Arzneimittel und Therapie

Immunologie: Impfstoffe gegen intrazelluläre Parasiten

Charakteristisch für die meisten Erreger, für die zuverlässige Impfstoffe existieren, ist, dass die Immunität auf der Bildung so genannter neutralisierender Antikörper basiert. Gegen Krankheitserreger, die sich vorwiegend im Inneren von Zellen aufhalten, wie beispielsweise das Tuberkulose-Bakterium, können solche Antikörper aber wenig ausrichten.

Hier ist die Mitarbeit bestimmter Zellen und Transmittersubstanzen gefragt, die in ein komplexes immunologisches Regelwerk eingebunden sind. Unser Verständnis dieses Regelwerks, insbesondere wie darin eine Dauerbereitschaft aufrecht erhalten wird, ist allerdings bislang nur rudimentär. Gefragt ist deshalb ein Modell, in dem sich die Mechanismen sozusagen mit dem immunologischen Seziermesser darstellen lassen. Dazu bietet sich die Leishmaniose an, eine Krankheit, die durch verschiedene Arten einzelliger Parasiten verursacht wird.

Leishmaniose der Haut

Die Leishmaniose der Haut ist eine in 80 Ländern verbreitete Parasitose mit etwa 1,5 Millionen Krankheitsfällen pro Jahr. Im Regelfall heilen die durch die Parasiten verursachten Hautgeschwüre innerhalb eines Jahres ab. Häufig geschieht das jedoch unter Narbenbildung, die, beispielsweise im Gesicht, den Patienten lebenslang entstellen. Auch gibt es Varianten des Erregers, die sich ähnlich wie Krebszellen an entfernten Stellen des Körpers ansiedeln und die unbedingt medikamentös behandelt werden müssen. Ein wirksamer Impfstoff würde also nicht nur die Menschen in den Verbreitungsgebieten der Leishmaniose vor Entstellung und Stigmatisierung schützen, er würde auch die teure und häufig langwierige Behandlung überflüssig machen.

Impfstoff im Tiermodell

Eine Gruppe von Forschern aus dem Labor für Parasitenkrankheiten der National Institutes of Health in Bethesda, Maryland unter Leitung von Sanjay Gurunathan hat nun im Tiermodell aufgezeigt, wie ein Impfstoff beschaffen sein muss, um den Organismus langfristig vor Leishmania major, dem Verursacher der Hautleishmaniose in Nordafrika und dem Mittleren Osten, zu schützen.

Zu diesem Zweck wurden Mäuse mit unterschiedlichen Kombinationen aus parasitären Antigenen und körpereigenen Immunbotenstoffen geimpft und die Tiere zwei bzw. 12 Wochen später mit Leishmania major infiziert. Danach wurden in Wochenabständen die Anzahl der Parasiten pro Gramm Gewebe gezählt und die zellulären Abwehrmechanismen in einer Art immunologischen Rasterfahndung untersucht. Dabei traten zwei unterschiedliche Muster zu Tage:

  • Wurden die Tiere bereits zwei Wochen nach der Impfung mit lebenden Parasiten infiziert, so war die konventionelle Verabreichung von standardisierten Parasiteneiweißen ausreichend, um eine zuverlässige Schutzwirkung zu erreichen.
  • Wurden die geimpften Tiere jedoch drei Monate später mit den Krankheitserregern konfrontiert - was schon eher den typischen Verhältnissen im Endemiegebiet entspricht -, dann versagten die Standardimpfstoffe auf der ganzen Linie.

Guter Schutz durch DNA-Vakzine

Geschützt wurden die Tiere aber auf Dauer, wenn man sie mit der Erbinformation des betreffenden Eiweißes, also mit einer DNA-Vakzine immunisiert hatte. Noch besser fiel die Schutzwirkung allerdings aus, wenn man den Mäusen die genetische Information für den Immunbotenstoff Interleukin-12 (IL-12) einpflanzte und gleichzeitig ein konventionelles Parasiteneiweiß in minimaler Dosierung verabreichte: Während bei unbehandelten Kontrolltieren sechs Wochen nach der Infektion rund eine Million Erreger pro mg Gewebe gezählt wurden, waren es bei mit parasitärer DNA immunisierten Mäusen etwa 500. Im Anschluss an die IL-12 DNA-Vakzine blieb dagegen nur ein einziger Parasit übrig. Dieser überraschende Erfolg lässt Rückschlüsse auf diejenigen Komponenten des Immunsystems zu, die die Leishmanien endgültig in die "Knie zwingen" können.

