Ernährung

Bestrahlung von Lebensmitteln – Ist die Angst vor bestrahlten Produkten be

Das Lagern von Lebensmitteln ist heute so selbstverständlich wie das Atmen von Luft. Der Mensch hat im Laufe der Jahrtausende viele Verfahren entwickelt, seine Nahrung haltbar zu machen. Die Konservierung mit ionisierender Strahlung, die vor 100 Jahren entdeckt wurde, wird seit über 50 Jahren erforscht und heute weltweit praktiziert. Doch in Deutschland haben viele Menschen Angst vor bestrahlten Produkten, insbesondere wenn es sich um Lebensmittel handelt.

Seit jeher streitet der Mensch mit Bakterien, Hefen, Schimmelpilzen und Insekten um das tägliche Brot. Alle Lebensmittelbehandlungsmethoden dienen deshalb dem Zweck der Verminderung unerwünschter Organismen am oder im Lebensmittel. Physikalische, chemische und biologische Verfahren werden dazu eingesetzt. Die Bestrahlung mit Sonnenlicht ist eine der ältesten Konservierungsmethoden, die Behandlung mit ionisierender Strahlung ist dagegen recht neu.

Gammastrahlen

Ionisierend nennt man jede Strahlenart, deren Quantenenergie E hoch genug ist (E > 10 eV), um Elektronen aus einer Atomhülle herauszustoßen. Ionisation ist der erste physikalische Schritt einer Reaktionskette, die zur biologischen Strahlenwirkung führt. Man unterscheidet ursächlich zwischen direkter und indirekter Strahlenwirkung.

Direkte Wirkung

Der direkte Effekt besteht aus Energieabsorption, Ionisierung und biochemischer Wirkung im selben Molekül. Die in der Lebensmittelbestrahlung eingesetzte Energie liegt zwischen 0,5 und 10 MeV. Trifft ein Gammaquant dieser Energie auf ein Elektron, überträgt es einen Teil seiner Energie, schwächt sich ab und wird schließlich absorbiert. Dabei entstehen Radikalkationen und energiereiche Elektronen. Diese schlagen ihrerseits Elektronen aus einer Atomhülle. Eine Kaskade von Elektronenstrahlen kann in der Zelle und im Gewebe entstehen. Jedes Gammaquant der Energie 1 MeV kann 5000 freie Elektronen und Radikalkationen erzeugen.

Der indirekte Effekt - ohne Wasser läuft nichts …

Die indirekte Wirkung der Strahlung beruht auf den Reaktionen der primären Radiolyseprodukte, vor allem der freien Elektronen (e-), auf Atome (A) und Moleküle (AB). e- + A ® oA- e- + A B ® A- + oB Wasser verstärkt die indirekte Strahlenwirkung durch Radikalbildung sehr. Die primäre Radiolyse des Wassers läuft nach folgenden Reaktionen ab: H2O + E ® H2O+ + e- H2O+ ® H+ + oOH H2O+ + e- ® H2O- H2O- ® oH + OH- S H2O + E ® oH + oOH Die primäre Bildung der kurzlebigen Wasserstoffradikale oH und Hydroxylradikale oOH ist nach 10-7 Sekunden abgeschlossen.

… ohne Sauerstoff nur wenig

Der Sauerstoffgehalt des Gewebes zum Zeitpunkt der Bestrahlung entscheidet neben dem Wassergehalt maßgeblich die Strahlenwirkung. oH + O2 ® oHO2 Das Hydroxyperoxidradikal oHO2 wirkt schwach oxidierend. Es steht im Gleichgewicht mit dem reaktiven Superoxidanionradikal oO-2. oHO2 « H+ + oO-2 Durch weitere Reaktionen bildet sich noch Wasserstoffperoxid H2O2. Die Sekundärreaktionen mit einer Zelle sind vor allem vom pH-Wert, von der Temperatur und der Art der Strahlung - sie beeinflusst die Konzentration der Radiolyseprodukte - abhängig. Radikalfänger wie die Ascorbinsäure können die Menge an Radiolyseprodukten wesentlich verringern. Die wichtigsten Zellbestandteile sind neben Wasser Kohlenhydrate, Proteine, Fette und die Desoxyribonucleinsäure. Die Bestrahlung ruft hier unterschiedliche Wirkungen hervor.

