Berichte

Thrombosen und Leukämien – zwei Indikatoren mit starkem Arzneimitteleinsa

Eine wichtige Gemeinsamkeit verband die beiden pharmakologisch orientierten Vorträge während der diesjährigen Mitgliederversammlung des Bundesverbands krankenhausversorgender Apotheker (BVKA) am 10. und 11. Mai in Bad Homburg. Dabei ging es um die antithrombotische Therapie und um die Dosiseskalation in der Onkologie. Beide Gebiete haben große pharmakoökonomische Bedeutung, da hier kostenintensive Arzneimitteltherapien stattfinden. So ist die Beratungskompetenz des Apothekers hier sowohl in pharmazeutischer als auch in ökonomischer Hinsicht besonders gefragt.

Priv.-Doz. Dr. H.-G. Olbrich, Halle, betonte die Komplexität der Blutgerinnung. Sogar die schwer überschaubare Gerinnungskaskade bildet nur einen Ausschnitt des Systems der Hämostase. Dieses beginnt bereits mit der Freisetzung von Gewebefaktoren, nachdem das Endothel verletzt wurde. Außer durch das Gleichgewicht von Gerinnung und Fibrinolyse wird die Hämostase durch die zumeist prokoagulatorisch wirksamen Blutplättchen und durch die Endothelfunktion gesteuert. Im Endothel wirken sowohl prothrombotische als auch antithrombotische Mechanismen.

Die Gerinnungskaskade enthält vielfältige sich selbst verstärkende, aber auch negativ wirksame Rückkopplungsschritte und bietet damit viele pharmakologische Angriffspunkte. Eine herausragende Stellung nimmt das Antithrombin ein, das diverse Gerinnungsfaktoren in mäßiger Intensität inaktiviert. Durch die Bindung an Heparin wird dieser Effekt um das 300000fache verstärkt, was die antithrombotische Wirkung des Heparins erklärt.

Klassische Antithrombotika

Noch vor wenigen Jahren beschränkte sich das Spektrum der Antithrombotika auf Heparin, Vitamin-K-Antagonisten, Acetylsalicylsäure und Dipyridamol. Vorteile des Heparins sind der sofortige Wirkungseintritt, die gute Steuerbarkeit und die Umkehrbarkeit der Wirkung durch ein Antidot. Für die Vitamin-K-Antagonisten spricht die orale Verfügbarkeit, die in der Langzeitanwendung vorteilhaft ist.

Nachteile beider Wirkprinzipien sind jeweils die geringe therapeutische Breite und die sehr variable Dosis-Wirkungs-Beziehung mit hohen interindividuellen Unterschieden. Hierfür ist insbesondere die hohe Proteinbindung der Wirkstoffe verantwortlich. Da die Proteinausstattung zeitlich schwankt, z.B. durch Entzündungsvorgänge, erfordern diese Arzneimittel ein regelmäßiges Monitoring.

Niedermolekulare Heparine

Doch stehen inzwischen verschiedene neuere Substanzen als Alternativen zur Verfügung. So binden die niedermolekularen Heparine besser an Proteine und sind daher eher in ihrer Wirkung planbar. Dadurch könne, so Olbrich, die Wirksamkeitskontrolle entfallen, was die Anwendung erheblich praktikabler gestaltet.

Die verschiedenen Vertreter der Substanzklasse unterscheiden sich durch verschieden starke Wirkungen auf die Gerinnungsfaktoren Xa und IIa. Demnach müssten sie in jeweils eigenen Studien getrennt beurteilt werden. Doch betrachtet Olbrich die Substanzen als vergleichbar, wenn dabei das Verhältnis der Wirkung auf die Faktoren Xa und IIa berücksichtigt wird.

Nach den vorliegenden Studien seien die niedermolekularen Heparine den klassischen unfraktionierten Heparinen in der Prophylaxe zumindest ebenbürtig, in einigen Bereichen sogar überlegen. Mit den klassischen Heparinen lassen sich stets gleichwertige Ergebnisse erzielen, wenn deren Dosis anhand der Wirkung individuell eingestellt wird. Doch ist dies mit einem kaum praktikablen Aufwand verbunden. Dagegen reicht bei den niedermolekularen Heparinen sogar die einmal tägliche Dosierung gegenüber den sonst nötigen zwei bis drei täglichen Dosen.

In der Therapie der tiefen Beinvenen-Thrombosen seien die niedermolekularen gegenüber den unfraktionierten Heparinen in den meisten Studien gleich, teilweise sogar besser wirksam. Der entscheidende Vorteil ist auch hier die leichte Anwendbarkeit.

Pharmakoökonomische Bewertung

Olbrich berichtete von Kalkulationen, nach denen die einfachere Handhabung ohne Monitoring den höheren Preis der niedermolekularen Heparine gegenüber unfraktioniertem Heparin überkompensiere. Demnach wären die niedermolekularen Heparine ökonomisch vorteilhaft.

Weitere neuere Arzneimittel

Außerdem tritt die Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) unter den niedermolekularen Heparinen erheblich seltener auf. Klinisch bedeutend ist dabei nach Einschätzung von Olbrich nur die nach etwa fünf Tagen mögliche antikörpervermittelte HIT II, die etwa einen von 250 Patienten betrifft. Dabei müssen alle Heparine abgesetzt werden. Es bieten sich dann Danaparoid, Lepirudin und Hirudin als Alternativen an. In Japan wurde inzwischen auch Argatroban zugelassen.

Eine weitere antithrombotisch wirksame Arzneistoffgruppe bilden die Inhibitoren der ADP-induzierten Thrombozytenaggregation. Sie sind erheblich teurer als Acetylsalicylsäure und bieten sich daher bei einer entsprechenden Unverträglichkeit an. Der direkte Wirksamkeitsvergleich von Clopidogrel und Ticlopidin in einer Studie stehe bisher aus, doch spreche die bessere Verträglichkeit eher für Clopidogrel.

