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Genereller Versand von Impfstoffen an Ärzte ist verboten

Apothekern ist es grundsätzlich untersagt, apothekenpflichtige Arzneimittel zu versenden. Dies gilt auch für Impfstoffe, die für Gesundheitsämter bestimmt sind. Mit diesem Leitsatz hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einem ausführlichen Urteil Versuche zurückgewiesen, in Deutschland Versandapotheken zu etablieren. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. August 1999, Az.: 13 A 202/99)

Ausgangspunkt der Entscheidung war eine Ordnungsverfügung der Bezirksregierung in Köln, die einem Apothekenleiter unter Androhung eines Zwangsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagte, apothekenpflichtige Arzneimittel im Wege des Versandes oder mittels Zustellung durch Boten - außer im begründeten Einzelfall - abzugeben. Die zuständige Behörde hatte unwidersprochen festgestellt, dass der Apothekenleiter in großem Stil, d. h. berufs- und gewerbsmäßig, insbesondere apothekenpflichtige Impfstoffe an Ärzte, einen Technischen Überwachungsverein, Arbeitsmedizinische Dienste, Gesundheitsämter und ähnliche Einrichtungen versandt hatte. Die Impfstoffe wurden von den Empfängern Patienten appliziert.

Gegen die Ordnungsverfügung hatte sich der Apothekenleiter, der auch Angehöriger der "Arbeitsgemeinschaft der Impfstoff-Lieferanten" war, mit seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln zunächst erfolgreich gewehrt: Das Verwaltungsgericht hob den angefochtenen Bescheid auf und führte zur Begründung aus, dass das Gebot, Arzneimittel nur in den Apothekenbetriebsräumen abzugeben, dann nicht anzuwenden sei, wenn es sich bei dem Empfänger um einen fachkundigen Heilberufler handle. Aber die Freude des Apothekenleiters währte nur kurz: In zweiter Instanz erklärte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen die ursprünglich ergangene Untersagungsverfügung für rechtmäßig. Dabei stützte sich das Gericht auf § 43 Arzneimittelgesetz (AMG) und § 17 Abs. 1 Satz 1 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO).

Beratung muss gewährleistet sein

Nach § 43 Abs. 1 AMG dürfen apothekenpflichtige Arzneimittel - außer in den Fällen des § 47 AMG - "berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden". Damit soll sichergestellt werden, dass Arzneimittel für den Endverbraucher nur in den Apotheken selbst abgegeben werden. Regelungsgrund hierfür ist, dass im Interesse der Arzneimittelsicherheit die Beratung des Verbrauchers durch den Apotheker oder sein fachkundiges Personal gewährleistet sein soll. In seiner Entscheidung stellt das Oberverwaltungsgericht fest, dass es sich bei Arzneimitteln um Waren besonderer Art handelt, deren Erwerb häufig mit Risiken behaftet ist und bei denen ein gesteigerter Beratungsbedarf besteht. Sowohl die Apothekenbetriebsordnung als auch § 43 Abs. 1 AMG seien von diesem Gedanken geprägt.

Das Gericht lehnte es ab, § 43 Abs. 1 AMG restriktiv auszulegen, soweit Arzneimittel an Gesundheitsämter, ähnliche medizinische Einrichtungen, Werksärzte oder niedergelassene Ärzte versendet werden. Nach Auffassung des Gerichts besteht insofern weder eine Regelungslücke noch ein Bedürfnis für eine einschränkende Interpretation des Gesetzeswortlauts. § 20 ApBetrO statuiere nämlich auch eine Beratungspflicht des Apothekers gegenüber Personen, die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigt sind". Außerdem obliege es nach § 20 Abs. 2 ApBetrO dem Leiter einer krankenhausversorgende Apotheke oder dem von ihm beauftragten Apotheker, Ärzte eines Krankenhauses über Arzneimittel zu informieren und zu beraten.

Damit belegten zwei Stellen der Apothekenbetriebsordnung, dass der Verordnungsgeber nicht davon ausgehe, apothekerliche Information und Beratung gegenüber Ärzten schlechthin für entbehrlich zu halten. Angesichts des kaum übersehbaren Arzneimittelmarktes könne der Apotheker Ärzte durchaus sinnvoll zum Beispiel über Neuerungen auf dem Arzneimittelmarkt, Neben- und Wechselwirkungen oder über Preise und Abgabegrößen von einzelnen Präparaten beraten und informieren. An dieser Einschätzung halte auch der Gesetzgeber fest. Deshalb lasse § 47 Abs. 1 Nr. 3 AMG einen Versand bzw. die sonstige Abgabe an Ärzte und medizinische Einrichtungen ausschließlich bei Impfstoffen für bestimmte unentgeltliche Schutzimpfungen zu. Ein weiter gehendes Versandrecht räume das Arzneimittelgesetz nicht ein. Hinzu komme, dass der Gesetzgeber mit der Achten Novelle zum Arzneimittelgesetz in § 43 Abs. 1 AMG ausdrücklich den "berufs- und gewerbsmäßigen Versandhandel" mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln verboten hat. Dieses Verbot gelte auch für Apotheker gegenüber Ärzten.

