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Liberalisierung der Apotheken in Skandinavien: Wohin steuert das Apothekenwese

(tmb). Das Apothekensystem in Dänemark gehört bisher zu den weltweit am strengsten regulierten Strukturen für die Arzneimittelversorgung. Doch könnte sich dies bereits zum Ende dieses Jahres ändern. Denn die dänische Regierung verspricht sich von einer Liberalisierung enorme Ersparnisse in der Arzneimittelversorgung. Daher wird derzeit an Reformvorschlägen gearbeitet, die im Sommer vorliegen dürften. Bis dahin sind die Apotheker von den verschiedensten Gerüchten aufgeschreckt, wie weit die erwarteten Liberalisierungen gehen werden.

Aus deutscher Sicht ist die Entwicklung in Dänemark besonders interessant, da dies neben Deutschland eines der wenigen verbliebenen EU-Länder mit einem strikten Fremd- und Mehrbesitzverbot ist. Die DAZ sprach mit Peter Zethner-Møller, Informationschef der Gesellschaft dänischer Apotheker, über die Hintergründe, Erwartungen und möglichen Strategien der dänischen Apotheker in dieser unübersichtlichen Situation. Für ihn bilden die starken Liberalisierungstendenzen in der skandinavischen Politik der letzten Jahre den Hintergrund der jüngsten Entwicklung. Die ökonomische Erfahrung, dass Wettbewerb zu mehr Kundenservice und geringeren Preisen führt, werde in einer ideologisch motivierten Betrachtungsweise auf alle Bereiche angewendet. Dies hat bereits zu verschiedenen Privatisierungen im dänischen Gesundheitswesen geführt, beispielsweise im Rahmen der Pflege.

Extrem reglementiertes System in Dänemark

Aus einer liberalen Perspektive muss das bisherige dänische Apothekensystem sehr irritieren: Die Zahl der Apotheken liegt fest und ist sehr gering. Junge Apotheker haben keine Chance, eine Personalkonzession zu erhalten. Die Preise sind einheitlich, vergleichbar mit der Regelung in Deutschland, aber auf höherem Niveau. Umsatzstarke Apotheken müssen über einen Fonds schwache Apotheken subventionieren.

Im November 1999 wurde in einem Bericht der Regierung behauptet, mit einer Liberalisierung dieses Systems ließen sich Milliarden Kronen bei der Arzneimittelversorgung einsparen. Daraufhin beauftragten Regierung und einige Oppositionsparteien das Gesundheitsministerium, einen Reformentwurf zu erarbeiten. Die Veröffentlichung wird für Juli erwartet. Dann besteht die Chance für eine umfassende öffentliche Diskussion, da ein Gesetz frühestens nach der parlamentarischen Sommerpause im Oktober beschlossen werden kann.

Bis dahin stellt sich die Frage, wie weit die Politiker bei der erwarteten Liberalisierung gehen wollen. Für Peter Zethner-Møller spricht die sozialdemokratische Gesundheitsministerin eher für eine gemäßigte Reform. Doch zeige sich der sozialdemokratische Ministerpräsident gegenüber liberalen ökonomischen Ideen im Allgemeinen sehr aufgeschlossen.

Ketten stehen schon bereit

Als Extremfall befürchten die dänischen Apotheker eine vollkommene Liberalisierung mit freien Preisen, Niederlassungsfreiheit und der Zulassung von Fremdbesitz und damit auch Mehrbesitz. So sollen bereits Vertreter der britischen Apothekenkette Lloyds nach den Preisen für dänische Apotheken gefragt haben. Im Falle einer Liberalisierung könnten die Besitzer großer Apotheken zu den Hauptgewinnern gehören, da Ketten für solche eingeführten Standorte hohe Preise zahlen dürften. Neugründungen müssten sich dagegen erst langsam etablieren.

Im Zusammenhang mit den möglichen Veränderungen sieht Zethner-Møller auch das jüngste Engagement des deutschen Pharmagroßhändlers Phoenix, der Anteile des dänischen Großhändlers Nomeco übernommen hat. Dies könnte auf eine künftige Allianz zwischen Phoenix und dem finnischen Großhändler Tamro hindeuten, der eine starke Stellung am skandinavischen Markt hat.

