Drogenmissbrauch

P. Ditzel Ecstasy – Schluss mit lustig (neue Studi

Selbst die Einnahme von nur wenigen Ecstasy-Pillen, der synthetischen Modedroge unserer Tage, macht dumm. Eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums, durchgeführt von Priv.-Doz. Dr. Rainer Thomasius, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, belegt erstmals repräsentativ, dass die Designerdroge bereits in relativ geringen Mengen die Hirnfunktion schädigt und psychiatrische, neurologische und internistische Gesundheitsschäden am Menschen hervorruft.

Die Love-Parade, die in diesem Jahr am 8. Juli in Berlin stattfand, war geplant als harmloses Musikfest, bei dem sich junge Leute treffen, zu ihren Rhythmen tanzen und Spaß haben. Doch die Riesenparty, zu der sich nach Schätzungen über 1 Mio. junger Menschen rund um die Berliner Siegessäule versammelten, entwickelte sich mehr und mehr zu einer "Ecstasy-Party". Während diese Designerdroge mit dem Hauptinhaltsstoff MDMA (3,4-Methylendioxy-metamphetamin) von den Anwendern eher als harmlose Glückspillen bezeichnet wird, die die Stimmung heben, das Schlafbedürfnis reduzieren und einfach den Verwender nur "gut drauf sein lassen", sind sich Drogenexperten darin einig, dass, wie es auch "Der Spiegel" in seiner Ausgabe 27 schreibt, "Deutschland mit Ecstasy in das größte Drogenexperiment seiner Geschichte geschlittert ist, die Konsequenzen könnten gravierend sein". Denn, so zeigt die Studie, die jetzt in der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, erscheint: Ecstasy schädigt eindeutig die Hirnfunktion.

Die am häufigsten konsumierte synthetische Droge

In der Studie wurde erstmals eine repräsentative Stichprobe von Ecstasy-Konsumenten erreicht. Der Hamburger Psychiater Thomasius untersuchte mit seinen Mitarbeitern in einem Zeitraum von 21 Monaten 107 "Ecstasy"-Konsumenten und 52 Probanden in zwei Kontrollgruppen. Die Probanden wurden direkt bei "Techno"-Veranstaltungen und in Diskotheken angesprochen und für die Studie gewonnen. Die Untersuchung sollte zwei Fragen beantworten: - Welche psychiatrischen, neurologischen und internistischen Gesundheitsschäden ruft die synthetische Droge Ecstasy hervor? - Hängen diese Schäden mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und Neurosenstrukturen der Konsumenten zusammen? Im Rahmen einer kontrollierten Querschnittsstudie setzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler psychiatrische, psychologische, neurologische, internistische und nuklearmedizinische Untersuchungsverfahren ein. Die Studie entstand vor dem Hintergrund, dass Ecstasy in mehreren europäischen Ländern die am häufigsten konsumierte synthetische Droge ist. In städtischen Metropolen weisen beispielsweise bis zu 15% der adoleszenten Bevölkerung Konsumerfahrung auf.

Hohes Ausmaß psychotischer Störungen

Ergebnis der Studie: Das Ausmaß von psychischen Störungen, die durch verschiedene Drogen bei Ecstasy-Konsumenten verursacht werden, ist außerordentlich hoch. Mehr als ein Viertel der Ecstasy-Konsumenten wies in den vergangenen zwölf Monaten mindestens eine durch so genannte psychotrope Substanzen bedingte psychotische Störung auf. Zu diesem Krankheitsbild gehören Halluzinationen, Personenverkennungen (z. B.: Der Arzt wird als Onkel wahrgenommen) oder Wahnvorstellungen. Hinzu kommen Beziehungsideen, in denen Beziehungen zu Personen oder Gegenständen wahrgenommen werden, die nicht real sind. Bei 8% der Ecstasy-Konsumenten ließen sich die Phänomene auf Ecstasy zurückführen, bei weiteren 8% auf den Gebrauch von halluzinogenen und bei 14% auf den Gebrauch mehrerer Substanzen. Thomasius fand außerdem heraus, dass Dauerkonsumenten von Ecstasy im Vergleich häufiger durch psychotische Störungen beeinträchtigt sind (49%) als Gelegenheitskonsumenten (22%) und Probierkonsumenten (0%). Neben diesen sofort auftretenden psychotischen Störungen gibt es auch so genannte Restzustände nach Ecstasy-Konsum oder verzögert auftretende psychische Störungen. Dazu gehören Störungen der Denkleistung oder depressive und manische Verstimmungen. Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen treten ebenso auf wie Nachhallzustände, bei denen die Konsumenten einen erneuten Rausch erleben, obwohl sie kein Ecstasy eingenommen haben. Die Studienergebnisse zeigten, dass der Anteil der Dauerkonsumenten mit diesen Störungen ebenfalls besonders hoch ist: Dreiviertel aller Dauerkonsumenten haben mindestens eine Diagnose aus der Kategorie "Restzustände", bei 76% der Konsumenten war hierfür Ecstasy die Ursache. Auch die Gelegenheitskonsumenten wiesen zu 68% eine Störung aus dieser Kategorie auf, bei 40% dieser Gruppe war Ecstasy die Ursache, gefolgt vom Gebrauch mehrerer Substanzen (18%) oder Cannabis-Konsum.