Genereller Impfstoffversand ist kein "begründeter Einzelfall"

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts stützte die Bezirksregierung ihre Untersagungsverfügung auch zutreffend auf § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO. Danach dürfen Arzneimittel nur "in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht werden", wobei der Verordnungsgeber die Ausnahmeregelung in § 17 Abs. 2 ApBetrO - Zulässigkeit von Botenzustellung und Versendung aus der Apotheke im begründeten Einzelfall – nicht generell auf Ärzte und sonstige Heilberufe erstreckt. Weder aus den Materialien zu § 43 Abs. 1 AMG noch im Zusammenhang mit den §§ 17; 20 ApBetrO ergibt sich nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nämlich ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber gemeint haben könnte, bei Sendungen an Ärzte generell § 17 Abs. 2 ApBetrO zur Anwendung kommen zu lassen. Soweit in größerem Umfang Impfstoffe versendet werden, kann darin nicht jeweils ein "begründeter Einzelfall" im Sinne von § 17 Abs. 2 ApBetrO gesehen werden. Dies galt im konkreten Fall umso mehr, als der betroffene Apothekenleiter generell und im Voraus bereit war, Bestellungen von Ärzten anzunehmen, ohne dass er dabei auf rechtfertigende Umstände des Einzelfalls abstellen konnte.

Eingriff in die Berufsfreiheit ist gerechtfertigt

In ihrer Entscheidung verkannten die Münsteraner Richter nicht, dass der Ausschluss des Versandes von Arzneimitteln an Ärzte die grundrechtlich verbürgte Berufsfreiheit von Apothekern berührt. Zu dieser Einschränkung bedarf es nicht nur einer gesetzlichen Regelung, sondern auch vernünftiger Gründe des Gemeinwohls. Nach Auffassung des Gerichts dienen § 43 AMG und § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO der Arzneimittelsicherheit. Beide Bestimmungen sollen eine "Veränderung des Berufsbildes durch Versandapotheken" verhindern. Diese gesetzgeberische Absicht ist, wie das Gericht feststellt, legitim, da die Regelung, Arzneimittel zum Endverbrauch nur in der Apotheke abzugeben, der Arzneimittelsicherheit dient. Mit dem Abgabeort in der Apotheke und dem Versandverbot solle dem Entstehen von Versandapotheken mit entsprechendem Preiskampf entgegengewirkt werden. Auch bestünde die Gefahr der Umgehung des § 47 AMG, wenn der nach dieser Vorschrift nicht mehr zulässige Versandhandel für Großhändler bzw. Hersteller von Impfstoffen nunmehr von Apothekern übernommen würde. Sinn und Zweck der Neuregelung in § 47 AMG sei es nämlich nicht gewesen, einen Direktversand zwischen Hersteller und Ärzten durch einen Versand mittels Apotheken zu ersetzen.

Beratungsbedarf auch bei Impfstoffen

Im Übrigen stellt das Gericht in seiner Entscheidung fest, dass auch bei Impfstoffen ein Informations- und Beratungsbedarf von Ärzten gegenüber Apothekern nicht generell auszuschließen ist. Dieses Bedürfnis könne von der Infektionslage der Bevölkerung, dem Typ einer aktuellen Krankheitswelle oder neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängen, also variieren. Auch bestünden gegen das aus § 43 Abs. 1 AMG und § 17 ApBetrO folgende Verbot des Versandhandels in Bezug auf Ärzte und ihre Einrichtungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Deshalb bestätigte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein- Westfalen die Untersagungsverfügung der Bezirksregierung in Köln. Die Entscheidung des Gerichts ist nicht rechtskräftig. Es ist zu erwarten, dass das Bundesverwaltungsgericht in absehbarer Zeit über die Revision entscheiden wird.

Apothekern ist es grundsätzlich untersagt,apothekenpflichtige Arzneimittel zu versenden. Dies gilt auch für Impfstoffe,die für Gesundheitsämter besimmt sind.Mit diesem Leitsatz hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einem ausführlichen Urteil Versuche zurückgewiesen, in Deutschland Versandapotheken zu etablieren. Lesen sie hierzu auch unseren Kommentar "Versandapotheke - nein danke!!"

