Arzneimittel und Therapie

Lyme-Borreliose: Ein Impfstoff für Europa

Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung, sowohl in Europa als auch in den USA. Während in den USA jedoch inzwischen ein Impfstoff Schutz vor der Infektion bietet, ist in Europa noch keine Prävention der Lyme-Borreliose möglich. Noch Ų denn die Forschungsarbeiten an einem auf europäische Bedürfnisse zugeschnittenen Borreliose-Impfstoff laufen auf Hochtouren.

Mehrere zehntausend Borrelien-Infektionen verzeichnen Ärzte jährlich in Europa und den USA. Die Symptomatik ist äußerst vielgestaltig und im Einzelfall auch für den Mediziner nicht leicht zuzuordnen, da sich die Lyme-Borreliose in verschiedenen Organbereichen manifestieren kann. Am häufigsten sind Haut, Gelenke und das Nervensystem betroffen, aber auch Herz, Augen und Nieren können befallen sein. In etwa 60 Prozent der Fälle bildet sich einige Tage oder wenige Wochen nach dem Zeckenstich das für das Krankheitsstadium I charakteristische Erythema migrans (fleck- oder ringartige Hautrötung um den Zeckenstich). Liegt dieses vor, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Borrelien-Befall ausgehen und somit rechtzeitig eine Therapie mit Antibiotika einleiten, auch wenn die Serologie zu diesem Zeitpunkt meist noch negativ ist. In den restlichen 40 Prozent der Fälle verläuft die Infektion allerdings über lange Zeit hinweg stumm und manifestiert sich erst in einem späten Krankheitsstadium. Monate oder Jahre nach dem Zeckenstich treten plötzlich schwerwiegende Gelenk- oder Hautsymptome auf. Diese dann noch mit einer Borrelien-Infektion in Zusammenhang zu bringen und erfolgreich zu behandeln, ist äußerst schwierig.

Ein monovalenter Impfstoff für die USA ...

Die Probleme bei Diagnose und Therapie der Borrelien-Infektion haben schon frühzeitig zur Suche nach einer geeigneten Prävention geführt. Anfang der achtziger Jahre entdeckte man den Erreger der Lyme-Borreliose, ein Bakterium mit dem Namen Borrelia burgdorferi. Bis heute konnten zehn Spezies des Erregers identifiziert werden. Drei dieser Spezies - B. burgdorferi sensu stricto, B. afzelii und B. garinii - sind humanpathogen. Mitte der achtziger Jahre begann man in der Hoffnung auf einen geeigneten Impfstoff, sich näher mit Borrelia burgdorferi zu befassen. Dabei entdeckte man auf der Oberfläche der Borrelien ein Protein, das das Immunsystem auf den Plan ruft und zur Bildung von Antikörpern führt. Diese Eigenschaft machte das kurz OspA (englisch: Outer surface protein A) genannte Protein zum Rohstoff für einen Impfstoff. Inzwischen ist dieser Borrelien-Impfstoff in den USA zugelassen und wird dort in großem Umfang zur Prävention der Lyme-Borreliose eingesetzt.

... ein multivalenter für Europa

Leider eignet sich der amerikanische Borrelien-Impfstoff nicht für den Einsatz in Europa. Wie man inzwischen weiß, existieren mehrere Subtypen des bakteriellen Oberflächenproteins OspA, wobei die unterschiedlichen Borrelien-Spezies verschiedene Anteile dieser Subtypen haben. Der auf OspA basierende amerikanische Impfstoff beinhaltet nur einen einzigen Subtyp. Dies reicht für die USA aus, da dort bislang ausschließlich Borrelia burgdorferi sensu stricto nachgewiesen wurde, das genau den im Impfstoff enthaltenen OspA-Subtyp exprimiert. Für europäische Bedürfnisse ist es allerdings zu wenig. Hier sind alle drei humanpathogenen Borrelien-Spezies vertreten, so dass ein multivalenter Impfstoff gegen ein breiteres Spektrum von Subtypen notwendig ist.

