Kongress

Dermopharmazie – Bericht von der 4. Jahrestagung der GD in Frankfurt

Am 23./24. Mai 2000 fand in Freiburg die 4. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) statt. Die Vorträge und Workshops spiegelten das breite Spektrum der Dermopharmazie wider und befassten sich unter verschiedenen Aspekten mit der Kosmetik, der Magistralrezeptur, dem Recht und ausgesuchten therapeutischen Fragestellungen.

Wie Prof. Dr. Erwin Schöpf aus Freiburg, Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, in seinem Grußwort hervorhob, hat sich der Aufgabenbereich der Dermatologie in den vergangenen Dekaden stark gewandelt. Waren zu Beginn und in der Mitte des letzten Jahrhunderts vor allem Geschlechtskrankheiten die Domäne der Dermatologie, stehen heute zunehmend Allergien, Hauttumoren und Folgen vaskulärer Erkrankungen im Vordergrund.

An einem Hauptproblem der Patienten, ihrer Stigmatisierung aufgrund der sichtbaren, oftmals als abstoßend empfundenen Hautveränderungen, hat sich allerdings nicht viel geändert. Möglicherweise hat sogar in einer Zeit, die wesentlich von Wellness und Lifestyle geprägt ist, der Leidensdruck für den Patienten zugenommen. Daraus ergibt sich neben einer effizienten kurativen Therapie eine weitere wichtige Aufgabe für die Dermopharmazie: mit Hilfe der kosmetischen Dermatologie zu einer Verbesserung der Lebensqualität beizutragen.

NRF-Rezepturen vorziehen

Angesichts der Tatsache, dass rund 80 bis 90% der dermatologischen Patienten mit Topika behandelt werden, sind im Einzelfall weiterhin Magistralrezepturen notwendig. Nach Möglichkeit sollte hier auf NRF-Rezepturen zurückgegriffen und auf eine gute technologische und mikrobiologische Qualität geachtet werden. Allerdings ist nach Ansicht von Prof. Dr. Schöpf nicht jede in der Praxis verordnete Individualrezeptur erforderlich; sie könnte oftmals durch ein industriell gefertigtes Produkt ersetzt werden.

Bewertung durch den Fachmann

Prof. Dr. Frank Hevert, Leiter der Fachgruppe Dermatopharmakologie der GD, wies auf das öffentliche Interesse an kosmetischen Themen hin, das sich in zahlreichen Publikationen der Laienpresse widerspiegelt. Dieses verbreitete Interesse hat allerdings auch zur Folge, dass sich zahlreiche Testmagazine dieses Themas annehmen und eine Bewertung unter bisweilen laienhaften und fragwürdigen Gesichtspunkten vornehmen. Gerade ein so komplexes Fachgebiet wie die Dermokosmetik bedarf einer fundierten Beurteilung unter wissenschaftlichen, seriösen Kriterien und sollte nur von kompetenter Seite aus erfolgen.

Kosmetika gegen Hautalterung

Die Haut ist zahlreichen Umwelteinflüssen wie UV-Strahlung, Ozon, Smog oder Zigarettenrauch ausgesetzt. Die dabei entstehenden freien Radikale verursachen in der Haut oxidativen Stress, was sich unter anderem in einer Membranschädigung, Veränderungen im Metabolismus, in einer gestörten Enzymaktivität und DNA-Schäden manifestieren kann. Äußerlich macht sich dies in einer schnelleren Hautalterung und lichtinduzierten Hautschäden bis hin zu Hauttumoren bemerkbar. Mit Vitamin C und Vitamin E sowie dem Redoxsystem Coenzym Q10 besitzt die Haut ein körpereigenes Schutzsystem, das die Wirkung freier Radikale abschwächen kann. Vitamin C wirkt im hydrophilen Bereich antioxidativ und kann oxidiertes Vitamin E regenerieren.

