Arzneimittel und Therapie

Komplikationen bei Diabetes mellitus: Nephropathie – renale Anämie &ndash

Im Mittelpunkt der Diabetestherapie steht die optimale Einstellung der Stoffwechsellage. Doch das ist nicht genug. Auch mögliche Komplikationen wie die diabetische Nephropathie, die Anämie und das diabetische Fußsyndrom müssen im Auge behalten oder, falls sie sich bereits entwickelt haben, zumindest effektiv behandelt werden.

Diabetiker sind vor allem vom frühen Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedroht. Doch auch die Niere ist bei 30 bis 50 Prozent stark in Mitleidenschaft gezogen. Immerhin sind diabetische Nierenschäden mittlerweile die häufigste Ursache für chronisches Nierenversagen. Das müsste nicht so sein. Denn wird die Beeinträchtigung der Nierenfunktion bereits im Frühstadium erkannt, verlangsamt eine rechtzeitige Intervention die Progression deutlich. Möglich ist die frühe Diagnosestellung durch ein einfaches und kostengünstiges Verfahren: das Mikroalbuminurie-Screening, das bislang sträflich vernachlässigt wurde. Nun fordern führende Diabetologen, dass eine solche Untersuchung bei Typ-1-Diabetikern ab dem fünften Jahr nach Diagnosestellung, bei Typ-2-Diabetikern ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung einmal jährlich durchgeführt werden sollte. Diabetiker, die vermehrt Albumin ausscheiden, müssen dann besonders im Hinblick auf Blutzucker, Blutdruck, Fettstoffwechsel und Eiweißzufuhr überwacht werden.

Na denn PROSIT!

Dass diese Forderungen durchaus berechtigt sind, zeigen die Erfolge des PROSIT-Projekts - wobei der Name weniger mit dem Trinkspruch, sondern eher mit seiner eigentlichen Bedeutung "Es möge nützen" assoziiert werden sollte! An diesem Projekt nahmen bislang 3600 Diabetiker mit Mikroalbuminurie in 161 Arztpraxen teil. Mit einem strukturierten Interventionsprogramm, das speziell für diese Hochrisikopatienten entwickelt wurde, kam es innerhalb von 14 Monaten zu einer deutlichen Verbesserung des kardiovaskulären Risikoprofils. Der HbA1c-Wert konnte von 7,8 auf 7,4 Prozent, der Blutdruck von 146/84 mmHg auf 141/80 mmHg und das Gesamtcholesterin von 223 auf 214 mg/dl gesenkt werden. Dadurch normalisierte sich die Albuminausscheidung bei immerhin 36 Prozent der Patienten. Bei 52 Prozent konnte zumindest die Progression aufgehalten werden. Lediglich bei 3 Prozent schritt die Nierenschädigung fort, knapp ein Zehntel entwickelte eine Makroalbuminurie. Doch die Konsequenzen sind noch weitreichender, denn letztlich kann dem Diabetiker durch dieses Prozedere oft die Dialyse erspart werden. Und dies spart dem maroden Gesundheitswesen letztlich auch Kosten.

Renale Anämie durch EPO-Mangel

Bei diabetischer Nephropathie kann zusätzlich noch eine besondere Komplikation auftreten: die normochrome normozytäre Anämie. Obwohl sie bei Diabetikern wesentlich schwerer ausgeprägt ist als bei Nicht-Diabetikern mit vergleichbarer Nierenschädigung, wird sie häufig unterschätzt. Schon im frühen Stadium können die Erythropoetin(EPO-) Spiegel gesenkt und der Patient anämisch sein. Anscheinend wird vor allem weniger EPO produziert, während eine vermehrte Ausscheidung nur unwesentlich zu den niedrigen Blutkonzentrationen beiträgt. Auch die Ansprechbarkeit von EPO scheint verändert zu sein. Hier kann auch die Begleitmedikation eine Rolle spielen. So beeinträchtigen ACE-Hemmer und AT1-Blocker das Ansprechen auf Erythropoetin. Klinisch scheint dies aber äußerst selten relevant zu sein, allenfalls bei sehr niedrigen EPO-Werten und einer hochdosierten Therapie.

Was bringt die EPO-Substitution?

Derzeit wird nun untersucht, was die Gabe von Erythropoetin bei Diabetikern mit renaler Anämie leisten kann. In einer Studie an 73 Probanden mit renaler Anämie (41 Diabetiker, 32 Nicht-Diabetiker) ließ sich durch die Gabe von rekombinantem Erythropoetin (Erypo) die Dialysepflicht um etwa acht Wochen verzögern. Doch die Frage nach dem Nutzen der EPO-Substitution ist nicht nur im Hinblick auf die Nephropathie interessant. Vielmehr besteht auch ein Zusammenhang zwischen Anämie und kardialer Morbidität bzw. Mortalität von Diabetikern. Die Anämie gilt als "Prädiktor" für die Entwicklung der linksventrikulären Hypertrophie (LVH) und hat, neben systolischem Blutdruck, Alter und BMI, einen entscheidenden Anteil bei der LVH-Entstehung. Die Erhöhung des Hämoglobinwertes durch Erythropoetin führte unter Studienbedingungen zu einer partiellen Regression der LVH bei Dialysepatienten.

