Ökonomie

E. EikermannStrukturwandel im Arzneimittelmarkt &nda

Das wissenschaftliche, wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Umfeld um die Apotheke und den Apothekerberuf ändert sich rasch. Die veränderten Rahmenbedingungen stellen die Pharmazeuten ständig vor neue Herausforderungen. Wird die Offizinapotheke als Institution im gegenwärtigen Strukturwandel Bestand haben? Wenn die Pharmazeuten die Zeichen der Zeit erkennen und neue Wege beschreiten, braucht man sich darum nicht zu sorgen.

Arbeitsplatz Apotheke

Derzeit gibt es in Deutschland rund 21.500 öffentliche Apotheken, die eine flächendeckende Arzneimittelversorgung garantieren. Insgesamt stieg die Zahl der Arbeitsplätze in den letzten sieben Jahren um über 13.000 an; somit arbeiten dort heute gut 135.000 Beschäftigte. Diese "Beschäftigungsleistung" wurde erreicht bei stagnierenden Umsätzen und einer seit 1992 um 15% zurückgegangenen Verordnungsmenge. Vor allem Frauen, die erst seit hundert Jahren (1898) Pharmazie studieren und den Apothekerberuf ergreifen dürfen, finden hier wohnortnahe Arbeitsplätze, viele davon in Teilzeitverträgen. Der Anteil der Frauen ist - gemessen an der Gesamtzahl der Pharmazeuten - in den letzten zwanzig Jahren von 50% auf knapp 63% (1998) gewachsen [1].

Stagnierender Umsatz

Seit der erhöhten Zuzahlungsregelung ab 1. Juli 1997 werden in der öffentlichen Apotheke deutlich weniger Rezepte eingelöst; so waren es im selben Jahr mit 833,5 Millionen Rezepten bereits rund 11% weniger als im Vorjahr; auch die Zahl der verordneten Arzneimittel verringerte sich um etwa 50 Millionen Packungseinheiten (minus 15%).

Die Selbstmedikation lag sowohl 1997 als auch 1998 unverändert bei etwa 580 Millionen Packungseinheiten - und das bei steigender Bevölkerung. Somit müssen diese beiden Jahre für die Offizinapotheker als Jahre der Konsolidierung angesehen werden. Aber es geht weiter: die von der Politik vorgesehenen Maßnahmen wie Budgetierung der Arzneimitteltherapie und Förderung der Reimporte werden mittelfristig zu einer Rationierung der Verordnungen führen, womit der medizinische und pharmazeutische Fortschritt bedroht wäre: Die GKV-Versicherten "... erhalten nur die billigsten Generika, kaum noch Innovationen (da zu teuer) und wenn möglich kein Arzneimittel mehr, sondern nur noch ein grünes Rezept mit einer Empfehlung, welches Hausmittel sie anwenden sollen oder welches Arzneimittel sie sich selbst - ohne Verordnung - in der Apotheke kaufen sollen" [2].

Die Entwicklung der Arzneimittelausgaben weist in Westdeutschland nach einer BASYS-Studie eine hohe Stabilität auf: Die Ausgaben lagen 1997 etwa auf dem Niveau von 1980 [3]. Während der Umsatz stagniert, geht die Rendite weiter zurück, sinken die Apothekereinkommen.

Kostendämpfung im Gesundheitswesen

Das deutsche Gesundheitswesen kann international als vorbildlich angesehen werden: Die Arzneimittelversorgung in der Eigenverantwortung freiberuflicher Apotheker funktioniert hervorragend, die Zahl der Apotheken nimmt stetig zu, und die Lebenserwartung für Frauen und Männer steigt weiter an; mehr als 280.000 Ärzte und 45.000 Apotheker kümmern sich um das Wohl der Patienten. Doch noch nie zuvor wurde die Diskussion um Kostendämpfung im Gesundheitswesen mit solcher Schärfe geführt, so Professor Dr. G. Neubauer, Mitglied des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen [4].