Das lipophile Vitamin E ist in der Zellmembran lokalisiert. Unter Lichteinfluss wird es verbraucht, es ist aber kein Lichtschutzfilter. Coenzym Q10 (Ubichinon) und seine reduzierte Form (Ubichinol) wirken als Antioxidanzien und Elektronenüberträger an der inneren mitochondrialen Membran, finden sich aber auch im endoplasmatischen Retikulum, im Golgi-Apparat, in Lysosomen und in Plasmamembranen. Ubichinol ist zudem in der Lage, oxidiertes Vitamin E zu reduzieren, und ist dasjenige Antioxidans, welches nach oxidativem Stress als erstes in der Haut verbraucht wird. Im Zuge der Organalterung nehmen die endogenen Spiegel von Coenzym Q10 deutlich ab.

Vitamine in Kosmetika

Vitamin A, C und E sowie Coenzym Q10 können der Haut als Externa zugeführt werden. Bei der Freisetzung von Vitamin E spielt die Salbengrundlage eine wesentliche Rolle. Vitamin E wird aus W/O-Emulsionen stärker und schneller freigesetzt als aus O/W-Zubereitungen. Zudem kann die Penetration von Vitamin E durch Liposomen beschleunigt und dadurch mehr Vitamin E durch die Hornschicht aufgenommen werden.

Topisch appliziertes Coenzym Q10 ist in der Lage, die Bildung freier Radikale zu vermindern, was in vitro an kultivierten humanen Keratinozyten und in vivo (gemessen mit der Chemolumineszenz-Methode) gezeigt werden konnte. Durch Langzeitanwendung einer Coenzym-Q10-haltigen Creme kann die Faltentiefe der Gesichtshaut deutlich reduziert werden.

Vitamin A wird in Externa hauptsächlich in Form des Acetats oder des Palmitats eingesetzt. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass diese Vitamin-A-Ester in die Haut eindringen und dort die durch Sonnenstrahlen und Umwelteinflüsse geschädigte Altershaut bis zu einem gewissen Grad wieder normalisieren. Dies zeigt sich u. a. in einem Anstieg der Mitose- und Enzymaktivität sowie einer Normalisierung der Keratin- und Epithelbildung.

In einer aktuellen Studie wurde festgestellt, dass Vitamin-A-Palmitat gegen Schuppen wirkt und deshalb auch in Haarpflegeprodukten verwendet werden kann. Ferner erscheint der Zusatz von Vitamin-A-Palmitat in After-sun-Produkten sinnvoll, da während der Sonneneinstrahlung der Vitamin-A-Gehalt der Haut absinkt.

In-vitro-Hautmodelle

Zur systematischen Bewertung neuer Kosmetikwirkstoffe stehen unterschiedliche Hautmodelle zur Verfügung. Ein erstes Substanz-Screening, mit dem potenziell wirksame Substanzen von den unwirksamen getrennt werden, erfolgt in Zellkulturen mit Fibroblasten. In einer zweiten Stufe wird der Wirkstoff in einem In-vitro-Hautmodell geprüft. Dieses Modell enthält Dermis, Epidermis und Hornschicht und ist somit der menschlichen Haut nachempfunden.

Insbesondere wird bei Untersuchungen mit diesem Modell die Barrierefunktion der Haut berücksichtigt; auch Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Hautschichten können erfasst werden. Das Modell eignet sich ferner zu toxikologischen Studien, zur Grundlagenforschung und zu Wirksamkeitsnachweisen. In einer letzten Stufe folgen dann die In-vivo-Prüfungen an ausgewählten Probanden.

Tacrolimus bei atopischer Dermatitis

Seit zwei bis drei Jahren wird das Immunsuppressivum Tacrolimus äußerlich bei atopischer Dermatitis eingesetzt, da bei dieser Hauterkrankung eine Störung des Immunsystems besteht. Die lokale Wirkung von Tacrolimus auf die Haut wird über verschiedene Zelltypen des Immunsystems wie z. B. T-Zellen, Antigen-präsentierende Zellen und inflammatorische Zellen vermittelt. Das lipophile Tacrolimus wird von der Zelle aufgenommen und verbindet sich dort mit einem speziellen Protein. Dieser Protein-Tacrolimus-Komplex verhindert in mehreren Zwischenstufen eine Aktivierung der T-Zellen und führt unter anderem zu einer Down-Regulation von IgE.

