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Klinische Pharmazie – ein gemeinsames Anliegen aller Apotheker

MÜNSTER (was). Die Pharmazie befindet sich weltweit in einer Krise. Kritische Stimmen fragen: "Sind Apotheker überhaupt nötig?" "Ja, mehr denn je", behauptete Prof. Dr. Hartmut Derendorf aus Gainesville, Florida, bei einer Fortbildungsveranstaltung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe am 24. Juni in Münster. Eine wichtige Aufgabe für alle Apotheker ist seiner Ansicht nach die klinische Pharmazie.

Was ist klinische Pharmazie?

Klinische Pharmazie ist patientenorientierte Pharmazie, die die Philosophie der pharmazeutischen Betreuung (Pharmaceutical Care) umsetzt. Ihr Ziel ist der optimale Einsatz des Arzneimittels. Ein Vergleich aus der Computerwelt veranschaulicht es: Die bisher vorherrschende Aufgabe des Apothekers, Arzneimittel von hoher Qualität abzugeben, ist nur die "Hardware". Die Anleitung des Patienten, wie er das Arzneimittel optimal anwendet, stellt die "Software" dar. Diese wichtige Aufgabe sollten Apotheker wahrnehmen und bereit sein, Verantwortung für eine optimale Arzneimitteltherapie zu übernehmen. Klinische Pharmazie beschränkt sich nicht auf Krankenhausapotheker. Sie lässt sich auf vielen verschiedenen Gebieten einsetzen, auch in der öffentlichen Apotheke. Sie ist eine Aufgabe für alle Apotheker.

Beispiele aus den USA

In den USA hat die klinische Pharmazie besonders in den Krankenhäusern Fuß gefasst und die Tätigkeit der Krankenhausapotheker vollständig verändert. Auf den Stationen wurden Satellitenapotheken eingerichtet. Die Apotheker spezialisieren sich (zum Beispiel in Onkologie, Kardiologie oder Pädiatrie). Sie nehmen zusammen mit den Ärzten an den Visiten teil. Sie sind insbesondere für das Drug Level Monitoring und Dosis-Bestimmungen verantwortlich, ein kompliziertes Gebiet, das die Ärzte gern den Apothekern überlassen. Die Zahl der Apotheker pro Krankenhaus hat dramatisch zugenommen, sodass heute eine Klinik mit 650 Patienten knapp 40 Apotheker zählen kann. Eine relativ neue Entwicklung in den USA sind Gruppenpraxen. Hier schließen sich Ärzte mit einem Apotheker zusammen. Der Apotheker übernimmt die Beratung der Patienten und der Ärzte zu den Arzneimitteln sowie das Drug Monitoring. Er gibt keine Arzneimittel ab. Eine weitere Umsetzung der klinischen Pharmazie sind Arzneimittel-Informationszentralen. Diese befinden sich in den USA meist an den Universitäten und sind für Anfragen der Heilberufe zu Arzneimitteln zuständig.

Die richtigen Bedingungen

Was sind die Voraussetzungen, um klinische Pharmazie umsetzen zu können?

  • Eine gute Zusammenarbeit innerhalb des Berufsstandes (Apotheke, Krankenhaus, Universität, Industrie, Behörde, Standesorganisation).
  • Eine gute Zusammenarbeit mit anderen Heilberufen, vor allem mit den Ärzten. Hier gilt es, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Es sollte keine scharfe Grenze zwischen den Tätigkeiten gezogen werden; Überlappungen wird es immer geben. Der Apotheker darf sich nicht als Polizist aufspielen.
  • Neue Technologien nutzen: Informationstechnologien, wie Internet und E-Mail. Ideal wäre auch die Einführung einer Patienten-Chipkarte, die für Arzt, Apotheker, Krankenhaus und Patient lesbar ist. Sie könnte Krankengeschichte, Laborwerte und eine möglichst vollständige Medikationsliste enthalten. Die Apotheken könnten als Service das Ausdrucken des Karteninhalts anbieten.
  • In Zukunft auch Automatisierung der Arzneimittelabgabe (Kommissionier-Automaten). So gewinnt der Apotheker mehr Zeit für die Beratung.

Ein Blick in die Buchläden zeigt es: In der Bevölkerung besteht ein enormer Bedarf an Informationen über Arzneimittel. Diesem Aufklärungsbedarf sollten sich die Experten auf diesem Gebiet - die Apotheker - stellen.

Eine Wissenschaft

Auch an den Universitäten sollte die klinische Pharmazie ihren Platz finden. Genau wie die anderen pharmazeutischen Fachdisziplinen ist sie eine wissenschaftliche (wenn auch nicht rein naturwissenschaftliche) Disziplin. Sie umfasst die Gebiete Pharmakokinetik, Pharmakodynamik, therapeutische Fragen, Pharmakoepidemiologie und Kommunikation. Von der Umsetzung der klinischen Pharmazie profitiert nicht nur der Patient. Auch die Gesellschaft wird durch die Abnahme der Gesamttherapiekosten entlastet. Und nicht zuletzt gewinnt der Apotheker durch die neue, befriedigende Aufgabe: Freude am Beruf und in Zukunft wohl auch eine adäquate Vergütung seiner Beratungstätigkeit.

Kritische Stimmen fragen: "Sind Apotheker überhaupt nötig?" "Ja, mehr denn je", behauptete Prof. Dr. Hartmut Derendorf aus Gainesville, Florida, bei einer Fortbildungsveranstaltung in Münster. Eine wichtige Aufgabe für alle Apotheker ist seiner Ansicht nach die klinische Pharmazie.

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