Wirkung auf Kohlenhydrate

Kohlenhydrate werden in wässrigem Milieu vor allem von Hydroxylradikalen (oOH) angegriffen. oOH + HROH ® oROH + H2O Kohlenwasserstoffradikale (oROH) reagieren weiter. Abhängig von der resultierenden molekularen Position der R = O-Doppelbindung entstehen Säuren, Ketone oder Aldehyde. Da das Hydroxylradikal nach der dargestellten Reaktionsgleichung z. B. vom C6-Körper der Glucose von allen sechs Kohlenstoffatomen ein Wasserstoffatom abstrahieren kann, sind bei dieser Stoffgruppe theoretisch sehr viele Folgeprodukte möglich. Bei der Glucose werden 34 beschrieben. Da die Wasserlöslichkeit von Stärke mit der Strahlendosis zunimmt, ist über die Bestrahlung von Viehfutter zur besseren Verdaulichkeit diskutiert worden. Doch die notwendige Energiedosis von 100 kGy ist für eine wirtschaftliche Anwendung zu hoch. Wässrige Kohlenhydratlösungen enthalten nach einer Ultraschallbehandlung weitgehend die gleichen Reaktionsprodukte wie nach einer Strahlenbehandlung.

Wirkung auf Proteine

Die Radiolyseprodukte des Wassers reagieren mit den Aminosäuren im Wesentlichen auf drei Wegen: H-Abstraktion unter Bildung von Wasser: oOH + H3N+-HCR-COO- ® H3N+-oCR-COO- + H2O H-Abstraktion unter Bildung elementaren Wasserstoffs: oH + H3N+-HCR-COO- ® H3N+-oCR-COO- + H2 Reduktive Desaminierung: e-aq+ H3N+-HCR-COO- ® HoCR-COO- + NH3 Sauerstoff verändert das Reaktionsspektrum kaum. Die Desaminierung erfolgt dann aber oxidativ. Cystein, Cystin und Methionin wirken als Radikalfänger. Die unterschiedlichen Aminosäuren, der komplexe räumliche Aufbau der Peptidketten, die Wasserstoff- und Disulfidbrücken und die ionischen Bindungsarten machen die Reaktionen mit oOH, oH und e-aq sehr vielschichtig. Ein großer Teil der von Proteinen aufgenommenen Energie führt zur Denaturierung und zur Änderung der Sekundär- und Tertiärstruktur. Endogene Enzyme werden auch bei sehr hohen Strahlendosen nicht inaktiviert. Nahrungsmittel müssen deshalb vor der Strahlensterilisation oder Langzeitlagerung blanchiert werden, um autolytische Abbauprozesse zu verhindern. Dosen von 50 kGy führen zu signifikanten Veränderungen der Aminosäurenzusammensetzung. Durch Ultraschallbehandlung im wässrigen Milieu - z. B. wird Milch so homogenisiert - entstehen nahezu die gleichen Radiolyseprodukte. In wasserarmen proteinreichen Lebensmitteln entstehen durch Erhitzen ebenfalls relativ stabile freie Radikale.