Es konnte gezeigt werden, dass Tacrolimus nur durch die entzündete, kranke Haut penetrieren kann. Das bedeutet, dass auch bei längerer Anwendung nicht mit einer Immunsuppression zu rechnen ist. So wurde auch beim Recall-Antigen-Test, einer Methode zur Analyse der zellulären Immunität, kein Einfluss von Tacrolimus auf das zirkulierende Immunsystem festgestellt.

Studien mit Tacrolimus

Bislang wurden mehrere randomisierte Studien mit Tacrolimus über kurz- und langfristige Beobachtungszeiträume durchgeführt. Kurzzeittherapie-Studien mit Tacrolimus zeigten hohe Wirkungsraten, wobei die Besserung bereits innerhalb der ersten Therapietage eintrat. Im Rahmen einer europäischen, multizentrischen Studie wurde eine 0,1%ige Tacrolimus-Salbe bei 316 Erwachsenen mit mäßiger bis schwerer atopischer Dermatitis bis zu einem Jahr lang eingesetzt. Die klinische Besserung stieg während der ersten Behandlungsmonate kontinuierlich an und blieb auch unter der Langzeittherapie bestehen. Als häufigste unerwünschte Wirkung wurde eine lokale Hautreizung beobachtet.

In einer weiteren Studie wurden die Auswirkungen der Tacrolimus-Therapie auf die Kollagensynthese untersucht. Bei einem Vergleich zwischen Plazebo, Betamethason und Tacrolimus konnte gezeigt werden, dass Tacrolimus die Kollagensynthese nicht beeinflusst, wohingegen Betamethason das Prokollagen I um rund 20% und das Prokollagen III um rund 40% reduziert. Zusätzlich verursachte Betamethason eine sieben- bis achtprozentige Abnahme der Hautdicke. Bei der Langzeitanwendung von Tacrolimus hingegen wurde sogar eine Verdickung der Haut beobachtet.

Für eine abschließende Bewertung von Tacrolimus bei atopischer Dermatitis liegen noch zu wenig Daten vor. Falls auch bei Langzeitanwendung keine Immunsuppression erfolgt und keine steroidtypischen Nebenwirkungen wie Atrophien auftreten, könnte Tacrolimus das therapeutische Arsenal zur Behandlung atopischer Ekzeme erweitern.

Androgene beeinflussen die Haut

Die auf der Haut und ihren Anhangsorganen verstoffwechselten Androgene spielen eine wichtige Rolle in der Homöostase der Haut. Das Fehlen oder die verstärkte Synthese bestimmter Androgene kann zu Hauterkrankungen wie z. B. zu Akne oder zur androgenetischen Alopezie führen. Die Akne wird wahrscheinlich durch einen Isotyp (Isotyp 1) der 5-α-Reductase mitvermittelt, während die androgenetische Alopezie durch den Isotyp 2 dieses Enzyms getriggert wird. Theoretisch könnte nun durch eine Hemmung oder Beeinflussung dieser Enzyme der Hautzustand verbessert bzw. die Alopezie gemindert werden.

Belegt ist die Wirkung von topisch applizierten Hemmern der 5-α-Reductase wie z. B. von Progesteron auf die Sebum-Exkretion und die 5-α-Reductase-Aktivität der Talgdrüsen in vivo. Für die Haarfollikel ist die Hemmung der 5-α-Reductase in vivo lediglich durch die systemische Gabe von Finasterid (Propecia®) belegt. Es ist theoretisch denkbar, dass in Zukunft durch die selektive Hemmung weiterer Enzyme des Steroidstoffwechsels bestimmte Formen der Akne oder die androgene Alopezie therapiert werden können.

Topische Therapie der androgenetischen Alopezie

Eine andere Möglichkeit zur Behandlung der androgenetischen Alopezie ist die topische Applikation von Minoxidil. Der genaue Wirkmechanismus dieses Antihypertensivums ist noch nicht bekannt. Minoxidil fördert den Haarwuchs, indem es die Wachstumsphase verlängert und miniaturisierte Follikel vergrößert. Es greift nicht in den Hormonstoffwechsel ein.