Kommentar: Versandapotheke – nein danke! Das – noch nicht rechtskräftige – Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein- Westfalen ist unter mehreren Gesichtspunkten über den konkreten Einzelfall hinaus bemerkenswert. Es stellt überzeugend fest, dass nichts dafür spricht, das im Arzneimittelgesetz und in der Apothekenbetriebsordnung verankerte "berufs- und gewerbsmäßige" Versandverbot für Impfstoffe und andere apothekenpflichtige Arzneimittel aufzuweichen. Aus gutem Grund und wohl bedacht hat der Verordnungsgeber in § 20 ApBetrO dem Apothekenleiter und seinem pharmazeutischen Personal auch eine Informations- und Beratungspflicht gegenüber Angehörigen der Heilberufe auferlegt. Sie generell bei der Abgabe von Impfstoffen zu verneinen, hieße nicht nur, ärztliche Kompetenz zu überschätzen, sondern auch, sein pharmazeutisches Licht all zu sehr unter den Scheffel zu stellen. In der den Juristen eigenen Diktion zählen die Münsteraner Richter akribisch auf, wo und wann ärztlicher Beratungsbedarf auch bei Impfstoffen bestehen kann.

Dass im "begründeten Einzelfall" apothekenpflichtige Arzneimittel auch künftig aus der Apotheke versendet werden dürfen, bestreitet das Oberverwaltungsgericht dabei nicht - übrigens im Gegensatz zu der von der ABDA-Rechtsabteilung" vertretenen restriktiven Auffassung, wonach der im Rahmen der Achten Novelle zum Arzneimittelgesetz modifizierte § 43 Abs. 1 AMG nunmehr jedweden Versand aus der Apotheke, auch im begründeten Einzelfall", verbiete. Aber die Verwaltungsrichter treten Versuchen entgegen, generell den Versand von Impfstoffen an Ärzte als "begründeten Einzelfall" im Sinne von § 17 Abs. 2 ApBetrO anzusehen. Dabei weist das Gericht präzise auf die Gefahr einer schleichenden Entwicklung in Richtung Versandapotheke hin, wenn von einzelnen Apotheken bundesweite Vertriebsnetze für Impfstoffe geknüpft werden. Sinn und Zweck der mühsam erstrittenen Fünften AMG-Novelle war es nicht gewesen, den Direktversand von Impfstoffen zwischen Herstellern und Ärzten nun durch einen Versand mittels Apotheken zu ersetzen.

Freilich macht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts auch auf ein Dilemma aufmerksam: Nach der für rechtmäßig erklärten Verfügung ist Apotheken nämlich nicht nur der regelmäßige Versand von Impfstoffen untersagt, sondern auch deren Zustellung durch die Apotheke und ihre Mitarbeiter. Nimmt man das Urteil der Münsteraner Richter und die geltenden Bestimmungen in der Apothekenbetriebsordnung und im Arzneimittelgesetz beim Wort, verhalten sich Apotheken nur dann rechtmäßig, wenn sie Impfstoffe an Ärzte oder deren Personal in den Apothekenbetriebsräumen abgeben. Dies ist jedoch, wie das Gericht selbst andeutet, lebensfremd. Einmal mehr rächt sich die rechtliche Gleichstellung von Arzneimittelversand und Arzneimittelzustellung in § 17 Abs. 2 ApBetrO. Sie ist im Rahmen einer Novellierung der Apothekenbetriebsordnung korrekturbedürftig: Warum sollte es Angehörigen des pharmazeutischen Personals einer Apotheke auch verwehrt sein, Ärzten Impfstoffe arzneimittelgerecht selbst zuzustellen?

Entscheidend ist doch, ob der ordnungsgemäße Transport des Medikaments unter jederzeitiger Kontrolle der Apotheke erfolgt und ob im Rahmen der Abgabe eine sachgemäße Information und Beratung möglich ist - innerhalb oder außerhalb der Apothekenbetriebsräume. Wichtiger als der Ort, wo ein Arzneimittel ausgehändigt wird, ist die Frage, wie und durch wen das Medikament zum Empfänger gelangt. Soweit dabei auch eine fundierte Information und Beratung gewährleistet ist, sollte in Zeiten pharmazeutischer Betreuung auch der Verordnungsgeber gegen eine qualifizierte Zustellung von Arzneimitteln durch die Apotheke keine durchgreifenden Bedenken haben.

Christian Rotta

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