Deutsches System als sinnvolle Kompromisslösung

Die Organisationen der dänischen Apothekerschaft setzen den extremen Szenarien das Angebot zu einer begrenzten Liberalisierung entgegen. Vorbild ist dabei offensichtlich das deutsche System mit Niederlassungsfreiheit, aber ohne Ketten und Preiswettbewerb. Für die Niederlassungsfreiheit dürften sich besonders junge Apotheker aussprechen, die sonst keine Chance auf Selbstständigkeit hätten. Dabei solle weiterhin "hinter jeder Tablette ein Apotheker stehen".

Diese Forderung wendet sich gegen Arzneimittel aus Supermärkten und gegen Apotheken-Fremdbesitz. Ähnlich den deutschen Kollegen befürchten auch viele dänische Apotheker, dass Kapitalgesellschaften als Besitzer von Apotheken der Beratung und ggf. auch dem Abraten von einer Medikation nicht genügend Zeit einräumen würden. Doch sehen die Dänen auch Gefahren in zu kleinen Apotheken, in denen es an Personal für die pharmazeutische Betreuung fehlen könnte.

Die dänischen Apotheker verweisen auf die hohe Arzneimittelsicherheit und die Qualitätssicherung in ihrem System. Dies hat seine Leistungsfähigkeit über Jahrzehnte bewiesen. Demgegenüber seien die erwarteten Einsparungen bei einem Systemwechsel nur unbewiesene Behauptungen. So bleibe die Frage nach der Rechtfertigung für eine Reform letztlich offen.

Preisvergleiche statt pharmazeutische Leistung

Als weiteres Argument gegen einen Systemwechsel führt Zethner-Møller die vollkommene Liberalisierung des Apothekenwesens in Island an. In dem extrem dünn besiedelten Land gibt es außerhalb der Hauptstadt kaum noch Apotheken. In der Hauptstadt verbringen Apotheker und Kunden einen großen Teil ihrer Zeit mit Preisvergleichen, häufig auch mit telefonischen Anfragen. Diese Zeit geht für die pharmazeutische Beratung verloren. Außerdem drohe nun in dem kleinen Land eine Apothekenkette alle Wettbewerber zu verdrängen. An die Stelle des früheren Festpreissystems trete damit ein privatwirtschaftliches Monopol, das langfristig zu erheblichen Preiserhöhungen führen dürfte.

Noch abzuwarten bleibt die Entwicklung in Norwegen. Dort sind auch nach der Liberalisierung die OTC-Arzneimittel apothekenpflichtig geblieben, aber das System wurde kürzlich für Ketten geöffnet. Aufgrund der besonders großen Verbreitung des Internets in Skandinavien erscheinen dort auch e-pharmacund Versandapotheken denkbar. Für Zethner-Møller wäre dies eine diskutable Lösung, solange Apotheker für Arzneimittelsicherheit und Information sorgen und nicht das Sparen im Vordergrund stehe.

Nach seinen Erfahrungen in Dänemark sollten sich Apotheker bei Liberalisierungstendenzen auch in anderen Ländern nicht grundsätzlich allen Reformen verschließen. Sie sollten vielmehr durch eigene Vorschläge versuchen, neue Tendenzen aufzunehmen, dabei aber die Arzneimittelsicherheit aufrechtzuerhalten.

Zitate

"Noch gehört das Apothekenwesen in Dänemark zu den weltweit am strengsten regulierten Strukturen für die Arzneimittelversorgung. Doch bereits zum Ende diesen Jahres könnte sich dies ändern. Ketten stehen in den Startlöchern."

"Den extremen Zukunftsszenarien wie Fremd- und Mehrbesitz setzten die dänischen Apotheker lieber eine begrenzte Liberalisierung entgegen. Vorbild dafür könnte das deutsche System mit Niederlassungsfreiheit ohne Ketten und ohne Preiswettbewerb sein."

Peter Zethner-Møller, Informationschef der Gesellschaft dänischer Apotheker

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