Krebs wird Haupttodesursache

Ein ganz anderes Themengebiet mit ebenfalls großer Bedeutung für die Arzneimittelanwendung im Krankenhaus vertrat Prof. Dr. Andreas Neubauer, Marburg, der über die Hochdosistherapie in der Onkologie berichtete. Nach amerikanischen Schätzungen wird erwartet, dass die Zahl der Krebstoten im Jahr 2005 erstmals die Zahl der Opfer von Herz-Kreislauf-Erkrankungen übertreffen wird. Den Erfolgen in der Herz-Kreislauf-Therapie steht zwischen 1975 und 1995 keine Änderung in der Gesamtmortalität der Krebskranken gegenüber. Die großen Erfolge bei den vergleichsweise seltenen Leukämien werden durch steigende Häufigkeiten anderer Krebsarten ausgeglichen.

Aus pharmazeutischer Sicht interessieren die Leukämien besonders, weil hier in bestimmten Fällen eine andauernde Heilung durch Arzneimittel möglich ist und weil sie grundsätzliche Einblicke in die Behandlung von Tumorerkrankungen vermitteln können.

Hochdosistherapien

Bei Hochdosistherapien werden Zytostatika und Bestrahlungen in tödlichen Dosierungen eingesetzt. Das vorhandene Knochenmark mit den Tumorzellen wird dabei zerstört. Danach erhält der Patient eigenes, zuvor entnommenes Knochenmark zurück oder eine Knochenmarktransplantation von Verwandten oder genetisch ähnlichen Spendern. Gegen die autologe Transplantation mit eigenem Knochenmark spricht, dass hierbei wieder Krebszellen zurückgegeben werden.

Grenzen des Konzeptes

Schwerwiegende Nachteile des Verfahrens sind die hohe Belastung durch die Transplantation, die Gefahr von Abwehrreaktionen gegen fremdes Knochenmark und die weiteren toxischen Wirkungen der Zytostatika. So findet die Dosiseskalation ihre Grenzen in den schädigenden Wirkungen, die über das Knochenmark hinausgehen und andere Organe treffen. Hier sind insbesondere Herz, Leber, Lunge, Haut und Schleimhaut betroffen, die im Unterschied zum Blut nicht ersetzt werden können. Durch diese vielfältigen Effekte versterben in kurzer Zeit nach der Transplantation mehr Patienten als unter einer konventionell dosierten Chemotherapie. Vorteile ergibt die Hochdosistherapie erst später im Zeitablauf, wenn die konventionelle Therapie nicht mehr wirkt.

Bei einzelnen Indikationen profitieren Patienten mit einem Response auf Interferon-alpha von einer solchen Therapie erheblich mehr als von der Transplantation. In anderen Fällen hängt die Prognose erheblich von der genetischen Ausstattung der Krebszellen ab, sodass hier verschiedene Subgruppen von Patienten unterschieden werden sollten.

Doch setzen - mit Ausnahme der Therapie des Plasmozytoms - alle Konzepte der Dosiseskalation eine chemosensitive Tumorerkrankung voraus. Nur wenn der Tumor auf konventionelle Dosen irgendeinen Response zeigt, verspricht die Dosiseskalation eine verstärkte Wirkung. Gegen grundsätzlich Chemotherapie-resistente Tumoren ist auch die höchste Dosis wirkungslos.

Wenig Wirkung auf solide Tumoren

Zudem sollte die Hochdosistherapie wie alle anderen Therapiekonzepte gegen Tumorerkrankungen stets im Zusammenhang mit anderen Strategien gesehen werden. So kann beispielsweise eine hochdosierte Therapie bei soliden Tumoren möglicherweise Metastasen beseitigen, sodass ein operabler Tumor verbleibt. Damit eröffnen sich prinzipiell auch Behandlungsmöglichkeiten für solide Tumoren mit hochdosierter Chemotherapie. Neubauer sieht Einsatzmöglichkeiten hierfür jedoch bisher nur im Rahmen von Studien. Die Erfahrungen mit gefälschten Studienergebnissen über angebliche Erfolge beim Mammakarzinom, die im vorigen Jahr medienwirksam präsentiert wurden, sollten zur Vorsicht mahnen.

Große Bedeutung der Immunologie

Haupteinsatzgebiet der Hochdosistherapie bleiben daher die Leukämien im Zusammenhang mit der Knochenmarktransplantation. Dabei verhalten sich Rezidivrate und Abstoßungsrate im umgekehrten Verhältnis zueinander. Die autologe Transplantation führt oft zu Rezidiven, wird aber kaum abgestoßen. Allogene Transplantate werden öfter abgestoßen, führen aber seltener zu Rezidiven. Dazwischen liegen Transplantate von Geschwistern.

Offenbar scheint das fremde Immunsystem positiv auf die immunologischen Fähigkeiten der Patienten zu wirken. Dies ist für den weiteren Heilungsverlauf wesentlich, denn Zytostatika können stets nur die Tumorlast verringern. Eine endgültige Heilung ermöglicht nur das Immunsystem. In diesem Zusammenhang verwies Neubauer auf jüngst publizierte Ergebnisse, nach denen Rezidive durch die Gabe allogener T-Zellen ohne Zytostatika erfolgreich behandelt werden konnten.

Erfolgversprechende Ansätze für künftige Tumortherapien seien insbesondere in der Immuntherapie anzunehmen. Doch setzt diese grundsätzlich langsam wachsende Tumoren voraus, bei denen die Behandlung schneller wirken kann, als der Krebs wächst. tmb

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.