Kommentar

Ein Trauerspiel

Deutschlands oberste Arzneimittelbehörde blutet aus. Schuld ist der beschlossene und zum Teil schon realisierte Umzug des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von der Spree an den Rhein. Seit dem vergangenen Herbst ist der Umzug, den das Bonn-Berlin-Gesetz verlangt, im Gange. Etwa die Hälfte der Beschäftigten arbeitet bereits in Bonn. Doch viele erfahrene Mitarbeiter des Instituts wollen nicht weg von der Hauptstadt in die Provinz. Sie lassen sich beurlauben, scheiden aus dem Beamtenverhältnis aus und wandern in die Industrie ab, wo sie gerne genommen werden. Unter ihnen sollen einige erfahrene Wissenschaftler sein, deren Weggang die Arbeits- und Leistungsfähigkeit dieser Behörde mit Sicherheit schwächen wird, wie auch aus dem Bericht der Parlamentarischen Staatssekretärin Christa Nickels zur Personalsituation beim BfArM zu entnehmen ist.

Doch nicht nur der Umzug macht dieser Behörde schwer zu schaffen. Auch die vorgesehene Neubesetzung der Leitung des Bundesinstituts sorgt gewaltig für Unruhe unter den Mitarbeitern: Es hat sich bereits herumgesprochen, dass der bisherige Leiter Hildebrandt - zwei Jahre vor seiner Pensionierung - seinen Stuhl räumen muss. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer soll unzufrieden sein mit der Arbeit Hildebrandts und ihn für politische Fehlentscheidungen und die schleppende Bearbeitung von (Nach-)Zulassungsanträgen des Amtes verantwortlich machen, so heißt es. Sein Nachfolger steht bereits so gut wie fest: der Leiter des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln, Schweim, soll Hildebrandt ablösen. Bereits im Mai ließ Schweim seine Mitarbeiter wissen, dass ihn die Frau Ministerin nach Berlin rufen wird und er sich "ob der Bedeutung der Aufgabe diesem Wunsch nicht verschließen" wird. Schweim gilt in Insiderkreisen als Karrierist, manche sprechen von einer unterwürfigen Haltung gegenüber der Pharma-Lobby. Das Deutsche Ärzteblatt zitiert einen BfArM-Mitarbeiter, der aussagt, dass die Mehrheit der leitenden Mitarbeiter nicht bereit sei, unter Schweim zu arbeiten.

Wie es nach Umzug und Leiterwechsel weitergehen wird, wagt niemand zu prognostizieren. Schon zu besseren Zeiten galt das Berliner Amt nie als agile Behörde. Doch jetzt zeichnet sich ab, dass die Leistungsfähigkeit unserer Arzneizulassungsstelle empfindlich geschwächt ist. Leidtragende sind Pharmahersteller (Wettbewerbsnachteile) und nicht zuletzt Patienten, die auf Arzneiinnovationen und den medizinischen Fortschritt länger werden warten müssen. Ein Armutszeugnis für Deutschland. Peter Ditzel

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