Kommentar

Medikamente Online: Mehr Verbraucherschutz im Internet

Das Internet ist ein rasant wachsender Marktplatz, auf dem man inzwischen so gut wie alles per Mausklick kaufen kann. Auch vor der sensiblen Ware Arzneimittel macht der elektronische Handel nicht halt. Zwar ist der Arzneimittelversand innerhalb von Deutschland verboten, Bestellungen auf ausländischen Homepages lassen sich jedoch kaum vermeiden und nur schlecht kontrollieren. Um den Verbraucher dennoch vor den Gefahren durch den leichtfertigen Umgang mit Online-Arzneimitteln zu schützen, hilft nur eine flächendeckende Aufklärung. Einen Schritt in diese Richtung hat die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und der VdAK/AEV-Landesvertretung unternommen. In einer Pressekonferenz am 6. Juli in Stuttgart stellten sie ihre Kampagne "Medikamente Online" vor.

Um einen Überblick über die derzeitige Situation im Online-Arzneimittelversandhandel zu erhalten, führten die Organisationen im Vorfeld der Kampagne verschiedene Testkäufe durch. Karin Wahl, Präsidentin der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg berichtete über die abenteuerlichen Ergebnisse dieser Bestellungen: - Rezeptpflichtige Arzneimittel wurden auf Homepages mit ausländischer Länderkennung, vielfach jedoch in deutscher Sprache, rezeptfrei zum Versand angeboten. - Wo der Betreiber der Homepage saß und über welche Quelle letztendlich geliefert wurde, war nur sehr schwer oder gar nicht nachvollziehbar. Adressen oder Telefonnummern waren meist keine auf der Homepage vorhanden und wenn, handelte es sich oftmals um falsche Angaben. - Bestellungen wurden teilweise zwar berechnet, die angeforderten Arzneimittel jedoch nie geliefert. Reklamationen liefen häufig ins Leere. - Die Preise der bestellten Arzneimittel lagen in der Regel weit über den Apothekenabgabepreisen und wurden durch Kosten für Verpackung und Versand noch weiter erhöht. - Die bestellten Arzneimittel kamen meist ohne Verpackung und ohne Beipackzettel an. Eine Überprüfung der Präparate auf Richtigkeit, Haltbarkeit etc. oder Information über Dosierung, Risiken oder Kontraindikationen war somit unmöglich. - Falsche Arzneimittel wurden geliefert. So verschickte ein Online-Versandhändler statt des bestellten Antidepressivums Prozac das gegen Prostatabeschwerden eingesetzte Proscar. Ein Beipackzettel war nicht vorhanden, lediglich ein kleiner Hinweis auf der Verpackung informierte in englischer Sprache darüber, dass schwangere Frauen oder solche, die es werden wollen, das Präparat nicht einnehmen sollten.

"Mangelnde Qualität, gravierende Verwechslungen oder auch Fälschungen - vor diesen Risiken wollen wir die Verbraucher schützen", betonte Wahl. Sie wehrte sich gleichzeitig gegen die Behauptung, dass die Apotheker generell gegen das Internet seien, weil sie um ihr Monopol als Arzneimittelfachleute fürchten würden. "Das Internet bietet phantastische Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten. Es ist selbstverständlich auch für Arzneimittelfachleute ein hervorragendes Medium zur Informationsbeschaffung. Die Apotheker wenden sich allein gegen die Risiken des Arzneimittelhandels im Internet."

Arzneimittel sind keine Schnäppchen

Die Apotheker wollen auch kein "Festhalten an alten Zöpfen", sondern nur die Einhaltung der geltenden Gesetzte, betonte die Kammerpräsidentin weiter: "In Deutschland gibt es das Arzneimittelgesetz und ein strenges Zulassungsverfahren für Medikamente, das die Menschen schützt und dafür sorgt, dass Arzneimittel das bleiben, was sie sind: Heilmittel, nicht Konsumgüter. Das Heilmittelwerbegesetz verbietet die übertriebene Anpreisung von Arzneimitteln, die Apothekenpflicht sorgt dafür, dass vor der Abgabe eine fachliche pharmazeutische Beratung möglich ist. Bei den Regelungen handelt es sich also nicht um eine Gängelei des mündigen Bürgers, sondern um wirkungsvolle Maßnahmen zum Verbraucherschutz. Die Ansicht, durch den Bezug von Arzneimitteln im Internet sparen zu können, ist sehr kurzsichtig und gefährlich. Arzneimittel sollen Krankheiten heilen und keine Schnäppchen sein."