Anderes Oberflächenprotein und andere Wirkungsweise

Obwohl auch die Entwicklung eines solchen multivalenten OspAImpfstoffs denkbar wäre, hat man für den europäischen Borrelien-Impfstoff einen anderen Weg eingeschlagen. Angriffspunkt des bei Baxter derzeit in der Entwicklung befindlichen Impfstoffs ist ein weiteres Oberflächenprotein der Borrelien, OspC. Dieses hat nicht nur eine andere Gensequenz, sondern bedingt auch eine andere Wirkungsweise des Impfstoffs. Das Oberflächenprotein OspA ist nur auf Borrelia burgdorferi nachweisbar, solange sich das Bakterium im Zeckendarm befindet. Sobald sich der Zeckendarm mit dem Blut des befallenen Opfers füllt, ändert das Bakterium seine Proteine an der Oberfläche, OspA wird zu OspC umgeschaltet. Wenn das Bakterium z. B. in den menschlichen Körper gelangt, finden gegen OspA gerichtete Antikörper keine Ziele mehr, der Schutzmechanismus hat daher dort keine Wirkung. Die durch Impfung mit OspA hervorgerufene Immunantwort kann nur im Zeckendarm wirksam sein – ist also im wahrsten Sinn des Wortes eine "Zeckenimpfung". Dieser Umstand ist insoweit von Bedeutung, als ein effizienter Schutz nur dann gewährleistet ist, wenn die Antikörperkonzentration im Blut des Opfers sehr hoch ist. Um dies zu erreichen, muss die Impfung mit dem OspA-Impfstoff wahrscheinlich jährlich wiederholt werden.

Erste Studien waren erfolgreich

Der durch Impfung mit OspC erreichte Immunschutz wirkt dagegen doppelt: nicht nur im Zeckendarm (nach der Umschaltung von OspA auf OspC), sondern auch im Körper des Zeckenopfers. Dadurch wird eine bessere und anhaltendere Prävention ermöglicht. Die Herstellung des OspC-Impfstoffs erfolgt gentechnisch und basiert auf der Analyse der OspCGensequenz von 249 verschiedenen Borrelien-Isolaten und der serologischen Untersuchung von über 4000 Patienten in 18 europäischen Ländern. Da OspC in sehr vielen Subtypen vorliegt, mussten für die Entwicklung eines für ganz Europa geeigneten Impfstoffs die am häufigsten vorkommenden Subtypen evaluiert werden. 14 Subtypen sind in der nun vorliegenden multivalenten paneuropäischen Vakzine enthalten. In verschiedenen Tiermodellen hat die Vakzine bereits eine gute Wirksamkeit gezeigt. Auch eine kleine Pilotstudie am Menschen mit einem "abgespeckten" OspCImpfstoff (fünf verschiedene OspC-Subtypen) wurde inzwischen erfolgreich abgeschlossen. Durchgeführt wurde diese Studie auf den zu Finnland gehörenden Aland-Inseln, die in Bezug auf die Lyme-Borreliose hochendemisch sind und daher ein optimales Testgebiet abgaben. Der OspC-Impfstoff erwies sich dabei als sicher und immunogen.

Derzeit wird der paneuropäische Impfstoff in seiner endgültigen Zusammensetzung in mehreren europäischen Regionen getestet. Die Phasen I und II der klinischen Studien werden voraussichtlich im ersten Quartal 2000 abgeschlossen. Eine großangelegte paneuropäische plazebokontrollierte Phase-III-Studie ist für Ende 2000 geplant. Sollte der Impfstoff sich in diesen Studien als erfolgreich und sicher erweisen, ist in etwa vier bis fünf Jahren mit der Zulassung für Europa zu rechnen.

Quelle: Vortrag von Dr. Noel Barrett, Forschungs-Pressekonferenz "Impfstoff- Entwicklung bei Baxter - Neue Technologien, neue Produkte", Wien, 2. Dezember 1999, veranstaltet von Baxter.

Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung,sowohl in Europa als auch in den USA. Während in den USA jedoch inzwischen ein Impfstoff Schutz vor der Infektion bietet, ist in Europa noch keine Prävention der Lyme-Borreliose möglich. Noch – denn die Forschungsarbeiten an einem auf europäische Bedürfnisse zugeschnittenen Borreliose-Impfstoff laufen auf Hochtouren.

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