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Erste Autoschalter-Apotheke in England eröffnet

(nkh). Die erste Autoschalter-Apotheke in Europa wurde im englischen Städtchen Norton Canes in der Nähe von Birmingham von Duran Chemist eröffnet. Und eine zweite Drive-Through-Pharmacy soll bereits in Kürze in Mittelengland eröffnet werden - weitere Expansion keinesfalls ausgeschlossen. Lässt sich das Konzept des "drive and go" also erfolgreich auf die Apotheke übertragen? ASDA, die kürzlich von der amerikanischen Firma Wal-Mart übernommene Supermarktkette, zeigt sich an dem Vorhaben ebenfalls höchst interessiert. Was in Deutschland per Gerichtsurteil im Jahr 1998 verboten wurde, wird in England als die Zukunft der Apotheke gefeiert. Die DAZ hat Mr. Chahal, den Initiator des Konzeptes, in seiner Apotheke besucht, um diese Frage und das Prinzip hinter der Drive-through-Pharmacy zu diskutieren.

"Europas erste Autoschalter-Apotheke" ist in großen Buchstaben über der Einfahrt zu Duran Drive-Thru Pharmacy zu lesen. Das Fenster zur "Rezeptabgabe" ist nur ein paar hundert Meter von der Einfahrt entfernt. Doch hier hört nach Angaben von Gurd Chahal jegliche Ähnlichkeit mit den Fast Food Restaurants wie McDonalds und anderen auf. "Man muss sich im Klaren darüber sein, dass Medikamente nicht gewöhnliche Produkte darstellen. Der In-and-out-Ansatz funktioniert hier nicht", sagt Mr. Chahal. "Das Grundprinzip der Drive-Through-Apotheke beruht darauf, einen effizienten Service für unsere Kunden anzubieten, ohne Stress für die Angestellten aufkommen zu lassen, der zu Fehlern führen könnte", fügt der Besitzer der Duran Gruppe hinzu. Er besteht vielmehr darauf, das alles, was er hier eingeführt hat, dazu gedacht war, die professionelle Integrität des Apothekers zu fördern.

Das Auto wird Beratungsecke

Auf die Idee für dieses zumindest im Apothekenbereich innovative Konzept kamen Gurd Chahal und seine Frau Nirmla vor knapp sieben Jahren. Sie hatten in ihrer damaligen Apotheke festgestellt, dass vor allem junge Mütter zwar in die Apotheke kamen, jedoch mit einem Auge immer auf die Kinder aufpassen mussten. Zur Beratung gab es hier wenig Möglichkeiten. "Wir müssen entweder das Auto in die Apotheke bringen oder aber die Apotheke ins Auto", war die Schlussfolgerung der Chahals. "Das Auto wird im Prinzip zur erweiterten Beratungsecke. Die Interaktion zwischen Apotheker und Patient ist auch hierbei äußerst privat, streng vertraulich und persönlich", erklärt Gurd Chahal. Auch behinderte Patienten und Pensionäre profitieren durchaus davon, nicht aus dem Auto aussteigen zu müssen. Zwei Jahre später, nach intensiven Recherchen und Marktanalysen, eröffnete er dann Durans Drive Thru-Pharmacy.

