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BVKA-Mitgliederversammlung: QMS hilft bei konsequenter Hygiene

BAD HOMBURG (tmb). Über die Zahl der im Krankenhaus erworbenen Infektionen wird vielfach gestritten. Doch als "sicheres Minimum" bezeichnete Prof. Dr. Wille, Gießen, eine Rate von 3% aller Krankenhauspatienten, wobei 25% der Infektionen als vermeidbar einzustufen seien. Die Lösung dieses schwerwiegenden Problems liegt für Wille in konsequenter Krankenhaushygiene, wie sie mit einem Qualitätsmanagementsystem (QMS) zu verwirklichen ist. Geeignete Maßnahmen stellte er im Rahmen der Jahresmitgliederversammlung des Bundesverbands krankenhausversorgender Apotheker (BVKA) am 11. Mai 2000 in Bad Homburg vor.

Die genannten Prozentsätze würden umgerechnet etwa 120000 nosokomialen Infektionen in Deutschland entsprechen. Hierbei sei im Durchschnitt eine verlängerte Verweildauer von 10 Tagen anzunehmen. Bei einem Tagessatz von DM 500 würde allein die zusätzliche Pflege 600 Mio. DM kosten, worin die aufwendigere Behandlung dieser Patienten noch nicht einmal enthalten wäre.

Als Lösung empfiehlt Professor Wille eine verbesserte Krankenhaushygiene. Dabei müssen die Regelungen von den Mitarbeitern getragen und konsequent umgesetzt werden, was ideal im Rahmen eines QMS gelingt. So sollte die Hygiene ein zentraler Aspekt im QMS von Krankenhäusern sein, der damit auch die versorgenden Apotheker wesentlich betrifft.

Einfache Maßnahmen bringen großen Erfolg

Für die Auswahl der konkreten Maßnahmen ist das aus der Ökonomie bekannte Gesetz vom abnehmenden Grenzertrag zu beachten. D. h., mit einfachen Maßnahmen lassen sich zunächst erhebliche Erfolge erzielen, während weitergehende Verbesserungen größeren Aufwand erfordern. Aus Kostengründen sind nur die eher einfachen und kostengünstigen und damit sehr wirksamen Maßnahmen praktikabel. Die praktische Bedeutung dieser These wird durch die Erfahrung bestätigt, dass in Zeiten mit ausgedünntem Personal wie Wochenenden oder Feiertagen die verfügbare Zeit oft kaum für die Basishygiene ausreichen kann.

Schulung dringend erforderlich

Neben einer hinreichenden zahlenmäßigen Personalausstattung ist geschultes Fachpersonal erforderlich. So sollten Hygienefachkräfte und ein Arzt als Hygienebeauftragter zur Verfügung stehen. Daneben sollten alle Ärzte eine Kurzschulung erhalten, da die Universitätsausbildung in dieser Hinsicht unzureichend sei. Hinzu komme die laufende Fort- oder Weiterbildung des Krankenhauspersonals auf dem Gebiet der Hygiene. Auch die Krankenhausapotheker bzw. krankenhausversorgenden Apotheker sollten in das Hygienekonzept einbezogen werden.

Formal verantwortlich für den Gesamtbereich Hygiene ist der ärztliche Leiter. Daher müsse einerseits ein großer Teil der Arbeit delegiert werden. Andererseits müsse der ärztliche Leiter aber auch zuverlässig informiert werden. Dies ist systematisch zu organisieren, damit die nötigen Informationen ihren Adressaten tatsächlich erreichen. Dies ist eine typische Aufgabe für ein QMS. Weitere rechtliche Regelungen werden sich aus dem neuen Infektionsschutzgesetz ergeben, das im Jahr 2001 das alte Bundesseuchengesetz ablösen wird. Dies soll beispielsweise den Behörden neue Kontrollmöglichkeiten in Arztpraxen und Heimen geben.

Der Apotheker gehört in die Hygienekommission

Eine zentrale Position bei der Organisation der Hygiene im Krankenhaus nimmt die Hygienekommission ein, die jedoch keine verbindlichen Entscheidungen treffen, sondern nur Empfehlungen an den Träger geben kann. In dieser Kommission sollte nach Ansicht von Wille der versorgende Apotheker mitwirken, obwohl dies nicht verbindlich vorgeschrieben ist. Praktische Erfahrungen zeigen günstige Synergieeffekte im Zusammenhang mit der Arbeit in der Arzneimittelkommission. Für die praktische Umsetzung von Hygienemaßnahmen sind zudem Arbeitskreise der Krankenhausmitarbeiter zu empfehlen, da die Qualität letztlich von der praktischen Umsetzung und Akzeptanz der Maßnahmen an der Basis abhängt.