Wirkung auf Lipide

Die Radiochemie der Lipide betrifft hauptsächlich die Triglyceride. Indirekte Effekte spielen nur eine geringe Rolle. Es bilden sich Kationradikale, die ein Elektron aussenden, und angeregte Moleküle. Ionisation: RCH2-O-CO-(CH2)nCH3 ® RCH2-O-COo-(CH2)nCH3 + e- Anregung: RCH2-O-CO-(CH2)nCH3 ® (RCH2-O-CO-(CH2)nCH3)* Die Anwesenheit von Sauerstoff beschleunigt die Autoxidation der vorhandenen Hydroperoxide, sodass sich Aldehyde, Ketone, freie Fettsäuren oder Polymere bilden können. Der Charakter der bei der Radiolyse ablaufenden Prozesse und das Spektrum der gebildeten Produkte unterscheidet sich nicht von thermischen Oxidationsprozessen. In keinem Falle entstehen aromatische oder heterozyklische Ringe. Diese Reaktionen sind jedoch vom Kochen mit hohen Temperaturen bekannt. Die BFE hat kürzlich Cyclobutanon gefunden. Dieser möglicherweise genotoxische Stoff konnte bisher nur in fetthaltigen Lebensmitteln nach ionisierender Bestrahlung nachgewiesen werden. Ein endgültige Bewertung dieses Fundes liegt noch nicht vor. Die Lipidperoxidation durch Hydroxylradikale und Folgeprodukte kann zum Abbau der Zellmembran führen, denn Lipidperoxide (ROOH) sind instabil. Sind die Zellkompartimente zerfallen, werden autolytische Reaktionen der vorhandenen Enzyme möglich. Die Zelle zerstört sich selbst. Lipidperoxidation: RH + oOH ® oR + H2O oR + O2 ® RoOO RoOO + oO-2 + oH ® ROOH + O2

Wirkung auf die DNA

Die DNA ist entscheidend für das Überleben der Zelle. Sie ist als sehr großes Molekül auch das empfindlichste Target (Ziel). Denn die Wahrscheinlichkeit X chemischer Veränderungen hängt direkt von Masse und G-Wert eines Moleküls ab. X = 10-7 • G • D • M [M = Molekülmasse; D = Dosis in kGy; G = Zahl aller chemischen Veränderungen pro 100 eV (oder pro Joule) absorbierte Energie. Der G-Wert ist sehr variabel. Er liegt in wässrigen Systemen nicht über 4.]

  • ie DNA der Zelle eines Säugers (Fleisch) hat eine relative Molmasse von etwa 109, die von Pflanzen schwankt in weiten Bereichen, die der Bakterien ist wesentlich geringer. Bei angenommenen 109 und einer Dosis von 10 kGy kommt es zu maximal 4000 Veränderungen in der DNA einer Zelle. Sie können aus
  • partieller Denaturierung,
  • Basenmutationen,
  • Vernetzung der DNA-Stränge und
  • Strangbrüchen
  • estehen.
  • ede einzelne Veränderung, insbesondere aber die Doppel- und Einzelstrangbrüche, kann zum Funktionsverlust oder Tod einer Zelle führen.

Expertenmeinung: Unbedenklich

"Bestrahlte Lebensmittel sind hygienisch einwandfrei, gesundheitlich absolut unbedenklich, ihr Nährwert ist nicht eingeschränkt." Dies ist die Meinung der Experten der BFE und der weitaus meisten Wissenschaftler, die sich weltweit mit diesem Thema beschäftigen. Mehr als 40 Jahre Forschung haben keinen Nachweis für gesundheitliche Gefahren erbracht; dies, obwohl die Forschung stets auf der Suche nach neuen und potenziell gefährlichen biochemischen Produkten in den Lebensmitteln war.

Dosisbereiche der Lebensmittelbestrahlung

So wie sich ein Kopfsalat ohne Qualitätsverlust nicht einfrieren lässt, ist auch die Bestrahlung nicht für jeden Zweck und jedes Produkt geeignet. Bei der Milch entsteht bereits bei sehr geringen Dosen ein unangenehmer Geschmack. Auch gibt es für jedes Ziel eine Mindestdosis. Viele Obst- und Gemüsearten werden aber bereits weich oder verfärben sich, bevor der gewünschte Zweck erreicht ist.

  • blicherweise unterscheidet man drei Anwendungsbereiche:
  • niedrige Dosis, bis 1 kGy,
  • mittlere Dosis, 1 bis 10 kGy,
  • hohe Dosis, 10 bis 50 kGy.