Arbeits- und Kurzzeitgedächtnis in Mitleidenschaft gezogen

Die Studienergebnisse ergaben vielfältige Hinweise auf ein neurotoxisches Potenzial der Droge Ecstasy. 37% der Ecstasy-Konsumenten hat ein so genanntes amnestisches Syndrom. Dabei wird das Kurzzeitgedächtnis so stark gestört, dass das tägliche Leben beeinträchtigt wird. In der Gruppe der schweren Ecstasy-Konsumenten mit einer Gesamtdosis von 500 bis 2500 Tabletten litten 60% an einem amnestischen Syndrom. Die neuropsychologische Untersuchung bestätigte diesen Trend. Sowohl das Arbeitsgedächtnis als auch das Kurzzeit- und das mittelfristige Gedächtnis sind bei Ecstasy-Konsumenten in Mitleidenschaft gezogen - linear abhängig von der Gesamtdosis. Ecstasy schränkt aber auch die Leistungen in den Handlungsfunktionen ein, wobei die psychomotorische Geschwindigkeit vermindert ist. In der statistischen Auswertung dieser Studie ließ sich dieser Einfluss von Ecstasy deutlich gegen die Wirkung anderer Drogen absichern. In der Elektroenzephalographie (EEG) zeigten sich bei Ecstasy-Konsumenten gehäuft Zeichen einer deutlich verminderten Wachsamkeit. Die Positronen-Emmissions-Tomographie (PET) dokumentierte, dass die Hirnaktivität bei Ecstasy-Konsumenten in bestimmten Hirnarealen ebenfalls vermindert ist. Vor dem Hintergrund dieser Studienergebnisse kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gehirn durch Ecstasy-Konsum auf Dauer geschädigt wird. Allerdings sind jedoch Untersuchungen notwendig, die Ecstasy-Konsumenten über einen längeren Zeitraum beobachten. Eine solche Studie wird zur Zeit im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf durchgeführt. Ob durch Ecstasy auch weitere internistische und neurologische Komplikationen oder Folgeerkrankungen ausgelöst werden, konnte diese Studie nicht bestätigen, zumal Konsumenten mit akuten Störungen aufgrund des Studiendesigns nicht untersucht werden konnten. In der Literatur wird allerdings berichtet, dass in Einzelfällen nach Ecstasy-Konsum eine Erhöhung der Körpertemperatur (bis auf 43 Grad Celsius) festgestellt wurde, außerdem Nieren- und Leberfunktionsstörungen oder Krampfanfälle und Hirninfarkte. Die laufende Längsschnittstudie könnte hierzu nähere Auskunft liefern.

Oft haben Konsumenten eine "Ich-Schwäche"