Verbesserung der kardialen Funktion möglich

Endgültige Empfehlungen nach dem Motto "Erythropoetin für alle niereninsuffizienten Diabetiker!" lassen sich allerdings nicht geben. Denn nicht alle Patienten profitieren von der EPO-Gabe. So reagieren manche mit einer Verschlechterung der diabetischen Stoffwechsellage. Beobachtet wurde auch eine Absorption von Retina-Exsudaten und eine Progression der peripheren Verschlusskrankheit. Zudem ist noch nicht abschließend geklärt, ob die EPO-Gabe bei Anämie dem Herzen tatsächlich nützt. Auf der Basis derzeitigen Datenlage scheint es jedoch vorstellbar, dass eine zumindest partielle Korrektur die kardiale Funktion verbessert. Wird Erythropoetin appliziert, sollte auf jeden Fall der Hämatokrit genau im Auge behalten werden, denn zu niedrige Werte wirken sich auf die LVH ebenso nachteilig aus wie zu hohe. Derzeit laufende Studien werden detaillierte Ergebnisse über diese Zusammenhänge bringen. Dann wird auch der Stellenwert der EPO-Gabe bei diabetischer Nephropathie genauer festgelegt werden können.

Zu viele Amputationen

Eine weitere Komplikation, die Diabetikern arg zu schaffen machen kann, ist das diabetische Fußsyndrom, bei dem sich oft schwer heilende Ulzera entwickeln. Durchblutungsstörungen in den Gefäßen, meist aber Neuropathien stecken dahinter, manchmal auch Mischformen. Die traurige Folge: 25000 Amputationen jährlich. Davon ließe sich durch richtige Therapiekonzepte etwa die Hälfte vermeiden. Im Vordergrund steht die absolute Druckentlastung, beispielsweise durch das Tragen von Vorfußentlastungsschuhen. In schweren Fällen kann auch eine komplette Immobilisation (Rollstuhl!) über einen begrenzten Zeitraum sinnvoll sein. Wichtig ist zudem ein scharfes Debridement. Das bedeutet: Die Wundränder werden immer wieder frisch ausgeschnitten, um den Wundheilungsprozess optimal zu unterstützen. Die Wundversorgung richtet sich nach der Phase der Wundheilung: saugende Polyurethan-Folien oder Gaze in der Entzündungsphase, feuchte Wundbehandlung in der Granulationsphase und Fettgaze zum Überdecken in der Wundschlussphase. Für die Applikation von Antibiotika zur Infektbekämpfung gilt die Devise: "Im Zweifelsfalle immer!"

Für schwere Fälle: PDGF

Die meisten Fußulzera lassen sich mit diesem Regime erfolgreich behandeln. Heilen sie nicht innerhalb von zwölf Wochen ab, und das ist bei knapp einem Fünftel der Fall, ist eine intensivere Behandlung notwendig. Neuropathisch bedingte Ulzera lassen sich mit dem Wachstumsfaktor PDGF, der als Becaplermin (Regranex) zur Verfügung steht, dann häufig erfolgfreich behandeln. PDGF steuert gemeinsam mit anderen Wachstumsfaktoren die Interaktion zwischen den Wundzellen und beschleunigt den Wundheilungsprozess. Er induziert Chemotaxis und Mitogenese und moduliert die Rezeptorexpression anderer Wachstumsfaktoren, die dann besser wirken können. Auch Angiogenese und Kollagensynthese werden stimuliert, so dass letztlich Granulations- und Epithelisationsprozess beschleunigt werden.

Schneller mehr Ulzera heilen

In Studien profitierten die Patienten von der Becaplermin-Applikation gleich zweifach: Die Heilungsrate ist höher, und die Ulzera heilen schneller ab. Bei knapp 1000 Patienten konnte gezeigt werden, dass sich der Abheilungsprozess im Vergleich zu Ulzera, die konventionell versorgt wurden, um etwa 35 Prozent verkürzt (141 Tage versus 92 Tage). Die Abheilungsrate konnte um 57 Prozent verbessert werden (30 Prozent versus 47 Prozent). Nebenwirkungen, die sich überwiegend an der Haut oder im Gastrointestinaltrakt manifestierten, waren insgesamt gering und unter Verum nicht häufiger als unter Plazebo. Wichtig ist allerdings, dass die übrigen Säulen der Therapie - Druckentlastung, scharfes Debridement und Infektbekämpfung - nicht vernachlässigt werden.

Im Mittelpunkt der Diabetestherapie steht die optimale Einstellung der Stoffwechsellage. Doch das ist nicht genug. Auch mögliche Komplikationen wie die diabetische Nephropathie, die Anämie und das diabetische Fußsyndrom müssen im Auge behalten oder, falls sie sich bereits entwickelt haben, zumindest effektiv behandelt werden.

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