Insgesamt belaufen sich die Kosten für das deutsche Gesundheitswesen auf etwa 420 Mrd. DM (1997), ein Betrag, der seit vielen Jahren konstant einem Drittel des Bruttosozialproduktes (BSP) entspricht. Die privaten Haushalte sind dabei mit Direktkosten wie Zuzahlungen und Selbstmedikation in Höhe von etwa 40 Mrd. DM der viertgrößte Zahler im Gesundheitswesen - nach GKV, Arbeitgeber und Staat [5]. 1998 betrugen die Ausgaben der GKV 248 Mrd. DM und somit knapp zwei Drittel der Kosten im Gesundheitswesen Der drittgrößte Posten im GKV-Budget ist mit gut 33 Mrd. DM der Ausgabenblock "Arzneimittel, u. a. aus Apotheken" [6].

Mit einer Stafette von Spargesetzen wurden seit 1983 etwa 30 Mrd. DM zu Lasten der Leistungserbringer und der Versicherten aus der "Sparzitrone" (Deutsches Ärzteblatt) herausgequetscht [7]. In ihrem Kern zielten alle Reformgesetze - insbesondere das GSG - hauptsächlich auf den Arzneimittelbereich, wo sie ihre gewünschten Wirkungen erreichten [8]. Mit Festbeträgen und hartem Wettbewerb im Generika-Markt hat sich Deutschland als einstiges Hochpreisland auf den europäischen Durchschnitt eingependelt.

Auswirkungen auf die Industrie

Auch für die Industrie ergaben sich daraus massive Konsequenzen: Neustrukturierungsprozesse, vor allem quantitative Verringerung der Anbieterseite und eine qualitative Umstrukturierung der einzelnen Arzneimittelmarkt-Segmente; starke Preis- und Mengenrückgänge bei älteren Produkten, hohe Zuwächse und hohe Preise bei den Innovationen.

Permanent hat die einheimische Industrie - einstmals als "Apotheke der Welt" apostrophiert - in den vergangenen Jahren Marktanteile verloren. Seit 1997 dominieren ausländische Arzneimittelkonzerne mit einem Anteil von jetzt 54,5% den deutschen Arzneimittelmarkt, der nach den USA und Japan der drittgrößte Pharmamarkt der Welt ist. Die Zukunft gerade der mittelständischen Pharmafirmen sieht düster aus.

In dieser Situation werden die Auslandsmärkte immer wichtiger. Seit vielen Jahren ist Deutschland weltgrößter Exporteur pharmazeutischer Produkte. Bei einem Gesamtwert der Arzneimittelproduktion 1998 von 34,8 Mrd. DM stieg das Exportvolumen auf 26,1 Mrd. DM weiter an und übertraf damit das Einfuhrvolumen um 10,2 Mrd. DM - ein Beweis für die Qualität und Leistungsfähigkeit der deutschen Pharmahersteller.

Auswirkungen auf den Arzneimittelmarkt

Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre näher, wird klar, dass sich der Arzneimittelmarkt nur sehr langsam von dem durch das GSG verursachten Einbruch im Jahre 1993 erholt [9]. Die Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel unterscheiden sich in Ost- und Westdeutschland nur noch marginal: Es sind 615 DM im Osten und 611 DM im Westen.

Grundsätzlich sind alle Arzneimittel gemäß dem Arzneimittelgesetz (AMG) apothekenpflichtig, sofern sie nicht nach den §§ 44 und 45 AMG davon ausgenommen sind. Nach der speziellen deutschen Zählweise, bei der jede Darreichungsform und Stärke eines Präparates gesondert gezählt wird, sind zur Zeit etwa 45 000 Arzneimittel im Handel.

Folgt man der Zählweise des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ergibt sich mit Stand vom 31.12.1998 eine Zahl von etwa 58 000 verkehrsfähigen Arzneimitteln. Jeweils etwa 40% aller verkehrsfähigen Präparate sind verschreibungspflichtig bzw. nur apothekenpflichtig; etwa 7% aller Arzneimittel sind freiverkäuflich; die restlichen Präparate weisen einen unklaren Status aufgrund nicht abgeschlossener Nachzulassungen auf [10]. Der Arzneimittel-"Markt" besteht aus verschiedenen Teilmärkten, dem Apotheken-, GKV- und OTC-Markt, die sich partiell überschneiden und die im folgenden kurz charakterisiert werden.