Minoxidil wurde in mehreren doppelblinden, plazebokontrollierten Studien geprüft, zuletzt in einer amerikanischen Multicenter-Studie mit knapp 400 Männern im Alter von 18 bis 49 Jahren, die eine androgenetische Alopezie aufwiesen. Dabei wurde Minoxidil während 48 Wochen in einer zwei- und fünfprozentigen Lösung verabreicht. Zur Überprüfung der Wirksamkeit wurde unter anderem die Anzahl kräftiger Terminalhaare auf einem 1 cm² großen Bereich der Kopfhaut gezählt. Mit der fünfprozentigen Lösung wurden hier die besten Resultate erzielt (nach 8, 16 und 48 Wochen eine Zunahme um 30, 35 und 19 Haare). Im Hinblick auf Blutdruck, Puls, Körpergewicht, EKG, Libido und Potenz gab es keine Unterschiede zwischen der Verum- und der Plazebogruppe. Gelegentlich traten Rötungen und Juckreiz der Kopfhaut auf.

Die für September 2000 erwartete Zulassung der fünfprozentigen Minoxidil-Lösung (Regaine) wird zunächst auf die Therapie der androgenetischen Alopezie bei Männern beschränkt sein; denkbar wäre allerdings auch eine Behandlung des Haarausfalls bei Frauen.

Weitere Themen

In Einzelvorträgen und Workshops wurden weitere Wirkstoffe, galenische Formulierungen und aktuelle Therapieprinzipien vorgestellt. So wurden unter anderem das Patientenmanagement beim atopischen Ekzem, die PUVA-Therapie oder die gezielte follikuläre Keratolyse mit Milchsäure bei milden Akneformen besprochen. Ein Satellitensymposium befasste sich ausführlich mit dem synthetischen Gerbstoff Tamol und dessen Anwendung in der Pädiatrie und Wundheilung.

Coenzym Q10 in Stichworten

- Konzentration altersabhängig in vielen Organen vermindert - Konzentration in Epidermis zehnmal höher als in Dermis - breiter Einsatz in Nahrungsergänzungsmitteln und Kardioprotektiva - wichtiges Antioxidans der Haut - regeneriert Vitamin E - aufgrund seiner Redoxeigenschaften wichtig für die Atmungskette

Anti-Ageing-Produkte

Externa, die zum Schutz vor Hautalterung angeboten werden, sollten die Antioxidanzien Vitamin C und E sowie Vitamin A enthalten. Als weitere Wirkstoffe kommen Panthenol, linolsäurereiche Pflanzenöle wie Borretsch- oder Nachtkerzenöl sowie eventuell UV-Filter in Frage.

Tacrolimus

Tacrolimus, ein Makrolid mit einer Molekularmasse von 822 Dalton, ist ein Stoffwechselprodukt aus dem Bakterium Streptomyces tsukubaensis. Tacrolimus beeinflusst die zelluläre und humorale Immunantwort. Wie Ciclosporin hemmt Tacrolimus die T-Zell-Aktivierung durch hochaffine Bindung an das Immunophilin Macrophilin. Dieser Tacrolimus-Macrophilin-Komplex hemmt die calciumabhängige Protein-Phosphatase-Aktivität des Calcineurin-Calmodulin-Komplexes. Dadurch wird in den T-Zellen der Informationsfluss zwischen Membran und Kern unterbrochen. Die Transkription des Interleukin-Gens und anderer Zytokin-Gene unterbleibt. Außerdem wird die Lymphokinin-Produktion und die Proliferation zytotoxischer T-Zellen (Killerzellen) unterdrückt. In Deutschland besitzt Tacrolimus (Prograf) eine Zulassung als Immunsuppressivum bei drohender Transplantatabstoßung und bei Autoimmunerkrankungen.

Dermopharmazie - ein junges Fach

Die Dermopharmazie ist ein relativ junges, interdisziplinäres Fach, das sich mit der Prävention und Therapie von Hauterkrankungen befasst. Darin arbeiten Dermatologen, Krankenhaus- und Offizinapotheker sowie Mitarbeiter der pharmazeutischen und chemischen Industrie zusammen. Zur Koordination der entsprechenden Aktivitäten wurde 1995 in Eschborn die Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) gegründet.

Bislang bestehen folgende Fachgruppen: - Dermatopharmakologie - Dermatotherapie - Dermokosmetik - Magistralrezepturen Internet: www.gd-online.de

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