Bei schwerem Ecstasy-Konsum, so zeigt die Studie, fanden sich gehäuft Entwicklungs- und Identitätsstörungen, die mit einem Mangel an Selbstwahrnehmung, Mangel an Freundschaften und an sozialer Unterstützung einhergehen. Als besonderes Persönlichkeitsmerkmal trat in vielen Fällen ein eher empfindlich reagierender Charakter auf. Diese Konsumenten mit einer so genannten Ich-Schwäche neigen zu einem hohen Ecstasy-Konsum und sind deshalb besonders stark von Hirnfunktionsschäden betroffen. Nach diesen Ergebnissen ist ein direkter Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsstruktur und Ecstasy-Konsum wahrscheinlich. Thomasius kommt in dieser Studie zu dem Schluss, dass Ecstasy-Abhängige mit schweren Konsumformen einen starken Leidensdruck aufweisen. Sie schätzen den Stellenwert psychotherapeutischer Behandlungen vergleichsweise hoch ein. Da diese Konsumenten außerdem gute Voraussetzungen hinsichtlich ihrer Mitarbeit und ihrer Einsichtsfähigkeit in psychodynamische Zusammenhänge mitbringen, sollte bei Ecstasy-Abhängigen viel öfter als bisher geprüft werden, ob die Indikation für eine Psychotherapie vorliegt. Thomasius empfiehlt anhand seiner Studienergebnisse, Ecstasy-Konsumenten durch geeignete Methoden der Suchtprävention über die Gefährlichkeit des Missbrauchs zu informieren. Hilfesuchenden Konsumenten müssen Behandlungsangebote zur Verfügung gestellt werden, die den speziellen Erfordernissen gerecht werden.

Kastentext: Ergebnisse der Ecstasy-Studie

Die Droge Ecstasy entfaltet auch beim Menschen eine hohe neurotoxische Wirkung und führt zu anhaltenden neurokognitiven und ernsthaften psychischen Störungen. Die Studie belegt erstmalig an einer hinreichenden repräsentativen Stichprobe, dass der Konsum der Droge Ecstasy zu massiven psychiatrischen und neurokognitiven Auswirkungen führen kann. Was bereits im Tierversuch bestätigt wurde, belegt die vorliegende Studie: Ecstasy führt zu Hirnfunktionsstörungen, es treten kumulativ dosisabhängige Gedächtniseinbußen auf. Die Möglichkeit von langfristig bleibenden Beeinträchtigungen der Gehirnaktivität durch Ecstasy-Konsum kann nach den Ergebnissen der Studie und den bisherigen Resultaten der Grundlagenforschung nicht ausgeschlossen werden.

Kastentext: Eine tolerierte Droge?

Ecstasy (Methylendioxy-metamphetamin - MDMA) fällt unter Anlage I, Teil B des Betäubungsmittelgesetzes (nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel), in der auch weitere synthetische Designerdrogen, außerdem Cannabis und Heroin aufgeführt sind. Während nach wie vor Handel und Gebrauch von Heroin vehement verfolgt wird, scheinen die Behörden den massenhaften und öffentlichen Konsum von Ecstasy zu tolerieren wie bei keiner Droge zuvor. So setzt die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Christa Nickels, auf zusätzliche Untersuchungen und will Ecstasy nicht verteufeln. Der Konsum soll weiterhin straffrei bleiben. Es sollte allerdings mehr getan werden auf dem Gebiet der Prävention. Mit einem neuen umfassenden Präventionskonzept, das derzeit ausgearbeitet wird, sollen Jugendliche gezielter angesprochen werden.

Buchtipp: Ecstasy

Eine Studie zu gesundheitlichen und psychosozialen Folgen des Missbrauchs. Hrsg. von Priv.-Doz. Dr. Rainer Thomasius, Hamburg. 345 Seiten, 25 Abb., 90 Tab., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2000. Preis 64,- DM. Zu beziehen über die Buchhandlung des Deutschen Apotheker Verlags, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart, Tel. (0711) 2582-350, Fax (0711) 2582-290, E-Mail: Service@Deutscher-Apotheker-Verlag.de, Internet http://www.Deutscher-Apotheker-Verlag.de.

Buchtipp: Drogenkonsum - bekämpfen oder freigeben?

Fakten und Stellungnahmen zum Drogenkonsum. Hrsg. von Prof. Dr. Bernulf Kanitscheider, Gießen. 245 Seiten, 28 Abb., 15 Tab., Hirzel Verlag, Stuttgart 2000. Preis 56,- DM. Zu beziehen über die Buchhandlung des Deutschen Apotheker Verlags, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart, Tel. (0711) 2582-350, Fax (0711) 2582-290, E-Mail: Service@Deutscher-Apotheker-Verlag.de, Internet http://www.Deutscher-Apotheker-Verlag.de.

Die Einnahme von nur wenigen Ecstasy-Pillen macht dumm. Eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums belegt erstmals repräsentativ, dass die Designerdroge bereits in relativ geringen Mengen die Hirnfunktion schädigt und psychiatrische, neurologische und internistische Gesundheitsschäden am Menschen hervorruft.

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