Der Apothekenmarkt

Unter dem Einfluss der Kostendämpfung zeigte der Apothekenmarkt deutliche strukturelle Änderungen. Eine West-Apotheke erreicht im Durchschnitt einen Umsatz von 2,1 Mio. DM pro Jahr, eine Ost-Apotheke etwa 2,55 Mio. DM [11]. Laut ABDA versorgt eine Apotheke im Durchschnitt 3800 Einwohner, und zwar im Westen 3640, im Osten 4750 Einwohner, allerdings mit großen regionalen Unterschieden [12].

Der Umsatz einer Apotheke setzt sich zusammen aus:

  • Arzneimittelverordnungen zu Lasten von GKV und PKV,
  • Selbstmedikation,
  • Hilfsmittel,
  • Ergänzungssortiment.

Betrachtet man die Absatzstruktur wird klar, dass die öffentliche Apotheke ihre Existenz nach wie vor in erster Linie der ärztlichen Verordnung verdankt (Tab. 1).

Die Apotheken erzielten 1998 etwa 84% ihres Umsatzes mit ärztlich verordneten Arzneimitteln. Die Selbstmedikation mit freiverkäuflichen Arzneimitteln hatte einen Anteil von 16% (Tab. 2). Und das bedeutet: Entgegen den Erwartungen profitierte der OTC- und Selbstmedikationsmarkt in den letzten Jahren nicht vom Rückgang der Verordnungen rezeptpflichtiger Arzneimittel. Vom BPI werden dafür ausbleibende Mitnahmeeffekte in den Apotheken verantwortlich gemacht, denn weniger Rezepte bedeuten weniger Käufer in den Apotheken. Der Generika-Anteil ist - bezogen auf die verordneten Packungen - von 40% 1991 auf jetzt fast 54% des GKV-Marktes angestiegen; gemessen am Umsatz sind es etwa 40% [13].

Die Kalkulation des GRG ging damit auf: die Preise im Gesamtmarkt blieben nahezu konstant, aber die Preise im Generika-Markt sanken von 1989 bis 1997 um rund 28%. Zu Herstellerabgabepreisen hatte der Apothekenmarkt 1998 ein Volumen von 27,1 Mrd. DM; der Wert stieg damit um 6,1%. Die häufigsten Indikationen sind aus Tabelle 3 ersichtlich.

Wie schon im Vorjahr sank die Anzahl der verkauften Packungen erneut (-1,4%). Laut ABDA gingen im Verordnungssektor 20 Millionen Packungen und im Selbstmedikationsbereich 10 Millionen Packungen weniger über den HV-Tisch. Die Gründe für den Rückgang der Rezepte sind in den Sorgen der Ärzte vor Budgetüberschreitungen und in den erhöhten Zuzahlungen der Patienten zu suchen. Das Umsatzwachstum wurde erneut durch die Strukturkomponente, also häufigere Verordnungen innovativer, teurerer Arzneimittel, ermöglicht; die Durchschnittspreise lagen um 0,3% tiefer [15].

Die Handelsspanne im Gesamtproduktbereich der Apotheke lag nach ABDA-Angaben 1998 bei 27,6%; der Anteil der Kosten an den Bruttoumsätzen ist leicht auf 26,8% gefallen, was ein Betriebsergebnis (Rendite) von 0,8% ergibt; im Vorjahr waren es lediglich 0,4%). Statistisch schreibt fast jede zweite Apotheke rote Zahlen, wie die Betriebsvergleichsergebnisse des Instituts für Handelsforschung der Universität Köln zeigen. Als Hauptfaktoren werden dafür die Kostendämpfungspolitik und die wachsende Konkurrenz von Drogerie- und Supermärkten angeführt.

Budgets und Festbetragsregelungen zeigen immer wieder neu die Abhängigkeit der Apotheke vom Arzneimittelpreis. Insofern ist der Versuch der neuen Regierung zu kritisieren, "im Solidaritätsstärkungsgesetz den einfachen, aber volkswirtschaftlich falschen Weg zu gehen, im Arzneimittelbereich zu sparen, obwohl die Problemfelder im Gesundheitswesen ganz woanders liegen" [16].

Der Krankenkassen-Markt

Insgesamt 248 Mrd. DM gaben die Krankenkassen 1998 an Leistungen für ihre Versicherten aus. Die Kostendämpfungspolitik des Gesetzgebers - insbesondere die durch das GSG eingeführten Instrumente "Arzneimittelbudgets" und "Negativlisten" - veranlasst heute zunehmend die Ärzte, ständig weniger rezeptfreie Arzneimittel zu Lasten der GKV zu verschreiben. 1998 ging die Anzahl der hier verordneten Packungen um 1,1% zurück.