Struktur- und Prozessqualität

Die Hygienemaßnahmen gliedern sich in einem QMS in eine Vielzahl von Einzelprozessen, beispielsweise zur Reinigung, Desinfektion und Isolierung. Hinzu kommen komplexe Prozesse, die über einfache Arbeitsabläufe hinausgehen. Hierzu gehören beispielsweise die Ablaufanalyse und der Hygieneplan, der aufgrund berufsgenossenschaftlicher Bestimmungen unabhängig vom individuellen QMS ohnehin vorgeschrieben ist. Für Krankenhäuser ebenfalls vorgeschrieben sind Desinfektionsmitteleinsatzpläne.

Doch sollten solche Pläne nicht nur vorschriftsmäßig ausgehängt werden, sondern auch umgesetzt und in ihrer Umsetzung kontrolliert werden. Die Arbeit beginnt mit der Analyse der Probleme und führt über die Erarbeitung und Verabschiedung der Pläne im Team zur Zertifizierung. Alle betroffenen Mitarbeiter müssen die Regelungen erfahren und die Kenntnisnahme bestätigen. Außerdem sind laufende Kontrollen der Umsetzung nötig, die bei Fehlermeldungen wirksame Korrekturen auslösen.

Ergebnisqualität

Die Einführung von Kontrollen wirft die Frage auf, wie die Ergebnisqualität zu beurteilen ist. Neben der unverzichtbaren Validierung einzelner Abläufe sollte dabei das entscheidende Ziel beachtet werden, d. h. die Vermeidung nosokomialer Infektionen. Letztlich sind an diesem Erfolg alle Maßnahmen zu messen.

Hierzu verwies Wille auf ein in Berlin durchgeführtes Pilotprojekt mit 120 Krankenhäusern, die nosokomiale Infektionen in einem gemeinsamen Verfahren erfassen und damit erstmals einen Vergleich zwischen verschiedenen Krankenhäusern hinsichtlich der Ergebnisqualität der Hygiene durchführen. Es zeichne sich ab, dass diese Vorgehensweise künftig als allgemeines Qualitätsmaß für die Hygiene vorgeschlagen werde.

Zahlreiche Aufgaben für Apotheker

Bei den vielfältigen Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles sieht Wille zahlreiche Aufgabengebiete für Krankenhausapotheker bzw. versorgende Apotheker. Bei der Prophylaxe stehen Auswahl und Anwendung der Antiseptika und Desinfektionsmittel, Verfahren zur Sterilisation und der Umgang mit Arzneimitteln im Vordergrund. Hierzu gehört auch die perioperative Prophylaxe, die sich an den zu erwartenden Keimen orientieren muss. Hier sollten Apotheker einfache Schulungen für Ärzte anbieten.

Bei der Therapie steht die Auswahl der Antibiotika im Vordergrund. Wille warnte vor dem unkritischen Einsatz sehr breit wirksamer Antibiotika, die besonders in Intensivstationen sehr häufig eingesetzt würden. Sehr breit wirksame Substanzen sollten vielmehr als Reservemittel "in den Panzerschrank gehören". Letztlich sei die Therapie von der Prophylaxe nicht zu trennen, da ein schnell und erfolgreich behandelter Patient mit einer nosokomialen Infektion als weitere Infektionsquelle ausfalle.

Eine wichtige Aufgabe der Apotheker bei der Beratung der Ärzte und der Hygieniker stelle die Lagerung und Anwendung von Arzneimitteln dar. Dies betreffe die Konservierung, Eigenschaften der Verpackung, Mischbarkeit von Arzneimitteln und Angaben zur Infusionsdauer. Entsprechendes gelte für Medizinprodukte. Hier stellen sich oft Fragen zur Resterilisation nach versehentlicher Öffnung der Verpackung oder zur Wiederaufbereitung nach Gebrauch. Beide Fälle sind streng zu unterscheiden. Außerdem sind die Verfalldaten zu beachten. Diese beziehen sich zumeist nicht auf die Innensterilität, sondern auf die Materialeigenschaften der Kunststoffe. Da sich Kunststoffe verändern, könne eine neue Sterilisation die Verwendbarkeit solcher Produkte nicht verlängern.

So ergibt sich insgesamt ein sehr großes Betätigungsfeld für Beratungs- und Schulungsmaßnahmen durch Apotheker im Krankenhaus, die wesentlich zu einer Verbesserung der Hygiene beitragen können. Dies sollte helfen, die Zahl nosokomialer Infektionen deutlich zu reduzieren.

Das derzeitige System wird u. a. durch Aktivitäten aus den eigenen Reihen der Apotheker in Frage gestellt, beispielsweise durch den Schulterschluss des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) mit den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen. Dies befürchtet der Bundesverband krankenhausversorgender Apotheker und diskutierte hierüber auf seiner Jahrestagung am 10. Mai in Bad Homburg.

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