Besseren Patientenschutz durch Fernabsatzgesetz

"Jemanden, der über das Internet Arzneimittel kaufen will, können wir nicht davon abhalten, aber wir können ihm Informationen zu seinem eigenen Schutz an die Hand geben," fasste Monika Ketterer, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V. die Ziele der Kampagne zusammen. Die gesetzliche Grundlage dafür ist inzwischen geschaffen. Am 30.6.2000 ist das so genannte Fernabsatzgesetz, das die Situation von Patienten, die im Internet einkaufen, verbessern soll, in Kraft getretene. Anbieter, die im Internet werben, haben nach diesem Gesetz die Pflicht, vollständige Angaben zu ihrer Identität und Anschrift zu machen, zu den wesentlichen Merkmalen und Preisen, der von ihnen angebotenen Waren und darüber, wann der Vertrag per Internet zustande kommt. Ebenso müssen sie über die Modalitäten der Zahlung und Lieferung sowie über Gewährleistungs- und Garantiebedingungen informieren. Besonders wichtig ist auch die Information über das gesetzliche Widerrufsrecht des Kunden innerhalb von zwei Wochen nach Lieferung oder ein gleichwertiges, vertraglich eingeräumtes Rückgaberecht.

Deutsche Gesetze sind auf internationalem Markt schwer durchsetzbar

Halten sich Online-Versandhändler an dieses Gesetz, hat der Verbraucher also zumindest eine Chance, gegen Missstände wie falsche oder mangelhafte Lieferungen vorzugehen und nachzuvollziehen, woher die gelieferte Ware kommt. Ob das Gesetz tatsächlich zu mehr Verbraucherschutz führen wird, muss allerdings abgewartet werden. In der Praxis könne es trotz Gesetz zu Schwierigkeiten kommen, räumte Ketterer ein: "Kein Gesetz kann alle Risiken ausschalten. Die Verbraucher müssen sich daher gut informieren, wenn sie nicht auf die Nase fallen wollen. Dies gilt gerade und vor allem beim Kauf von Medikamenten im Internet. Wir wollen durch sachgerechte Informationen dazu beitragen, dass die Käufer auch auf diesem Marktplatz sichere Entscheidungen treffen können."

Schädigung des privaten Geldbeutels und Belastung der Kassen

Diesem Vorsatz schloss sich auch Roger Jaeckel an, Leiter der Landesvertretung Baden-Württemberg des Verbands der Angestellten Krankenkassen e. V. sowie des Arbeiter-Ersatzkassen-Verbands e. V. (VdAK/EAV-Landesvertretung) . Medikamente aus dem Internet zu bestellen, birgt laut Jaeckel nicht nur gesundheitliche Risiken, sondern schädigt auf Dauer auch das auf Solidarität beruhende System der gesetzlichen Krankenversicherung. "Der Internet-Medikamenten-Konsument übersieht, dass er regelmäßig mit seinem monatlichen Krankenkassenbeitrag seine persönliche Risikoabsicherung für den Krankheitsfall vornimmt und diese bereits seine Versorgung mit allen notwendigen Medikamenten beinhaltet," so Jaeckel. "Wer im Internet Arzneimittel bestellt, belastet somit seinen eigenen Geldbeutel." Darüber hinaus belaste er aber auch die Krankenkassen. "Einzelfälle aus der Praxis belegen, dass unsachgemäß und entgegen ihrem Gebrauch eingenommene Medikamente unvorhergesehene Nebenwirkungen hervorrufen, die nicht nur ambulante sondern zum Teil sogar stationäre Folgekosten in beträchtlicher Höhe nach sich ziehen können."

www.medikamenteninformation.de

Wie erreicht man einen Verbraucher, der Arzneimittel über das Internet beziehen möchte oder bereits bezieht am ehesten - über das Internet. Kernstück der Kampagne gegen den Online-Handel mit Arzneimitteln ist somit auch eine Homepage, auf der die Landesapothekerkammer, die Verbraucherzentrale und die VdAK/EAV-Landesvertretung über die gesundheitlichen, rechtlichen und finanziellen Risiken beim Kauf von Online-Arzneimitteln informieren. Unter der Adresse www.medikamenteninformation.de finden Verbraucher zudem die Ergebnisse von Testkäufen, Links zu Internetseiten, die seriöse Arzneimittelinformationen liefern, sowie Kontaktmöglichkeiten zu Pharmazeuten, Verbraucherschützern und Krankenkassen. Ein Flyer, der über tatsächliche Anwendungsgebiete und Nebenwirkungen von Life-Style-Drugs - die einen Großteil der online bestellten Arzneimittel ausmachen - informiert, ist ebenfalls produziert worden und liegt in Apotheken, den Außenstellen der Verbraucherzentrale und Geschäftsstellen der VdAK/AEV in Baden-Württemberg aus. ral

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.