Schon niedere Dosen führen zu physiologischen Störungen. Mit mittleren Dosen wird vor allem pasteurisiert. Hohe Dosen dienen speziellen Zwecken der Sterilisation. Nicht nur die Steaks der Besatzung der Raumkapsel Mir waren strahlensterilisiert. Mit Dosen ab 10 kGy wird Sterilkost hergestellt oder Fleisch für die Langzeitlagerung bestrahlt. (Siehe Tabellen 1 bis 3.)

Zum Beispiel Mangos und Papayas

Früchte der Tropen und Subtropen verderben schnell. Eine sachgerechte Bestrahlung der Mangos tötet den Mangokäfer, der im Kern der Frucht sitzt und anders nicht angreifbar ist. Gleichzeitig werden die Eier der Fruchtfliege vernichtet. Setzt man Mangos und Papayas vor der Bestrahlung in ein warmes Wasserbad, dehnt sich die Lagerfähigkeit der Früchte bei 12 °C auf drei bis vier Wochen aus. Das macht den Transport nach Europa mit dem billigeren Schiff statt mit dem Flugzeug möglich. Die Früchte brauchen nicht mehr unreif geerntet zu werden, ihre Qualität steigt entsprechend.

Die Gewürze werden die ersten sein

Ob Thymian, Kerbel oder Pfeffer - alle Gewürze sind stark mit Keimen belastet. 100 Millionen Keime pro Gramm Gewürz sind keine Seltenheit. Gewürze für den Haushalt werden generell nicht entkeimt. Für die industrielle Weiterverarbeitung in Wurst oder Fertigpizza muss die Keimzahl jedoch unter 10 000 liegen. Die Radiopasteurisation ist hier die Methode der Wahl. Denn nach dem Verbot der Begasung mit dem krebserregenden Ethylenoxid und ähnlichen Stoffen gibt es kaum Alternativen, um Gewürze ohne Qualitätsverlust zu entkeimen. Die Behandlung mit Alkoholdampf, Ozon oder Mikrowellen ist weniger wirksam.

Gesetzliches - Entsetzliches

Seit 1986 ist in der Europäischen Gemeinschaft um eine einheitliche Regelung gerungen worden. Nach 13 Jahren ist ein Kompromiss geglückt, der jede Menge Streit verspricht. Ausschließlich getrocknete Kräuter und Gewürze dürfen nun bestrahlt und innerhalb der EU gehandelt werden. Am 13. März 1999 sind die Richtlinien 1999/2/EG und 1999/3/EG im Amtsblatt L66 veröffentlicht worden, sieben Tage später traten sie in Kraft. Das bedeutet für die EU-Mitgliedstaaten viel und wenig zugleich.

Viele Vorgaben …

  • Spätestens am 20. September 2000 müssen bestrahlte Lebensmittel zugelassen werden.
  • Spätestens zum 1. Januar 2001 muss die EU-Kommission einen endgültigen Vorschlag für eine Positivliste von Lebensmitteln vorlegen, die bestrahlt werden dürfen. - Von Rat und EU-Parlament muss sie anschließend gebilligt werden.
  • Spätestens am 20. März 2001 müssen bestrahlte Lebensmittel, die mit den Richtlinien nicht übereinstimmen, verboten werden.
  • oBestrahlte Lebensmittel müssen gekennzeichnet werden.

… wenig Inhalt

  • Bis zum Inkrafttreten der endgültigen Positivliste dürfen alle Länder ihre nationalen Regelungen beibehalten.
  • Bis dahin gilt in Deutschland das generelle Verbot des Inverkehrbringens nach § 13 LMBG.
  • Nach § 47a LMBG, der so genannten Allgemeinverfügung, müssen Gewürze zum Import zugelassen werden, wenn sie in Frankreich bestrahlt wurden. Denn Frankreich hatte eine Importgenehmigung beantragt. Der Bundesgesundheitsminister konnte diese nicht ablehnen, da das Argument Gesundheitsschutz nicht stichhaltig war.
  • Die am 1. Januar 2001 vorliegende Positivliste muss von Rat und EU-Parlament gebilligt werden. Die Schlichtung des zu erwartenden Streites kann unter Umständen Jahre dauern. Wenn es irgendwann soweit sein wird, beginnt eine Umsetzungsfrist von 18 Monaten.
  • oMitgliedstaaten, die nach diesen 18 Monaten die Positivliste nicht umgesetzt haben, werden von der EU-Kommission

- zuerst abgemahnt, - dann wird ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, - abschließend droht ein Zwangsverfahren - Jahre können ins Land gehen.

