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Calix – nicht verkehrsfähig und trotzdem im Handel

STUTTGART (diz). Calix, "der neue Fettfresser", der "Riesenkräfte" hat, der die "Pfunde ganz leicht purzeln lässt", wird bereits seit mehreren Monaten intensivst in Frauen- und Fernsehzeitschriften beworben als "Speck-Killer-Kapsel", mit der man angeblich seine Traumfigur in einer Woche erreichen kann. Das Präparat, das sogar eine PZN-Nr. erhalten hat, hat jedoch einen Haken: Abgesehen von irreführender Werbung ist es rechtlich gesehen nicht verkehrsfähig und darf daher nicht vertrieben werden.

Schenkt man den Werbeaussagen für die Killerkapsel Calix Glauben, dann soll ein Dr. Roland Caloway vom Beth Israel Medical Center New York einen Wirkstoff gefunden haben, der den Körper veranlasst, übermäßige Nahrungszufuhr nicht mehr als Fettpolster anzulagern, sondern in großen Mengen zu verbrennen. Genau dieser Wirkstoff soll nun in Calix enthalten sein und bewirken, dass Übergewichtige, die diesen Wirkstoff zu sich nehmen, "in kürzester Zeit gertenschlank" werden und das auch noch "sicher, zuverlässig und mit 100%-igem Erfolg". Dankesschreiben von Dicken, die erfolgreich mit Calix schlank geworden sind, sollen die Glaubhaftigkeit für diese Werbeaussagen unterstützen. Und da ein Forscher nicht genug ist, werden weitere Wissenschaftler (die keiner kennt) zitiert, z. B. ein Professor Carl Winter von der Uni Denver und ein Professor Bill Russel von der Uni Boston, außerdem Lord Batterfield von der Cambridge University und schließlich noch Professor Carl Beyerle von der Yale University. Alle bescheinigen dem "Wirkstoff" in Calix nur beste Ergebnisse und Wirksamkeit. Die Anzeigen in den einschlägigen Blättern verraten allerdings nicht, wer der Hersteller von Calix ist, lediglich eine Versandadresse aus Österreich wird angegeben: Versand aus Frohensdorf, wo Interessierte Calix direkt bestellen können. Aber auch "rezeptfrei in jeder Apotheke" ist dieses Präparat erhältlich, wie die Anzeige verrät. Den deutschen Apothekerinnen und Apothekern hat sich der Abro-Vertrieb aus Bad Waltersdorf mit einer Anzeige in der Pharmazeutischen Zeitung als Vertriebspartner für Calix vorgestellt. In dieser Anzeige bedankt sich der Abro-Vertrieb bei den deutschen Apothekerinnen und Apothekern "für ihre aktive Unterstützung bei der erfolgreichen Neueinführung von Calix" und weist darauf hin, dass Calix verkehrsfähig sei gemäß der neuen EU-Richtlinie/diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. Die Apotheken könnten Original Calix nur über ihren deutschen Pharmagroßhandelspartner erreichen, mit Ausnahme der Phoenix Gruppe.

Calix-Anzeige ein Wettbewerbsverstoß

Calix - ein Arzneimittel, ein Lebensmittel, ein Nahrungsergänzungsmittel, ein diätetisches Lebensmittel? Was hat es mit diesem "Wundermittel" auf sich? Ist es überhaupt verkehrsfähig und befindet es sich rechtmäßig im Handel? Wir gingen der Sache auf den Grund und sprachen mit Rechtsanwalt Dr. Alfred Hagen Meyer von der Kanzlei Meyer/Meisterernst in München, die sich bereits des öfteren mit dubiosen Wundermitteln beschäftigen mussten. Nach ihrer Ansicht ist die Anzeige der Abro-Vertrieb ein grober und eindeutiger Wettbewerbsverstoß. Zwar werde der Apothekerschaft für die Neueinführung des Erzeugnisses vordergründig gedankt, es ist jedoch in Apothekerkreisen seit Monaten bekannt, dass Calix in aggressiver, vor allem aber in grob wettbewerbswidriger Art in der Yellow Press beworben werde. Die Werbung in diesen Blättern verstößt entweder gegen das Heilmittelwerberecht oder gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften, insbesondere gegen das Verbot schlankheitsbezogener Werbung, wobei offen bleiben kann, ob es sich bei Calix um ein Arzneimittel oder ein Lebensmittel handelt.

Calix - kein Arzneimittel...

