Arzneimittel und Therapie

Phytopharmaka: Johanniskraut – nicht ohne Wechselwirkungen

Mit der häufigen Anwendung von Johanniskrautpräparaten zeichnen sich auch unerwünschte Wirkungen von Hypericum und Interaktionen mit anderen Pharmaka ab. Die bislang bekannten Wechselwirkungen beruhen wahrscheinlich auf einer Induktion des Cytochrom-P450-Systems.

In den vergangenen Jahren ist der Gebrauch von Johanniskrautpräparaten stark angestiegen, was nicht zuletzt auf die gute Verträglichkeit und das günstige Sicherheitsprofil von Hypericum zurückzuführen ist. Allerdings hat sich in jüngster Zeit gezeigt, dass Johanniskraut auch Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen aufweist. So kann z.B. durch die gleichzeitige Gabe von Hypericum die Wirksamkeit von Amitriptylin, von Digoxin oder von Theophyllin abgeschwächt werden. Die verminderte Wirkung dieser Arzneistoffe kommt wahrscheinlich durch eine Induktion verschiedener Isoenzyme des Cytochrom-P450-Systems und durch eine Aktivierung des Transportproteins P-Glykoprotein zustande, welches an der intestinalen Absorption, Distribution und renalen Ausscheidung beteiligt ist.

In einer neuen Publikation werden die Wechselwirkungen von Hypericum mit dem Proteasehemmer Indinavir, mit dem Immunsuppressivum Ciclosporin und mit dem Antikoagulans Warfarin beschrieben.

Indinavir - verminderte Wirkung kann zur Resistenzentwicklung führen

In einer Studie mit acht freiwilligen, gesunden Probanden wurde untersucht, ob sich die Einnahme eines Johanniskrautpräparates auf die Plasmakonzentration des Proteasehemmers Indinavir auswirkt. Dazu wurden die pharmakokinetischen Daten von Indinavir als Monotherapeutikum und in Kombination mit Hypericum (nach einer vierzehntägigen Einnahme von Johanniskraut) ermittelt. Dabei zeigte sich eine deutliche, statistisch hoch signifikante Erniedrigung der Indinavirkonzentration bei der gleichzeitigen Einnahme von Johanniskraut (Reduktion der Fläche unter der Kurve um 57%; p = 0,0008). Die erniedrigte Plasmakonzentration des Proteasehemmers kann wiederum zu einer Resistenzentwicklung führen und somit den Therapieerfolg gefährden. Die Interaktion zwischen Hypericum und Indinavir kommt wahrscheinlich durch die Induktion eines Isoenzyms (CYP3A4) von Cytochrom P450 zustande; möglicherweise wird auch das Transportprotein P-Glykoprotein beeinflusst.

Ciclosporin - Abstoßungsreaktionen beim herztransplantierten Patienten

Aus der Schweiz sind zwei Fälle bekannt, in denen die Wechselwirkung von Johanniskraut und Ciclosporin zu Abstoßungsreaktionen bei herztransplantierten Patienten führte. Beide Patienten hatten nach einer Herztransplantation eine immunsuppressive Therapie mit Ciclosporin erhalten, wobei die Konzentration des Immunsuppressivums über viele Monate hinweg konstant war. Drei Wochen nach Einnahme eines Johanniskrautpräparates traten akute Abstoßungsreaktionen auf, und die Ciclosporin-Plasmakonzentration sank drastisch ab. Nach Absetzen von Hypericum und dank intensivmedizinischer Betreuung konnten die Abstoßungsreaktionen aufgefangen und die Ciclosporin-Konzentrationen wieder in den therapeutischen Bereich angehoben werden. Man vermutet, dass auch hier die Induktion eines Isoenzyms (CYP3A) des Cytochrom-P450-Systems durch Hypericum für das Abfallen der Ciclosporin-Konzentration verantwortlich war.

Warfarin - Einfluss auf die Blutgerinnung

Bei der schwedischen Arzneimittelbehörde gingen seit 1998 sieben Meldungen über eine Interaktion zwischen Johanniskraut und Warfarin ein. Die sieben älteren Patienten waren seit längerer Zeit auf das Antikoagulans Warfarin eingestellt; ihre INR-Werte (International Normalised Ratio) lagen mit 2,3 bis 3,8 im therapeutisch erwünschten Normbereich. Nach der Einnahme von Johanniskraut sank der INR-Wert deutlich ab (zwischen 1,1 und 2,1). Obwohl es zu keinen thromboembolischen Komplikationen kam, wurde das Absinken des INR-Wertes als klinisch signifikant erachtet. Nach dem Absetzen des Johanniskrautpräparates oder nach einer Dosiserhöhung von Warfarin stiegen die INR-Werte wieder auf ihren Normwert an. Die verminderte Wirkung von Warfarin durch die gleichzeitige Gabe von Johanniskraut wird auf eine Induktion eines Isoenzyms (CYP2C9) von Cytochrom P450 zurückgeführt.

Aufgabe für den Apotheker

Diese Beispiele zeigen, dass auch bei Phytopharmaka Gegenanzeigen und Wechselwirkungen beachtet werden müssen. Allerdings sollten erwünschte und unerwünschte Wirkungen von Hypericum in der richtigen Relation gesehen werden. Zweifelsohne ist Johanniskraut ein sehr gut verträgliches Antidepressivum, das erfolgreich bei milden bis moderaten Depressionen eingesetzt werden kann. Die Art und Häufigkeit unerwünschter Wirkungen bewegt sich im Plazebobereich, so dass für Johanniskrautpräparate eine sehr gute Compliance besteht. Durch die Aufklärung und Beratung von seiten der Apotheker können Interaktionen mit lebenswichtigen Medikamenten wie Indinavir oder Ciclosporin verhindert werden.

Literatur: Piscitelli, S., et al.: Indinavir concentrations and St John's wort. Lancet 355, 547-548 (2000). Ruschitzka, F., et al.: Acute heart transplant rejection due to St John's wort. Lancet 355, 548-549 (2000). Jobst, K., et al.; De Smet P., et al.; Wheatley D.; Yue Q., et al.: Safety of St John's wort. Lancet 355, 575-577 (2000).

Mit der häufigen Anwendung von Johanniskrautpräparaten zeichnen sich auch unerwünschte Wirkungen von Hypericum und Interaktionen mit anderen Pharmaka ab. Die bislang bekannten Wechselwirkungen beruhen wahrscheinlich auf einer Induktion des Cytochrom-P450-Systems

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