Der GKV-Markt ist der größte Teilbereich des Apothekenmarktes und hatte 1998 zu Apothekenabgabepreisen ein Volumen von 33,4 Mrd. DM. Darin nicht enthalten sind die Patientenzuzahlungen sowie der fünfprozentige Rabatt, den die Apotheker den gesetzlichen Krankenversichern einräumen müssen [17]; er beläuft sich auf etwa 2 Mrd. DM [18].

Schon 1997 hatten sich die Arzneimittelausgaben der GKV pro Versicherten gegenüber dem Vorjahr verringert: in den alten Bundesländern um 16,8% auf 420 DM, in den neuen Bundesländern um 32,7% auf 471 DM. Gleichzeitig hatte sich die direkte Beteiligung der Patienten an den Arzneimittelkosten durch die Zuzahlungen erhöht: von 3 Mrd. DM (1996) über 4,4 Mrd. DM (1997) auf 5,4 Mrd. DM (1998). Nachdem die Zuzahlungen der Versicherten zu Arzneimitteln inzwischen wieder von 9, 11 und 13 DM auf 8, 9 und 10 DM gesenkt worden sind, müssen die Patienten 1999 voraussichtlich einen Anteil von 4,5 Mrd. DM an den Arzneimittelausgaben selbst zahlen [19].

Die Preise für die GKV-Arzneimittel liegen heute tiefer als vor zehn Jahren, wogegen die Kosten der Lebenshaltung um mehrere Prozentpunkte gestiegen sind. Der Anteil der Festbetragsarzneimittel, der 1992 noch etwa 36% der Kassenausgaben für Medikamente betrug, dürfte sich bei einem Volumen von 17,8 Mrd. DM ab 1.1.1999 auf 65% der GKV-Verordnungen belaufen [20]. Inzwischen haben diese Festbeträge zu Einsparungen von etwa 17 Mrd. DM geführt. Zum Vergleich: Die Arznei- und Verbandmittel-Ausgaben der privaten Krankenversicherungen (PKV) beliefen sich 1998. auf knapp 2 Mrd. DM und waren damit um 7,1% höher gewesen als im Vorjahr [21].

1999 wurde das GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz (GKV-SolG) eingeführt, das fast alle Reformen des ersten und zweiten NOG von 1997 wieder rückgängig macht. Die Kassenärzte durften 1999 Arzneimittel im Wert von maximal 33,7 Mrd. DM plus Heilmittel (Kuren, Massagen) in Höhe von 5 Mrd. DM, also zusammen 38,7 Mrd. DM verordnen (Angaben nach KBV und BMG) [22]. Für den öffentlichen Apotheker war dieses Gesetz ein weiteres klassisches Kostendämpfungsgesetz, wiederum mit dem Fokus auf dem Arzneimittelbereich.

Der OTC-Markt

Im OTC-Marktsektor sind sowohl apothekenpflichtige (aber nicht verschreibungspflichtige) als auch die freiverkäuflichen Arzneimittel enthalten. Er überschneidet sich mit dem GKV-Markt, weil viele rezeptfreie Arzneimittel auch verordnet werden, und er beschränkt sich nicht auf den Apothekenmarkt, weil freiverkäufliche Arzneimittel auch in Reformhäusern und Drogeriemärkten verkauft werden.

Auch wenn die freiverkäuflichen Arzneimittel für die Apotheker nur ein kleines Umsatzsegment darstellen, so sind sie doch ein "Politikum". Dieses Segment ist geprägt durch die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers bei alternativer Angebotsstruktur, durch einen erheblich stärkeren Preiswettbewerb und durch die Publikumswerbung.

Der OTC-Markt wird für 1998 und für 1997 mit 16,1 Mrd. DM (Endverbraucherpreise) angegeben (Tab. 4). 1997 hatte es sowohl nach Umsatz wie nach Packungen einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr gegeben - ein Beleg für das veränderte Verordnungsverhalten der Ärzte.