Gesetzliches Fazit

  • Das bestrahlte Pfefferkorn in der Salamischeibe auf der Tiefkühlpizza muss gekennzeichnet werden. Die Pizza muss auch dann gekennzeichnet werden, wenn der Pfefferhändler nicht sicher ist, ob gerade das Los für diese Salami bestrahlt worden ist.
  • Es ist nicht möglich festzustellen, ob Gewürze in Frankreich oder anderswo bestrahlt worden sind.
  • Deutschland ist dabei, die EU-Richtlinie umzusetzen. Die Bundesgesundheitsministerin hat einen entsprechenden Gesetzesentwurf an die Länderkammer zur Zustimmung gereicht.
  • Länder, die nicht wollen, brauchen die Richtlinie wohl nie umzusetzen.
  • Die EU und ihre Mitgliedstaaten gehören der Welthandelsorganisation WTO an. Es erscheint höchst zweifelhaft, ob die Positivliste den verbindlichen WTO-Übereinkommen entspricht, die Handelshemmnisse abbauen sollen.

Weltweite Bestrahlung

In Frankreich werden bestrahlte Erdbeeren, Froschschenkel oder Krabben gerne gekauft. Die Gartenfrüchte wegen des langsameren Schimmelns, die Früchte des Meeres und der Teiche wegen der sicheren Abwesenheit von Salmonellen. Auch in den USA soll die Akzeptanz bestrahlter Früchte hoch sein. Holland propagiert die Bestrahlung von Brathähnchen, um die Salmonellose einzudämmen. Außer in Deutschland, Luxemburg, Österreich, Portugal und Irland wird die Technik in allen EU-Ländern eingesetzt. Von Bangladesch bis Südafrika wird weltweit in mehr als 40 Ländern zum Teil in großem Maßstab bestrahlt (Tab. 4). Die DDR hatte angeblich tonnenweise durch Strahlung keimgehemmte Zwiebeln in die Bundesrepublik exportiert.

Verbraucherschutz?

Die Bundesregierung scheint die Meinung vieler Verbraucherverbände zu übernehmen, die die Überzeugung verbreiten, dass bestrahlte Lebensmittel gefährlich seien. Die, die sich professionell mit der Lebensmittelhygiene und dem Schutz der Verbraucher auseinander setzen, argumentieren anders. Nach wie vor erkranken bis zu 10% der Bevölkerung in den Industriestaaten an einer Lebensmittelinfektion oder -intoxikation. 100 000 Erkrankte sollen zu volkswirtschaftlichen Verlusten von 600 Millionen DM führen. 1992 erkrankten nach Daten des BgVV allein 250 000 Personen an Enteritis infectiosa, 1996 litten 104 000 Personen an Salmonel-lose. Die geschätzte Dunkelziffer liegt beim Zehnfachen. Wichtigstes Keimreservoir sind tierische Lebensmittel.

Beispiel Brathähnchen

In vielen Ländern wird Schlachtgeflügel noch mit Chlor behandelt. Dabei entstehen chlororganische Verbindungen. In den letzten Jahren wurden deshalb Sprüh- und Tauchverfahren mit ozoniertem Wasser, mit organischen Säuren, Trinatriumphosphat oder Wasserstoffperoxid oder die Dampfvakuumierung eingeführt. Trotz aller Hygieneanstrengungen gibt es sehr viele salmonellenhaltige Gefrierhähnchen. Vor allem bei der Versorgung von Krankenhäusern, Altersheimen oder Kindergärten könnte eine Bestrahlung das Infektionsrisiko deutlich vermindern. In den USA liegt der Anteil der Außerhausverpflegung an den Salmonellosefällen bei 65%. In Deutschland lag zwischen 1990 und 1992 die Anzahl der Lebensmittelvergiftungen in der Gemeinschaftsverpflegung doppelt so hoch wie in der häuslichen Küche.

