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Tier des Jahres 2000: Die Äskulapnatter

Die Äskulapnatter ist das Tier des Jahres 2000. Die Schutzgemeinschaft Deutsches Wild in Bonn will damit auf die Gefährdung aller Reptilien und insbesondere auf die Schutzbedürftigkeit der Schlangen aufmerksam machen, die kaum eine Lobby haben. Alle sechs deutschen Schlangenarten stehen in der Roten Liste der gefährdeten Arten.

Ungiftig und harmlos

Die Äskulapnatter kennt jeder - dem Namen nach. Doch leibhaftig gesehen hat sie kaum jemand. Denn das Symboltier der Ärzte und Apotheker, das sich um den Äskulapstab und die Schale der Hygieia ringelt, ist in Deutschland sehr selten.

In Deutschland sind sechs Schlangenarten heimisch, zwei Vipern (Kreuzotter und Aspisviper) und vier Nattern (Colubridae). Von den letzteren gilt die Ringelnatter (Natrix natrix) als "gefährdet", die Schlingnatter (Coronella austriaca) als "stark gefährdet", und "vom Aussterben bedroht" sind die Würfelnatter (Natrix tesselata) und die Äskulapnatter (Elaphe longissima). Die Äskulapnatter oder Gelbliche oder Schwalbacher Natter ist wie die anderen Nattern ungiftig und harmlos.

Kulturfolger - von Spanien bis Georgien

Die Äskulapnatter liebt wärmere Gefilde. Im nördlichen Mittelmeerraum ist sie von Spanien bis Georgien weit verbreitet. Nach dem Ende der Eiszeit drang sie nach Mitteleuropa vor. Heute gibt es sie in Deutschland nur noch im Donautal bei Passau, an der Salzach bei Burghausen, im südlichen Odenwald bei Hirschhorn, im Wiesental bei Lörrach und im Rheingau bei dem nach ihr benannten Schlangenbad.

Als klassischer Kulturfolger hält sie sich oft in der Nähe des Menschen auf. In Komposthaufen, Heizungskellern, Garagen oder an sonnigen Bahndämmen ist sie bisweilen zu finden. Am Boden in niedrigem Gestrüpp versteckt und in steinigem, dürftig mit Buschwerk bestandenem Gelände fühlt sie sich wohl.

Kletterschlange

Die bis zu zwei Meter lange Äskulapnatter klettert auf Bäume und erklimmt steile Mauern alter Burgen. Wie die Freikletterer nutzt sie jeden noch so kleinen Mauervorsprung; dies gelingt ihr mit speziellen Bauchschienen.

Sie jagt, was sie in ihrem Lebensraum findet - vor allem Mäuse, Eidechsen und Vögel. Als einziges Kriechtier auf deutschem Boden frisst sie ihre Beute nicht lebend. Das stattliche Reptil erdrosselt seine Beute nach Art der Pythons.

Nach der Paarung bewacht das Männchen sein Weibchen noch wochenlang, um ja keinen Konkurrenten zum Zuge kommen zu lassen. Im Juli legt das Weibchen fünf bis zehn Eier in die feuchte Erde, am liebsten in Pferdemist. Nach zwei Monaten schlüpfen die jungen Nattern in den Herbst hinein.

Die Äskulapnatter hat einen kleinen, nur wenig vom Hals abgesetzten Kopf. Am Hinterkopf trägt sie auf jeder Seite einen gelben Fleck. In ihre gelbbraune bis grauschwarze Grundfarbe sind weiße Flecken entlang den Flanken und dem Rücken eingesprenkelt.

Weltumgürter - die Schlange als Symbol

In der Mythologie der Germanen ist das Weltmeer, das die Erde ("Midgard") umgibt, von einer unheilvollen Schlange bewohnt. Die Riesen zogen Jörmungander, die Midgardschlange, auf. Gleich ihren unholden Pflegern war sie ein Feind der Asen, der germanischen Götter. Odin schleuderte das Untier von Asgards Höhen in das Weltmeer hinunter. Dort wuchs die Schlange zu so riesiger Größe, dass ihr Körper die ganze Erde umspannte. Ringelte, reckte und streckte sie sich, wütete die See wie ein Ungeheuer und verschlang die Schiffe des Meeres.

Als negatives Symbol gibt es die Schlange auch in vielen anderen Mythen. Die biblische Schöpfungsgeschichte (1. Moses 3) sieht sie als Verkörperung der Sünde und des Todes. Schlangen erwürgten an Trojas Küste den Seher Laokoon und seine beiden Söhne. Im Mittelalter ist die Schlange Attribut des Neides. Im Barock verkörpert sie zusammen mit der Weltkugel die sündige Welt.

Der Uroboros, die sich in den Schwanz beißende Schlange, steht seit der Antike für den Kreislauf der Erscheinungen und für die Ewigkeit. Ansonsten weist die sich häutende Schlange auf die Wandlung der Materie, auf Verjüngung oder sogar Unsterblichkeit hin.

Asklepios, ein griechischer Kulturheros

In diesem Sinne steht die Schlange für die sich erneuernden Kräfte und den Lebenswillen. Wohl deshalb wurde sie auch zum Begleiter des griechischen Heilgottes Asklepios (lat. Aesculapius), dessen Hauptattribut der Schlangenstab ist. Der wahre Ursprung dieses Attributes ist aber wahrscheinlich ein anderer: Die "Schlange" ist ein Medinawurm (Dracunculus medinensis), ein Hautparasit, den man nach jahrtausendealter Sitte in einer langwierigen Prozedur extrahiert, indem man ihn um ein Holzstäbchen wickelt.

Äskulap, der Sohn des Lichtgottes Apoll und der Koronis, war der griechischen Mythologie zufolge ein Kulturheros (wie auch Prometheus). Er hat den Menschen Ambrosia, den Trank der Unsterblichkeit, gegeben. Pluto soll deshalb die Entvölkerung seines Totenreiches befürchtet und sich bei Jupiter beschwert haben. Dieser erschlug darauf Äskulap mit einem Blitz, da er sich angemaßt hatte, mit der Heilung der Kranken das Schicksal aufzuhalten.

Äskulap wurde in vielen griechischen Tempeln verehrt. Sein größtes Heiligtum war Epidauros, das Gesundheitszentrum der Antike. Welche Schlange die Griechen dort verehrten, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Es wird aber angenommen, dass sie ein Vertreter der Kletternattern (Elaphe) gewesen sein muss, zu denen auch die Äskulapnatter gehört.

Mit den Römern in die Welt

Als unter den Konsuln Fabius und Brutus (291 v. Chr.) in Rom die Pest wütete, soll man eine Äskulapnatter von Epidauros herbeigeholt haben, um mit ihrer Hilfe die Seuche einzudämmen. Auf einer Tiberinsel ist sie verehrt worden. Von Rom aus dürfte sie sich mit menschlicher Hilfe weiterverbreitet haben. Vor allem in Orten mit heißen Quellen, in denen die Römer Thermen errichteten, dürfte sie ausgesetzt worden sein.

Die Äskulapnatter ist das Tier des Jahres 2000. Die Schutzgemeinschaft Deutsches Wild will damit auf die Gefährdung aller Reptilien und insbesondere auf die Schutzbedürftigkeit der Schlangen aufmerksam machen. Die Äskulapnatter wird seit der Antike als Symboltier der Heilkunde verehrt und findet sich noch heute in den Emblemen von Pharmazie und Medizin. Wahrscheinlich wurde sie von den Römern nach Deutschland gebracht, wo sie heute nur wenige Standorte bewohnt.

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