Vom Sparkurs der Ärzte sind OTC-Arzneimittel besonders stark betroffen. Sie gingen von 1996 bis 1997 um 900 Mio. DM oder 12% auf 7,2 Mrd. DM zurück und stagnierten dort 1998. Damit hat der Umsatz im Bereich der Selbstmedikation (8,9 Mrd. DM) den Umsatz der verordneten rezeptfreien Präparate erneut deutlich übertroffen. Die Ausgaben für Arzneimittel "aus eigener Tasche" erhöhten sich im Westen auf 190 DM, im Osten auf 144 DM pro Kopf.

Nach Endverbraucherpreisen bezahlt der Verbraucher 55% der OTC-Arzneimittel selbst, nach Packungseinheiten sind es sogar zwei Drittel. Selbstmedikationsarzneimittel kosten im Schnitt weniger als 13 DM, während rezeptpflichtige Arzneimittel durchschnittlich 55 DM kosten [23]. Dieser Trend hielt 1998 und auch 1999 an: Der Markt stagniert weiter, die Selbstmedikation wächst nur geringfügig und kann die rückläufigen Verordnungszahlen rezeptfreier Arzneimittel nicht kompensieren.

Der Selbstmedikationsmarkt

Als Teil des OTC-Marktes wird der Selbstmedikationsmarkt für die Apotheke immer interessanter und soll deshalb hier gesondert betrachtet werden. Durch das steigende Gesundheitsbewusstsein ist die Selbstmedikation längst zu einer festen Größe im deutschen Gesundheitssystem geworden, und die erhöhten Zuzahlungen zu den verordneten Arzneimitteln haben diesen positiven Trend nachhaltig unterstützt (Tab. 5).

Während der gesamte Arzneimittelmarkt in den letzten zehn Jahren um knapp 50% stieg, wuchs der Selbstmedikationsmarkt wertmäßig um fast 70%. Dabei geben die Bürger in den neuen Bundesländern mit knapp 84 DM pro Kopf und Jahr ein Viertel weniger aus als die Westbürger.

Andere Vertriebsformen für Arzneimittel

Gesundheitsprodukte gibt es nicht nur in den ca. 21 500 Apotheken. Neben Drogerien und Drogeriemärkten sowie Reformhäusern unterhalten inzwischen auch zahlreiche Verbrauchermärkte Fachabteilungen mit Gesundheitsartikeln. Ein Blick auf die Absatzstätten für Arzneimittel lässt erkennen, dass die Apotheken als "Kaufstätten" zahlenmäßig heute nicht einmal die Hälfte darstellen. Der Vergleich der beiden letzten Jahre bringt zutage, dass die Zahl der Drogerien abnimmt, die der Drogerie- und Verbrauchermärkte aber steigt (Tab. 6).

Eine Analyse der Vertriebswege ergab, dass 90% aller Selbstmedikations-Arzneimittel und damit der weitaus größte Teil in Apotheken gekauft wird. Die Apotheke stellt somit den wichtigsten Absatzkanal für Medikamente dar. Sie ist immer dann die erste Anlaufstelle, wenn akute gesundheitliche Beschwerden - und nicht etwa der Verbrauch der alten Packung oder ein Ausprobieren eines neuen Mittels - der Kaufanlass sind.

Außerhalb der Apotheken, also in den anderen knapp 26.000 "Kaufstätten", werden lediglich 10% der Selbstmedikations-Arzneimittel abgegeben. Diese Vertriebskanäle haben sich allerdings behauptet. Sie konnten in den letzten Jahren jeweils ein Umsatzplus erwirtschaften [24] und wuchsen auch 1999: Der Verkauf freiverkäuflicher Arzneimitteln außerhalb der Apotheke stieg im Westen um 6% auf 1,1 Mrd. DM, im Osten sogar um 13% auf 200 Mio. DM.

Was kauft der Verbraucher/Patient selbst?

Untersuchungen der Gesellschaft für Pharma-Informationssysteme (GPI), Nürnberg, über das Verbraucherverhalten zeigen: das Ausmaß der Selbstmedikation wächst mit dem Alter, dem Pro-Kopf-Einkommen, dem Haushalts-Nettoeinkommen und abnehmender Personenzahl im Haushalt. Die häufigsten Indikationen der Selbstmedikation sind aus Tabelle 7 ersichtlich. Das umsatzstärkste Arzneimittel der Selbstmedikation ist Klosterfrau Melissengeist, gefolgt von Aspirin plus C und Thomapyrin.