Nur 2 bis 3 Minuten Wartezeit

Klare Organisation ist nach Ansicht von Gurd Chahal äußerst wichtig. Der Drive-Through-Service muss komplett in den Arbeitsablauf in der Apotheke integriert werden können. Ein Infrarotsensor registriert ein herankommendes Auto und lässt in der Apotheke eine Warnglocke läuten, damit der Apotheker oder eine PTA den Kunden umgehend bedienen können. Der Kunde wartet am Autoschalter auf seine Medikamente, in der Regel etwa 2 bis 3 Minuten, während in der von außen einsichtbaren Apotheke das Rezept zusammengestellt wird. "Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass wir mit 3 bis 4 Autos in der Schlange gut fertig werden können, ohne dass beim Kunden der Eindruck entsteht, er habe zu lange gewartet", meint Mr. Chahal. In Stoßzeiten kümmert sich ein Angestellter ausschließlich um den Autoschalter. Ein Telefonbestelldienst und die Rezeptabholung durch Arztpraxen in der Umgebung machen die Drive-Through-Apotheke in den Augen ihres Besitzers noch effektiver. "Es ist doch eine ziemlich altmodische Arbeitsweise, wenn jemand mit chronischen Beschwerden mit seinem Wiederholungsrezept erst in die Apotheke kommen muss, bevor etwas geschieht. Eigentlich sollten wir das Rezept zu diesem Zeitpunkt doch schon zusammengestellt haben, uns um die Beratung des Kunden und dessen Fragen kümmern und uns nicht mit Routinearbeiten aufhalten." Rund 200 Wiederholungs- und vorbestellte Rezepte werden jeden Tag in Mr. Chahals Apotheke in ruhigeren Zeiten bearbeitet.

Mit dem Segen der Apothekerkammer

Gurd Chahal ist sich durchaus im Klaren, dass das Drive-Through Prinzip nur als Teil eines Ganzen funktionieren kann. Der Rest, wie zum Beispiel Standort, Innenausstattung, Merchandising und ein weitreichendes Angebot sind mindestens ebenso wichtig. Das Prinzip auch den Kunden zu verdeutlichen, ist ein weiterer wichtiger Aspekt. "Weil so etwas bisher noch nie realisiert worden ist, muss man den Kunden erst beibringen, das Ganze angemessen zu nutzen. Die Öffentlichkeit assoziiert mit Drive Through vornehmlich Hamburger Restaurants, etwas sehr Unpersönliches. Erst wenn sie zu uns kommen, stellen sie fest, dass es sich hierbei um eine sehr persönliche Interaktion handelt". Auch eine enge Zusammenarbeit mit der Royal Pharmaceutical Society, der britischen "Apothekerkammer", hält Mr. Chahal für unausweichlich. Deren Reaktion auf seine Initiative sei ausgenommen positiv gewesen. Der Erfolg scheint Mr. Chahal recht zu geben. Im Durchschnitt benutzt alle drei Minuten ein Kunde die Drive-Through-Apotheke, rund 37% seines Umsatzes erzielt er heute über das Rezeptabgabefenster. Insgesamt hat er im Verlauf der letzten fünf Jahren eine Umsatzsteigerung von 550% verzeichnen können, und das nicht nur im Bereich der verschreibungspflichtigen Medikamente. Doch Gurd Chahal gesteht selbst ein, dass sehr viel Arbeit in die Planung und letztendlich Verwirklichung gesteckt werden muss, um erfolgreich zu sein. Infrastruktur, demographische Gegebenheiten, ein an das Gebäude anschließender Parkplatz, zahlreiche Arztpraxen und natürlich die Konkurrenz seien entscheidende Faktoren. Letztlich sind da noch die mühsamen und oft zeitaufwendigen Diskussionen mit den Stadtverwaltung.

Vorbild für andere Länder?