T-Helferzellen steuern die Abwehrkräfte

Für die Steuerung der Abwehrkräfte bei Infektionen sind zwei Gruppen weißer Blutkörperchen von zentraler Bedeutung, die zu den T-Lymphozyten zählen und die auf Grund ihrer Funktion als T-Helferzellen vom Typ 1 (TH1) bzw. Typ 2 (TH2) bezeichnet werden. Die TH1-Zellen sorgen unter anderem dafür, dass aus so genannten natürlichen Killerzellen Gamma-Interferon freigesetzt wird, das seinerseits Fresszellen aktiviert, die dann intrazelluläre Bakterien oder Parasiten durch Freisetzung von Stickstoff- und Sauerstoffradikalen attackieren. Dominieren dagegen die TH2-Zellen, so werden vorwiegend Botenstoffe wie Interleukin(IL)-4 und IL-5 hergestellt, die ihrerseits zur Bildung bestimmter Antikörper führen. Diese haben aber im Falle der Leishmaniose keinerlei schützende Wirkung.

Verschiebung zu TH2-Zellen

Parasiten haben naturgemäß ein starkes Interesse daran, das Immunsystem ihres Wirtes in die falsche Richtung zu dirigieren. So ist es nicht verwunderlich, dass die Leishmanien ein LACK genanntes Eiweiß besitzen, das eine Verschiebung der T-Lymphozyten zu den in diesem Fall unwirksamen TH2-Zellen bewirkt.

Die Untersuchungen der amerikanischen Forscher zeigen nun erstmalig, dass der Botenstoff IL-12 eine wichtige Rolle im Kampf gegen intrazelluläre Krankheitserreger spielt. Solange ausreichend IL-12 im Blut zirkuliert, dominieren die TH1-Lymphozyten und steuern die Produktion jener Abwehrkräfte, die den Leishmanien den Garaus machen.

Zusätzliche Erbinformation für Interleukin-12

Dies wurde bei den infizierten Labormäusen dadurch erreicht, dass zusätzlich zur normalen noch die künstlich in die Zelle geschleuste Erbinformation für IL-12 abgeschrieben wurde, sodass die IL-12-Produktion für lange Zeit auf hohem Niveau blieb. Geht dagegen die IL-12-Konzentration nach einigen Wochen zurück, wie das bei konventionellen Impfstoffen der Fall ist, so bringen Parasitenantigene wie LACK das Orchester des Immunsystems in die falsche Tonlage; die TH2-Lymphozyten übernehmen das Kommando.

Bisher fehlte Interleukin-12

Die Ergebnisse aus dem Mäusemodell erklären aber auch rückwirkend, warum bislang alle Impfstudien bei der Hautleishmaniose des Menschen gescheitert sind. So kam kürzlich eine groß angelegte Studie an 3600 iranischen Kindern, bei der das Parasiteneiweiß ALM zusammen mit dem Tuberkuloseimpfstoff BCG verabreicht wurde, auf eine Schutzrate von gerade mal 55% über einen Zeitraum von zwei Jahren. Es fehlte bei allen bislang getesteten Vakzinen Interleukin-12, das die TH-1-Lymphozyten fördert.

Neue Ansatzpunkte für Tbc-Impfung

Auch für die bislang ebenfalls wenig zufriedenstellende Impfung gegen die Tuberkulose ergeben sich aus den amerikanischen Forschungen neue Ansatzpunkte. Der BCG-Impfstoff, eine seit 1924 gezüchtete, abgeschwächte Variante des Tuberkelbazillus, könnte genetisch so manipuliert werden, dass er zusätzlich die Erbinformation für IL-12 enthält. Da die Bakterien nach der Impfung eine Zeit lang vermehrungsfähig sind, würde dann bakterielles Antigen zusammen mit dem Immunbotenstoff über längere Zeit freigesetzt - und genau das könnte den Körper vor einer Infektion mit dem echten, gefährlichen Tuberkuloseerregern schützen.

Quelle: Nature Medicine 12, 1409-1415 (1999). Lancet 351, 1504-1507 (1998).

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