Werbung und Vertriebslogistik

Auf Grund der zunehmenden Ausgrenzung von Arzneimitteln aus der Erstattungspflicht der GKV ergeben sich neue Aspekte der Publikumswerbung, die den Apotheker sowie den Vertriebsweg nicht erstattungsfähiger Arzneimittel tangieren.

Nach Angaben der GPI betragen die Bruttowerbeinvestitionen in den klassischen Medien für rezeptfreie Arzneimittel etwa 900 Mio. DM (1997). Doch die Publikumswerbung kann nur erste Informationen über Arzneimittel geben; für eine engere Beratung des Verbrauchers führt der Weg zum Arzt und Apotheker. Die Apotheke ist bei Gesundheitsprodukten dann die interessanteste und kompetenteste Anlaufstation.

Die Vertriebslogistik wird im Arzneimittelgeschäft an Bedeutung gewinnen. Noch stehen gesetzliche Regelungen Apothekenketten, Einkaufsringen und anderen Formen des Arzneimittelvertriebs entgegen. Grundsätzlich sind aber auch andere Organisationsformen denkbar, wie z. B. Abgabestellen von Krankenhäusern, Versandapotheken, Dispensierrecht für Ärzte oder Internet-Handel.

Vor dem Hintergrund einer wachsenden Liberalisierung der für die Apotheke geltenden Rechtsnormen zielt die kürzlich verabschiedete achte Änderung des Arzneimittelgesetzes vor allem darauf ab, die hohe Qualität der Arzneimittelversorgung aufrecht zu erhalten. Hier sollten sich die Offizinapotheker eindeutig zu der bisher geübten Trennung zwischen Krankenhaus- und öffentlicher Apotheke bekennen.

Beratung in der Apotheke

Die arztgestützte Selbstmedikation gewinnt an Bedeutung. Nach den oben erwähnten Untersuchungen der GPI folgen mehr als drei Viertel der Patienten dem ärztlichen Rat und kaufen in der Apotheke das empfohlene Medikament [25]. Wichtige Gründe für die Kaufentscheidung des Kunden sind

  • Empfehlungen des Arztes und des Apothekers,
  • Zufriedenheit und gute Erfahrung,
  • Bekanntheitsgrad des Produktes,
  • Preis.

"Obwohl die Selbstmedikation im Sinne ihrer Definition ohne den Arzt stattfindet, erscheint eine Zusammenarbeit von Apotheker und Arzt notwendig und sinnvoll. Eine Abstimmung bei der Empfehlung von Präparaten erhöht das Vertrauen in die Wirksamkeit des Arzneimittels und stärkt so die Compliance. Zudem können Grenzen der Selbstmedikation gemeinsam festgelegt werden" [26].

"Erst mit dem Apotheker wird das Arzneimittel zur Medizin", lautet folgerichtig die Parole von Hans-Günter Friese, dem Präsidenten der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände - ABDA. Die Apotheke ist mehr als nur eine "Rezept-Einlösestelle", die Abgabe eines Medikamentes und die fachkompetente Beratung gehören zusammen. Dabei geht es klar um persönlichen Einsatz, um Zuwendung, um Zeit für das Gespräch mit dem Kunden bzw. Patienten. "Hierzu ist es erforderlich, dass sich der Apotheker als Angehöriger eines Heilberufes und zugleich als Kaufmann begreifen muss. Nur so wird er erfolgreich die Zukunft überleben. Er muss sich zu einem unersetzbaren Glied in der Versorgungskette im Gesundheitswesen machen" [27]. Dabei sollten auch die anderen Organisationen und Partnerverbände der Apotheker wie z. B. BPI, VFA, BAH, Phagro, BVpta mit ins Kalkül gezogen werden. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker ist ebenfalls wichtig. Hier gilt es, "die Fäden in der Hand zu halten". Auch sollten die Pharmazeuten nicht länger ihren Hauptkonkurrenten im eigenen Berufsstand sehen!