Sein Ruf scheint ihm in Europa vorauszueilen, und Gurd Chahal verbringt viel Zeit damit, anderen das Konzept zu erklären. Interessenten aus Frankreich, Spanien, Portugal, Österreich und Deutschland sind bei ihm vorstellig geworden. Zusätzlich hat er sein Konzept bereits an finnische Apotheken verkauft. Und auch bei den englischen Apothekenketten scheint dieser neue Ansatz nicht unbemerkt zu bleiben. Boots hatte vor drei Jahren Interesse daran gezeigt, ihm die jetzige Drive-Through-Apotheke abzukaufen, doch er lehnte dankend ab. ASDA scheint unterdessen fest dazu entschossen zu sein, im September diesen Jahres seine eigene Drive-Through-Apotheke in Südengland zu eröffnen. Mr. Chahal selbst will sein zweites Drive-Through-Projekt ebenfalls im September starten, diesmal in der Haupteinkaufstraße einer Kleinstadt. Duran erwarb eine unrentable Lloyds-Apotheke in West Bromwich sowie den Supermarkt gegenüber. Ungefähr die Hälfte der 4000m2 des ehemaligen Supermarktes sollen nun zur Apotheke umfunktioniert werden, inklusive vier Behandlungszimmer. Die andere Hälfte soll zu gegebener Zeit zu einem Gesundheits- und Fitnesszentrum werden, während die einstige Lloyds-Apotheke zukünftig homöopathische Produkte verkaufen soll. 30 bis 40 Parkplätze sollen hinter der Drive-Through-Apotheke eingerichtet werden, es bleibt jedoch bei einem Autoschalter. Falls benötigt könnte zu einem späteren Zeitpunkt ein separates Fenster für OTC-Präparate eingebaut werden. Fünfzehn Angestellte soll das neue Unternehmen haben, davon voraussichtlich zwei Apotheker. Um das Projekt finanzieren zu können haben Gurd Chahal und seine Frau zwei ihrer vier Apotheken verkauft, um die für den Umbau nötigen Mittel frei zu machen. Er rechnet mit Kosten bis zu £1,6 Mio. Doch besorgt ist er deswegen keineswegs. "Wir werden eindeutig beweisen können, dass das Konzept auch im Stadtzentrum funktioniert. Wir werden die Drive-Through-Apotheke zu einem Erfolg für unabhängige Apotheken machen, während ASDA/Wal-Mart es zu einem Erfolg auf Großunternehmensebene machen werden." Er vermutet, dass in diesem Falle den anderen großen Apothekenketten nichts anderes übrig bleiben wird als nachzuziehen.

Autoschalter-Apotheke - die Zukunft der Apotheke?

Gurd Chahal ist von seinem Konzept überzeugt. Er ist sogar der Ansicht, dass in Zukunft, wo immer eine solche Drive-Through existiert, in einem 10 bis 15 Meilen Radius davon keine traditionelle Apotheke mehr existieren könne. "Ich sage nicht, dass die unabhängigen Apotheken alle untergehen werde, doch wenn das System in unserem Lande auch weiterhin darauf beruht, wie viele Rezepte man abgibt, dann werden die anderen es schwer haben." Was seine eigene Firma, Duran, anbetrifft stellen sich ihm nun zwei Möglichkeiten: entweder organisch zu wachsen, eine Apotheke nach der anderen, oder aber sich mit einem großen Unternehmen zusammen zu tun, das die nötige Infrastruktur besitzt. "Wir wollen nicht Hunderte von Drive-Through-Apotheken", sagt Mr. Chahal, "schon wegen der fehlenden Anzahl an Apothekern. Wir benötigen gut ausgebildete Pharmazeuten, die Neuem gegenüber aufgeschlossen sind." In seiner neuen Apotheke wird eine Managerin die Leitung übernehmen, damit der Apotheker sich vollständig der Arzneimittelabgabe widmen kann. Gurd Chahal: "In einer sich immer schneller verändernden Welt muss man innovativ bleiben und die Pharmazie immer wieder neu konzipieren, damit wir unsere Position als professioneller Heilberuf im Gesundheitswesen wieder für uns behaupten können - die Möglichkeiten sind endlos."

Die erste Autoschalter-Apotheke in Europa wurde im englischen Städtchen Norton Canes in der Nähe von Birmingham von Duran Chemist eröffnet. Lässt sich das Konzept des "drive and go" erfolgreich auf die Apotheke übertragen? Was in Deutschland per Gerichtsurteil im Jahr 1998 verboten wurde, wird in England als die Zukunft der Apotheke gefeiert. Die DAZ hat Mr. Chahal, den Initiator des Konzeptes, in seiner Apotheke besucht, um diese Frage und das Prinzip hinter der Drive-through-Pharmacy zu diskutieren.

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