Sensibles

Großküchen haben andere hygienische Erfordernisse als Otto Normalverbraucher, der nur mit seinen eigenen Vorstellungen von Sauberkeit zurechtkommen muss. Zu den hygienisch labilen und potenziell gefährlichen Produkten zählen Hähnchen, Hackfleisch, Eiprodukte wie Mayonnaise und geschnittene Melone oder Sprossen und Keime. Hygieniker empfehlen deshalb, besonders sensible Produkte zu bestrahlen, vor allem für die Außerhausverpflegung.

WHO und BFE: Kein toxikologisches Risiko

Heute ist die Strahlenbehandlung besser untersucht als das Kochen oder Braten. Zahllose Forschungsprojekte mit ungezählten Fütterungsversuchen über mehrere Jahre auf der ganzen Welt haben die Auswirkung der Bestrahlung auf die Lebensmittel und deren Nährwert untersucht. Die WHO, die OECD, die FAO und die IAEA in Wien, als zuständige Aufsichtsbehörde, waren an der internationalen Koordinierung und Auswertung beteiligt. Als Ergebnis lässt sich eine Aussage der WHO von 1992 zitieren: "Die Lebensmittelbestrahlung verursacht keine Veränderung in der Zusammensetzung der Lebensmittel, die zu einem toxikologischen Risiko für die Gesundheit führen." Die Aussage ist zuletzt auf der Tagung zur Lebensmittelbestrahlung in Karlsruhe im November 1998 von den Experten der BFE noch einmal bestätigt worden.

Kastentext: Energie

Verwendet werden Röntgen-, Elektronen- und Gammastrahlung. Während die ersten beiden Strahlenarten von Maschinen erzeugt werden, nutzt man sehr häufig Kobaltquellen als Gammastrahler. Kobalt-60 gibt Gammastrahlen von 1,3 MeV ab. Lebensmittel, die mit dieser Energie bestrahlt werden, können mit Sicherheit nicht radioaktiv werden, auch nicht bei hohen Strahlendosen. Die Röntgenstrahlung ist auf höchstens 5 MeV begrenzt, die Elektronenstrahlung auf höchstens 10 MeV.

Kastentext: Glossar

BFE: Bundesforschungsanstalt für Ernährung; Sitz ist Karlsruhe. BgVV: Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin; Sitz ist Berlin. e-aq: Thermische Elektronen, also Elektronen, deren kinetische Energie auf die Wärmebewegung ihrer Umgebung abgekühlt ist. Sie können sich deshalb mit einer Hydrathülle aus entsprechend orientierten Dipolen umgeben. Die Reaktionsfähigkeit der e-aq ist stark herabgesetzt. eV, MeV: Maßeinheit der Energie. 1 Elektronenvolt entspricht 1,602 • 10-19 Joule. FAO: Unterorganisation der UNO für Lebensmittel und Landwirtschaft; Sitz ist Rom. Gray: 1 Gray (Gy) entspricht dem von 1 kg Materie aufgenommenen Energiebetrag von 1 Joule. 1 Gy entspricht 100 rad. IAEA: Internationale Atomenergieagentur; Sitz ist Wien. LMBG: Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz. OECD: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung; Sitz ist Paris. Radikalkationen: Positiv geladene Atome bzw. Moleküle mit einem ungepaarten Elektron in der Atomhülle; entsprechend gibt es auch Radikalanionen. WTO: Welthandelsorganisation, hieß früher GATT; Sitz ist New York.