Mehr als Arzneimittel

Der Apotheker ist nicht nur ein kompetenter Berater für den Bereich der Arzneimittel. Die Kunden erwarten von ihm auch sachkundige Auskünfte auf angrenzenden Gebieten, wie dem der Ernährung und der Lebensmittel. Nicht ohne Grund gehören Diätprodukte sowie anspruchsvolle und erklärungsbedürftige Nahrungsergänzungsmittel in das Sortiment der Apotheke. Und die Beratung ist der große Vorteil der Apotheke gegenüber dem Lebensmittel-Discounter.

Die Sorge wächst, dass dieser Trend an den Apotheken vorbeilaufen und ihnen ein bedeutsames Umsatzvolumen verloren gehen könnte. Sie ist größer geworden, seitdem Discounter wie Aldi oder seit Herbst 1998 die Deutsche BP begonnen haben, eine "hauseigene" Palette freiverkäuflicher Arzneimittel zur Gewinnung von Marktanteilen in ihre Sortimente aufzunehmen.

Aber auch Apotheker sollten sich etwas einfallen lassen, um bisher ungenutzte Marktpotenziale auszuschöpfen. Neue "Märkte" können sein:

  • Diabetikerbetreuung,
  • Mund- und Zahnhygiene,
  • Raucherentwöhnung,
  • Ernährungsberatung,
  • Beratung älterer Menschen (Inkontinenz, Thromboseberatung),
  • Stomaversorgung,
  • Gesundheit und Sport,
  • Gesundheitssystemkonzepte für chronisch Kranke.

Jeder Apotheker muss "seine" Nischen für bestimmte Zielgruppen entdecken und entwickeln, er sollte die Frei- und Sichtwahl ausbauen und damit verstärkt auf den Selbstmedikationsbereich setzen - im Bewusstsein, dass die Ressourcen im Bereich der GKV noch knapper werden. Wie im "Reformgesetz" gefordert, sollten dabei Qualitätsmanagementsysteme in Bezug auf die Apothekenführung kundenorientiert die Leistungsfähigkeit verbessern helfen.

Innovationen im Management

Weitere zukunftsträchtige Stichworte sind:

  • Einkaufsmanagement statt Bestellwesen,
  • Marketing zur Betreuung der umsatzwichtigsten Kunden,
  • Mobilität bei der Distribution.

Dabei wird neben der fachlichen Kompetenz vor allem die soziale und kommunikative Kompetenz im Beratungsgespräch eine wichtige Rolle spielen. Gute Beratung wird von den Kunden immer höher eingeschätzt, und der Apotheker leistet sie kostenlos. Um auf die Bedeutung dieses Services hinzuweisen, war es konsequent, dass der 1998 zum ersten Mal veranstaltete "Tag der Apotheke" unter dem Motto stand: "Arzneimittel und Beratung aus einer Hand". Und der letztjährige Deutsche Apothekertag in Leipzig nannte als Motto: "Kompetenz statt Rationierung".

Die Apotheker wollen sich verstärkt am Gesundheitsmarkt etablieren und als kompetente Partner der Patienten - und auch der Ärzte - in allen Fragen der Arzneimittelversorgung und darüber hinausgehender Dienstleistungen profilieren. Die vielen neu auf dem Markt erscheinenden Arzneimittel, die einen therapeutischen Fortschritt bringen, stellen eine täglich neue Herausforderung bei der Betreuung der Kunden dar.

Apothekenpolitische Schwerpunkte der nächsten Jahre könnten somit lauten:

  • Die Rezeptur als wichtigste Dienstleistung des Apothekers,
  • Die Zusammenarbeit von Apotheker und Arzt,
  • Die pharmazeutische Betreuung mit dem Ziel einer optimalen Arzneimitteltherapie,
  • Die Qualitätssicherung zum Wohle des Patienten (Qualitätsmanagement).

Mit dem Arzneimittel sparen

Die Apotheke bietet heute eine ganze Spannbreite von Diensten. Gelänge es ihr, die Patienten zu einem vorschriftsmäßigen Einnahmeverhalten (Compliance) zu bewegen, so würde sie bei jährlich etwa 1,6 Mrd. abgegebenen Arzneimittelpackungen einen beachtenswerten Beitrag zu Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen leisten.

