der Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, Baldur Kohm. Nachdem er bereits 1993 eine Auswahl seiner Werke unter dem Titel "Tanz des Lebens" herausgegeben hatte, zeigt er nun überwiegend Werke aus den letzten drei Jahren.

Erlös zu Gunsten der LAG Hospiz

Als Hausherr eröffnete Sozialminister Dr. Friedhelm Repnik, der ebenso wie der Künstler Apotheker ist, am 26. Juli die Ausstellung. Er führte aus, dass die menschliche Kreatur im Mittelpunkt von Kohms Werken steht: der Mensch in der emotionalen Beziehung sowohl zu seinesgleichen als auch zur Natur. Obwohl viele Werke vordergründig eine sentimentale Stimmung ausstrahlen, übermitteln einige durchaus auch eine (sozial-)kritische Botschaft. Sie sensibilisieren den Betrachter, erweitern seine Wahrnehmung, machen ihn bisweilen sogar betroffen. Wie Repnik darlegte, paart sich bei Kohm das künstlerische Engagement mit dem sozialen Engagement. Er unterstützt seit langem die Landesarbeitsgemeinschaft Hospiz, die sich für Menschen am Rande der Gesellschaft einsetzt, für Menschen, die aus wirtschaftlichen, sozialen oder medizinischen Gründen oft unverschuldet ausgegrenzt werden. So lautet eine selbstgestellte Aufgabe der LAG Hospiz, todkranken Patienten ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen. Diese Sterbebegleitung ist das bekannteste, aber keineswegs das einzige Tätigkeitsfeld der LAG Hospiz. Den Erlös von zwei Kunstdrucken mit limitierter Auflage, die in der Ausstellung zum Preis von je 20 DM verkauft werden, lässt Kohm der LAG Hospiz zufließen. Auch die Künstler, die an der Vernissage mitgewirkt haben, das Trio "Meine Träume" und der Schauspieler Ernst Konarek, stifteten ihr Honorar dieser gemeinnützigen Einrichtung.

Wie entstehen die Bilder?

Was kommt zuerst? Der Text oder das Bild? So wird Giovanni oft von seinen Bewunderern gefragt, und er bekennt freimütig, dass er die Antwort selbst nicht kennt. Er wolle auch gar nicht darüber nachdenken, denn sonst ginge es ihm vielleicht wie jenem Tausendfüßler aus einer Erzählung von Gustav Meyrink, der so schön tanzen konnte, bis eines Tages eine böswillige Unke die Schrittfolge seiner tausend Füßchen wissen wollte - da kam er ins Grübeln, und mit der Tanzerei wars ein für allemal vorbei. Aber natürlich entstehen Giovannis Werke nicht ganz zufällig, zumindest nicht ohne Inspiration. Er schöpft aus einem reichen Fundus, den er ständig erneuert, durch Lesen von Literatur, Wandern in der Natur, Begegnungen und Gespräche mit Menschen, Besuche im Theater. Kohm bevorzugt kurze, aber gehaltvolle Texte, insbesondere Gedichte. Zu seinen Lieblingsautoren zählen Hermann Hesse, Erich Fried und Gioconda Belli, eine Lyrikerin aus Nicaragua. Er entdeckte für sich und für sein Publikum auch einige Dichter, die während des Dritten Reiches aus Deutschland bzw. Österreich emigrieren mussten und deshalb zu Unrecht vergessen sind, so z. B. Jehuda Amichai. Auch Werke von osteuropäischen und orientalischen Dichtern gaben ihm vielfältige Anregungen.