Kastentext: Eisenhowers friedliche Atome

Die US-Armee hatte im Zweiten Weltkrieg Probleme mit der Fleischversorgung der Truppe. Bereits während des Krieges begann eine intensive Forschung zur Strahlenkonservierung. Um die massive atomare Aufrüstung im Kalten Krieg zu kaschieren, startete Eisenhower am 8. Dezember 1953 seine "Atome-für-den-Frieden"-Politik. Er legte damit den Grundstein für die zivile Nutzung der Kernenergie. Von da an steckten zunächst die USA und im Anschluss die westeuropäischen Länder sehr viel Geld unter anderem in die Lebensmittelbestrahlung.

Kastentext: Der deutsche Bestrahlungsmarkt

In Deutschland arbeiten derzeit sieben Gammaanlagen und 20 Elektronenbeschleuniger. Der Wert der strahlenbehandelten Waren liegt bei 5 Milliarden DM. Die chemische Industrie setzt in zunehmendem Maße quervernetzte Kunststoffe ein. Ob in der Autoelektrik, am Bügeleisen oder in der Fußbodenheizung, strahlenbehandelte Kabelisolierungen und Schläuche sind wesentlich schwerer entflammbar und beständiger. In den USA werden heute bereits 50% der Medizinprodukte strahlensterilisiert. Auch in Deutschland nimmt ihre Bedeutung zu.

Kastentext: Seit 100 Jahren Strahlung

Zwar patentierten zwei britische Chemiker bereits 1905 die Entwesung von Getreide und Getreideprodukten mit Alpha-, Beta- oder Gammastrahlen, nachdem Röntgen (1895) und Becquerel (1896) diese kurz zuvor entdeckt hatten. Doch die technischen Möglichkeiten reichten für die Strahlensterilisation noch nicht aus. Erst vier Jahrzehnte später begann die systematische Erforschung dieser Technik.

Kastentext: Bestrahlung im Alltag

Spritzen, Kanülen, chirurgisches Nahtmaterial und künstliche Hüftgelenke werden ebenso bestrahlt wie Arzneimittel, Packmittel, In-vitro-Diagnostika, Laborgeräte und Rohstoffe. Hochwertige Kosmetikrohstoffe, von der Seesandmandelkleie bis zum Schminkpinsel, werden mit Strahlen schonend und möglichst naturbelassen hygienisiert. Parkett aus einheimischen Weichhölzern, zuerst getränkt und dann bestrahlt, ist so hart wie tropische Edelhölzer. Während der letzten Fußballweltmeisterschaft hatte eine große Imbisskette Fußbälle angeboten. Sie waren durch Bestrahlung keimarm gemacht worden.

Kastentext: Bestrahlung im Internet

http://www.physics.isu.edu/radinf/food.htm Informationsnetzwerk zur Bestrahlung http://www.iaea.or.at/worldatom/inforesource/other/food/index.html Seite der IAEA http://www.BMGesundheit.de/lebensmi/lmbestra/bestr.htm Bundesgesundheitsministerium im August 1999 http://www.dainet.de/bfe/ Bundesforschungsanstalt für Ernährung - BFE http://www.consumersinternational.org/campaigns/irradiation/irrad.html Weltweite Verbraucherorganisation http://www.food-irradiation.com/ The Foundation for Food Irradiation Education (FFIE) http://www.fda.gov/fdac/features/1998/398_rad.html Stellungnahme der FDA http://www.sciam.com/explorations/110397salmonella/rad.html Scientific American

Der Mensch hat im Laufe der Jahrtausende viele Verfahren entwickelt, um seine Nahrung haltbar zu machen. Relativ jung sind die Verfahren der Konservierung mit ionisierenden Strahlen. Obwohl auf diesem Gebiet zahllose Untersuchungen durchgeführt worden sind, die keine Anzeichen für gesundheitliche Gefahren ergeben haben, ist die Lebensmittelbestrahlung immer noch umstritten. Zudem sind die gesetzlichen Bestimmung innerhalb der EU sehr unterschiedlich. Seit 1999 gibt es zwar zwei europäische Richtlinien zu diesem Thema, aber ihre nationale Umsetzung ist noch ungewiss.

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