Eine rationale Arzneimitteltherapie ist häufig nicht nur die effektivste, sondern auch die preisgünstigste Therapie. Neue Wirtschaftlichkeitsreserven eröffnen sich nicht mehr durch weitere Sparmaßnahmen und Kostendämpfungsaktionen bei Arzneimitteln, sondern durch deren sinnvolle Anwendung. Anders ausgedrückt: Nicht das Angebot des Marktes entscheidet über den therapeutischen Erfolg, sondern der sachgerechte Umgang mit dem Medikament.

Trotz der erneuten Kostendämpfungsmaßnahmen in jüngster Zeit wird aller Voraussicht nach der bundesdeutsche Gesundheitsmarkt auch in Zukunft durch Wachstumsimpulse gekennzeichnet sein. Die pharmazeutische Kompetenz der Apotheker wird dazu ihren Beitrag leisten, auch der Apothekerberuf hat seine Zukunft.

Anmerkungen

[1] ABDA: Die Apotheke - Zahlen, Daten, Fakten 1998. Eschborn, April 1999, Tab. 5. [2] Ditzel, P.: DAZ -Apotheker Zeitung, Nr. 4 v. 28. 1. 1999, Kommentar S. 1. [3] Quelle: BASYS, zitiert nach DAZ - Apotheker Zeitung Nr. 40 v. 4. 10. 1999, S. 2. [4] ÄrzteZeitung Nr. 29 v. 16. 2. 1998, S. 10. [5] Dtsch. Ärztebl. 95, Heft 17 (1998), S. B-810. [6] BPI: Pharma Daten '99. Frankfurt, Juli 1999, S. 37. [7] Dtsch. Ärztebl. 95 (1998), S. B-1253. [8] Eikermann, D.: Die deutsche Pharmaindustrie unter dem "Eindruck" des Gesundheitsstrukturgesetzes 1993 - 94. Pharm. Ind. 57 (1995), S. 979 ff. [9] Eikermann, D.: Die deutsche Pharmaindustrie - die heutige Situation einer Branche im Übergang. Dtsch. Apoth. Ztg. 137 (1997), S. 3979 - 3985. [10] Dtsch. Apoth. Ztg. 139 (1999), S. 360. [11] Pharm. Ztg. Nr. 48 v. 26. 11. 1998, S. 37. [12] ABDA (wie [1]), Tab. 2, 3. [13] BPI (wie [6]), S. 12. [14] zit. nach: Aktiv - Wirtschaftszeitung, Hessen Chemie, Nr. 1 v. 8. 1. 2000, S. 1. [15] Apotheken-Praxis Nr. 5 v. 1. 3. 1999, S. 2. [16] PZ-Interview "Mit dem Arzneimittel und nicht am Arzneimittel sparen". Pharm. Ztg. Nr. 1 v. 7. 1. 1999, S. 49. [17] BPI (wie [6]), S. 36-37. [18] ABDA (wie [1]), Tab. 12. [19] Dtsch. Ärztebl. 96 (1999), S. C-582. [20] Dtsch. Ärztebl. 95 (1998), S. B-1855. [21] PKV-Publik Nr. 8/99 v. 1. 11. 1999, S. 90 - 91. [22] Medikament & Meinung, Hrsg. v. BPI, Nr. 9, September 1999, S. 1. [23] BAH: Der Selbstmedikationsmarkt in der BRD in Zahlen 1998. Bonn 1999, Tab. 13. [24] BAH: Der Selbstmedikationsmarkt in der BRD in Zahlen 1997. Bonn 1998, Tab. 3. [25] ÄrzteZeitung Nr. 126, v. 9. 7. 1998, S. 2. [26] Wick, B., Schulz, M., Braun, R.: Selbstmedikation bei Obstipation - Beratung durch den Apotheker. Pharm. Ztg. Nr. 16 v. 16. 4. 1998, S. 11 ff. [27] Pharm. Ztg. Nr. 38 v. 17. 9. 1998, S. 40.

Das wirtschaftliche und damit auch das politische Umfeld um die Apotheke und den Apothekerberuf ändert sich rasch. Die veränderten Rahmenbedingungen stellen die Pharmazeuten ständig vor neue Herausforderungen. Wird die Offizinapotheke als Institution den gegenwärtigen Strukturwandel überstehen? Unsere Autorin analysiert die Daten und zieht ein optimistisches Resümee.

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