In der Anzeige selbst ist der Passus enthalten, dass es kein Medikament und keine Diät sei. Calix habe außerdem keinerlei schädliche Nebenwirkungen, heißt es dort weiter. Doch die rechtliche Seite sieht hier wohl anders aus, wie Dr. Meyer erklärt. Handelt es sich bei Calix nämlich um ein Arzneimittel, so verstößt jede Werbung für das Erzeugnis gegen § 3 a Heilmittelwerbegesetz (HWG), wonach Arzneimittel nicht beworben werden dürfen, die nicht zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Zwar sind die Darreichungsform (Kapseln) sowie der Vertrieb über Apotheken kein ausreichender Hinweis darauf, dass es sich bei Calix um ein Arzneimittel handelt, wie ebenso wenig die Bezeichnung als "diätetisches Lebensmittel" auf der Verpackung oder in der Werbung für sich benommen bewirkt, dass es als Lebensmittel einzustufen ist. Entscheidend ist aber vielmehr, ob Calix "aus der Sicht der Verbraucher die objektive Zweckbestimmung eines Arzneimittels hat" (BGH DLR Heft 6/2000). Ein Durchschnittsverbraucher wird in Anbetracht der Werbung in der Yellow Press annehmen können, dass es sich bei Calix eher um ein Arzneimittel handelt, weil dort die Einwirkungen auf den Körper in einem übersteigerten Umfang, also eine pharmakologische Wirkung, besonders betont wird. "Speck-Killer-Kapsel", "ein Wirkstoff ..., der den körpereigenen Stoffwechsel veranlasst, übermäßige Nahrungszufuhr nicht mehr als Fettpolster abzulagern, sondern in großen Mengen zu verbrennen".

... und kein diätetisches Lebensmittel

Aber selbst wenn Calix ein Lebensmittel wäre, kann es nicht als "diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke" beworben werden. Nach der Legaldefinition 1999/21/EG der Kommission vom 25. März 1999 bezeichnet nämlich "Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke" eine Kategorie von Lebensmitteln für eine besondere Ernähung, die auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert und für die diätetische Behandlung von Patienten gedacht und unter ärztlicher Aufsicht zu verwenden sind. "Ihr Zweck ist die ausschließliche oder teilweise Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechselung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder ihrer Metaboliten oder von Patienten mit einem sonstigen medizinischen bedingten Nährstoffbedarf, für deren diätetischen Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung, andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beidem nicht ausreichen" (Art. 1 Abs. 2b der Richtlinie, ABl. L 91, 7. April 1999, S. 29 - 36). Diese diätetischen Lebensmittel sollen daher besonderen Ernährungserfordernissen von Personen entsprechen, die an bestimmten Krankheiten, Störungen oder Beschwerden leiden oder aufgrund von ihnen unterernährt sind (Erwägungsgrund 1 der Richtlinie). Selbst wenn der Werbung zu Calix in der Yellow Press Glauben geschenkt wird, soll Calix gerade eben nicht der Ernährung von Patienten dienen, sondern das Gegenteil bewirken, nämlich die Zufuhr von Nährstoffen zur Deckung der energetischen und stofflichen Bedürfnisse des Körpers einschränken und deshalb "den Speck killen". Meyer kommt daher zu dem Schluss, dass die Einstufung von Calix als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zu verneinen ist. Dies bestätige auch eine Mitteilung des Österreichischen Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen auf Anfrage der Bayerischen Landesapothekerkammer (abgedruckt im Rundschreiben der Kammer Nr. 2/2000, S. 10). Die Verkehrsfähigkeit von Calix werde deshalb auch von deutschen Überwachungsbehörden verneint. Eine gutachterliche Stellungnahme des Staatlichen Lebensmitteluntersuchungsamtes Braunschweig ist in Apothekenkreisen bekannt, so Meyer. Die Pharmagroßhandlung Phoenix wies in einem Rundschreiben vom 13. Juli an die Apotheker hierauf hin und zeigt als Konsequenz an, den Vertrieb des Produktes bundesweit einzustellen. Als Fazit dieser Überlegungen bleibt also, dass Calix nicht verkehrsfähig ist und nicht über Apotheken vertrieben werden darf.

Calix, "der neue Fettfresser", der "Riesenkräfte" hat, der die "Pfunde ganz leicht purzeln lässt", wird bereits seit mehreren Monaten intensivst in Frauen- und Fernsehzeitschriften beworben als "Speck-Killer-Kapsel", mit der man angeblich seine Traumfigur in einer Woche erreichen kann. Das Präparat, das sogar eine PZN-Nr. erhalten hat, hat jedoch einen Haken: Abgesehen von irreführender Werbung ist es rechtlich gesehen nicht verkehrsfähig und darf daher nicht vertrieben werden.

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