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Heißer Herbst in Sicht (Bündnis für Gesundheit Bayern)

MÜNCHEN (ms). Die letzten Monate habe das "Bündnis für Gesundheit Bayern" auf Aktionismus verzichtet, den Schwerpunkt auf die konzeptionelle Arbeit gelegt und ein Positionspapier formuliert, sagte Dr. Lothar Wittek, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern am 12. Juli auf einer Pressekonferenz in München. Im Herbst will das Bündnis, in dem alle Gesundheitsberufe zusammengeschlossen sind, jedoch wieder an die Öffentlichkeit gehen und am 25. Oktober in München den "Tag der Heilberufe" veranstalten. "Es wird erneut einen heißen Herbst in der Gesundheitspolitik geben", prophezeite Wittek.

Die Budgetierung in der Gesundheitspolitik führe zur Rationierung in der medizinischen Versorgung, erklärte Wittek. Die Budgetierung zeige bereits spürbare, medizinisch nicht verantwortbare negative Konsequenzen für die Versorgung der Patienten. Nach Witteks Ansicht betreibt die Bundesregierung in der Gesundheitspolitik eine Doppelstrategie. Zum einen rationiere sie die Geldmittel für die gesetzliche Krankenversicherung, zum anderen verlange die Politik von den Ärzten, die Rationierung für die Patienten nicht spürbar zu machen. "Wir Ärzte sind nicht die Knautschzone der GKV, die mit Regress bestraft werden, wenn sie das Budget überschreiten", beschwerte sich Wittek.

Arztpraxen spüren Reformen

Die Gesundheitsreform hat laut Wittek nicht nur negative Konsequenzen für die Patienten, sondern treibt viele Ärzte in den finanziellen Ruin. "Nach Informationen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung", so Wittek, "sind wegen der nicht ausreichenden Finanzierungsbedingungen bereits 30 bis 40 Prozent der Praxen existenziell bedroht, in Einzelfällen werden heute bereits bis zu 20 Prozent der von Kassenarztpraxen erbrachten Leistungen nicht bezahlt". Ein düsteres Bild für Krankenhausärzte und deren Patienten zeichnete Dr. H. Hellmut Koch, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer. Auch hier sei zum Schluss der Patient der Leidtragende. Werde zum Beispiel bei einem Patienten ein bösartiger endogener Tumor diagnostiziert, der nur mit teuren Medikamenten behandelt werden könne, seien die Kosten dafür im Budget der Klinik nicht vorgesehen. "Das Budget wird dadurch massiv überschritten", erklärte Koch. Diese Überschreitung müsse an anderer Stelle eingespart werden, am einfachsten gehe das mit dem Personal. "Der Patient ist direkt betroffen", so Koch, "weil die Versorgung dadurch leidet, dass plötzlich ein oder zwei Ärzte weniger vorhanden sind".

Freie Berufe schützen Patienten

Der Patient profitiere davon, wenn Arzt und Apotheker ihre Tätigkeit als Angehöriger der Freien Berufe ausübten, betonte Johannes M. Metzger, der Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer. "Die Heilberufe müssen frei und unabhängig bleiben, Profitcenter passen nicht für unser Gesundheitswesen", sagte Metzger. Die Freien Berufe müssten im Gesundheitswesen erhalten bleiben, denn sie würden am besten auch dem Patientenschutz dienen. "Welchen besseren Schutz gibt es denn für den Patienten", fragte Metzger, "als wenn er dem Arzt oder Apotheker als einem freien Heilberufler gegenübertritt, der im Gegensatz zu einer Firma uneingeschränkt mit seinem ganzen Vermögen haftet?"

Unterversorgung der Patienten

Konkrete Beispiele für die Unterversorgung der Patienten infolge der Gesundheitsreform nannte Gerhard Reichert, 1. Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller, so Reichert, habe eine Dokumentation vorgelegt, derzufolge es in 13 Indikationsgebieten dramatische Versorgungsdefizite gebe. So würden etwa bei Alzheimer-Patienten, die in der GKV versichert seien, in 18,5 Prozent der Fälle innovative Präparate verordnet, bei den Privatversicherten dagegen 35,4 Prozent. Der Anteil der Verschreibungen von Acetycholinesterase-Hemmern sei in der GKV im letzten Jahr um 12 Prozent gestiegen, in der Privaten Krankenversicherung um 41 Prozent. Versorgungsdefizite für gesetzlich Versicherte gibt es laut Reichert bei koronaren Herzerkrankungen, in der Schmerztherapie, bei Depressionen, Hepatitis C und Asthma sowie bei der Behandlung von Magengeschwüren. "Die Budgetaufstockung für das Jahr 2000 in Höhe von 2 Prozent reicht nicht aus und deckt in keiner Weise den vorhandenen Nachholbedarf", erklärte Reichert.

Arme Krankengymnasten

Dem "Bündnis für Gesundheit Bayern", das letztes Jahr als gemeinsame Aktion der Gesundheitsberufe gegen die Gesundheitsreform geschlossen wurde, gehören auch Berufsgruppen an, die seltener im Rampenlicht stehen. Auch diese wollen wie etwa die Krankengymnasten in Zukunft stärker protestieren. "Bei den Krankengymnasten sind die Umsätze in letzter Zeit um ein Sechstel zurückgegangen", sagte Rüdiger von Esebeck, 1. Vorsitzender des Zentralverbandes der Krankengymnasten und Physiotherapeuten. Viele Ärzte würden aus Kostengründen an den Krankengymnastik-Verschreibungen für diejenigen sparen, die sie am dringendsten bräuchten, beklagte von Esebeck. Das seien alte Menschen, chronische Patienten und immer häufiger auch behinderte Kinder.

"Die Vernunft ist auf unserer Seite"

Als Alternative zu den Budgets forderten die Gesundheitsberufe neue Wege in der Finanzierung der GKV. "Es muss künftig mehr Geld investiert werden, wenn der medizinische Fortschritt im Gesundheitswesen für eine immer älter werdende Bevölkerung flächendeckend gesichert werden soll", erklärte Wittek. Darüber hinaus sei ein System aus Grundversorgung und Wahlleistungen nötig. Das Bündnis für Gesundheit Bayern sei davon überzeugt, Erfolg zu haben, weil "wir die Vernunft auf unserer Seite haben". Es dürfe kein falscher Wettbewerb auf der Basis einer Billigmedizin initiiert werden, meinte Wittek. "Wir müssen hin zur medizinischen Orientierung, hin zur bedarfsgerechten Arzneimittelversorgung, hin zur Eigenverantwortung."

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