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Zur rechtlichen Beurteilung der Absichten einer niederländischen Internet-Apotheke aus Kerkrade, die auch deutsche Patienten mit Arzneimitteln beliefern will, schreibt das Handelsblatt am 29. Juni: Obwohl es in Deutschland ein Versandhandelsverbot für Arzneimittel gibt, ist das Unternehmen überzeugt, dass sein Angebot nicht rechtswidrig ist. Es stützt sich auf die im Mai in Kraft getretene E-Commerce-Richtlinie der EU, die binnen 18 Monaten auch in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Danach gilt für den Internethandel das Herkunftsland-Prinzip. Die virtuelle Apotheke muss also nur das niederländische Recht einhalten. Dort gibt es weder ein Versandhandelsverbot noch eine Preisspannenverordnung wie in Deutschland. Doch so einfach wird es wahrscheinlich nicht gehen. Denn auch bei der E-Commerce-Richtlinie steckt der Teufel im Detail. So hat der Bonner Rechtsexperte Christian Koenig jetzt darauf hingewiesen, dass sich die neue Richtlinie streng genommen nur auf dem virtuellen Teil des Rechtsgeschäftes bezieht, durch den Medikamente per Internet an den Mann oder die Frau gebracht wird. Die Lieferung der Ware selbst unterliege dagegen weiter dem nationalen Recht. Der Bonner Universitätsprofessor sieht im Versandverbot auch keinen Verstoß gegen die Grundfreiheiten des EU-Vertrages. Die dürften zum Schutze der Gesundheit eingeschränkt werden. Allerdings hat auch Koenig Zweifel, ob ein Verbot den gewünschten praktischen Erfolg haben wird. Zwar riskiert die Kerkrader Internet-Apotheke Ordnungsstrafen von bis zu 50 000 DM. Doch dazu muss sie erst einmal erwischt werden. Und das ist schwierig, denn ihr Auftritt und ihre Werbung im Internet sind nach der E-Commerce-Richtlinie ja nicht strafbar. Koenig plädiert daher für die Entwicklung EU-weiter Schutzstandards. Die fordern auch die Krankenkassen. Sie wollen durch den Internetvertrieb von Arzneimitteln sparen und sind deshalb dafür, das Versandhandelsverbot aufzuheben.

Schlecht recherchiert hat offensichtlich das Handelsblatt. Noch richtig wird berichtet, dass die deutschen Apotheken den Internethandel mit Arzneimitteln ablehnen. Zu der Integration von Re- und Parallelimporten wird jedoch der Eindruck erweckt, als gäbe es noch keine Rahmenvereinbarungen mit den Kassen zu diesem Themenkomplex (HB 29. 6. 2000): Doch die deutschen Apotheker wollen davon nichts wissen. Auch in der Industrie und beim Pharmagroßhandel hält man sich mit Alternativvorschlägen zurück. Der klassische Vertriebsweg über die mit lukrativen Rabatten bei der Stange gehaltenen Apotheken ist viel zu bequem und ertragreich. Sogar bei der Umsetzung der neuen Rechtsvorschrift, nach der Apotheken verstärkt preiswertere Importarzneimittel abgeben sollen, blockieren die Apotheker. Die Verhandlungen über den im Gesetz geforderten Rahmenvertrag blieben bislang ergebnislos. Aus Verärgerung haben die Kassen sämtliche Vereinbarungen zur Arzneimittelversorgung zum Jahresende gekündigt. Danach soll eine Schiedsstelle entscheiden.

Gesundheitsministerin Andrea Fischer äußerte sich in einem FAZ-Interview zur weitgehenden Entschlüsselung des menschlichen Genoms: Man muss verantwortungsbewusst mit dem gestrigen Ereignis umgehen. Man darf den Patienten, die an Krebs, Parkinson oder Alzheimer leiden, nicht versprechen, dass sie morgen geheilt sein werden. Was wir sehen, ist ein wichtiger Schritt für die Grundlagenforschung. Doch ich beobachte mit gewisser Irritation, wie manche gestern die baldige Heilung aller Krankheiten in Aussicht stellten. Man darf Schwerkranke nicht mit einer falschen Hoffnung belasten. Einerseits bleibt Krankheit zu wichtigen Teilen ein Resultat sozialer Zuschreibung: Kinderlosigkeit, früher Schicksal, wird heute als eine Krankheit, ein therapiefähiges Leiden definiert. Das kann genauso für viele Dinge gelten, die man jetzt im Erbgut suchen und finden kann. Zum anderen muss man aufpassen, nicht in einen neuen Determinismus zu verfallen. Auch in einem Land mit einer so gleich verteilten Gesundheitsversorgung wie Deutschland gibt es nach wie vor eklatante Unterschiede im Krankheitsrisiko und der Lebenserwartung, abhängig vom sozialen Status.

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