Mediterrane Leichtigkeit

Giovannis besondere Liebe gilt der italienischen Sprache, und so ist es fast selbstverständlich, dass er auch den Sonnengesang des Heiligen Franziskus auf seine Weise illustriert hat, einen klassischen Lobgesang auf die Schöpfung und den Schöpfer. Sprache gibt es nicht ohne Menschen, und zum Menschen gehört die Umwelt, vom sonnenbeschienenen Himmel bis zur Bodenvegetation. Ein italienisches Ambiente vermeint der Betrachter auch hier und darüber hinaus in vielen anderen Graphiken wahr zu nehmen, die keine italienischen Verse tragen. Woran liegt das? Giovanni arbeitet erklärtermaßen mit einfachsten Mitteln: mit Bleistift, Feder, Kreide und Tusche. Farbe setzt er nur ganz sparsam ein. Mit dieser Technik erzielt er eine heitere Leichtigkeit, die an mediterrane Gefilde und an das südländische Lebensgefühl gemahnt. Diese Technik eignet sich sowohl für Stillleben-artige, in sich ruhende Darstellungen als auch zum Einfangen schnell veränderlicher Prozesse, wie z. B. von Gesichtsausdrücken oder Bewegungsabläufen.

Tanz des Lebens

Kann ein Mensch sich leichtfüßiger bewegen als beim Ballett? Mit der Antwort wird zugleich klar, warum Tänzerinnen ein von Giovanni Kohm so sehr geliebtes Sujet sind. Anmut und Grazie beim Tanz mischen sich mit der erotischen Ausstrahlung. Wer sich das bisher nicht eingestehen mochte, wird von Kohm überzeugt, dass es so ist und dass es gut ist, zum Eros eine positive Einstellung zu haben. Der Tanz als Ausdruck einer verfeinerten Kultur ist aber auch eine Allegorie der menschlichen Natur. Kohm will mit seinen Werken sagen: Wir sind zarte, zerbrechliche Kreaturen. Auch weibliche Porträts von Giovanni Kohm besitzen eine unverwechselbare erotische Ausstrahlung. Dabei bevorzugt er keinen besonderen Frauentyp, im Gegenteil: In einer Porträtserie hat er einmal die verschiedenen Konstitutionstypen nach der Lehre von Samuel Hahnemanns dargestellt. Das Verbindende ist auch hier die Technik, die Gestaltung. Wenig Striche, wenig Farbe, Einbindung der Gesichter in die schemenhafte Umgebung, sehr oft in Verbindung mit Pflanzenteilen.

Bild und Wort

Dass der Betrachter vor den meisten Werken länger verweilt, liegt nicht zuletzt an den darauf geschriebenen Texten. Die Schrift ist mit ihren Schnörkeln zweifellos künstlerisch angehaucht, aber dennoch sehr gut lesbar. Es kommt schon mal vor, dass die Unterlänge eines Buchstabens durch fünf Zeilen hindurchragt, aber solche Spielereien stören das harmonische Schriftbild durchaus nicht. Gedichte zu lesen, dazu ist im Alltag nur den wenigsten Menschen zumute. Kohms Bilder schaffen die Atmosphäre, die man dazu braucht. So schweift der Blick des Betrachters vom Bild zu den Versen, liest Zeile für Zeile, heftet sich dann wieder an ein Detail der Darstellung, entdeckt in wenigen Strichen bisher verborgen gebliebenes Gegenständliches, liest dann die Strophen weiter oder noch einmal von vorn... Wer den Künstler Giovanni Kohm noch nicht kennt, hat jetzt im Stuttgarter Sozialministerium die Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen. Wer ihn jedoch von früheren Ausstellungen schon kennt, wird sehen, wie Kohm sich in seinem Schaffen einerseits treu geblieben ist und andererseits auf eine interessante Weise weiterentwickelt hat. Ein Besuch der Ausstellung lohnt auf jeden Fall.

Das Stuttgarter Sozialministerium zeigt in einer Sonderausstellung Grafiken von Giovanni Kohm. Der Künstler hat auch das Motiv für manches DAZ-Titelbild geliefert und ist durch sein Buch “Tanz des Lebens" vielen Lesern bekannt. In der aktuellen Ausstellung geht es um das Neben- und Miteinander von Lyrik, Kalligraphie und graphischer Gestaltung.

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