Kommentar

Steine aus dem Glashaus

Bei der Arzneimitteldistribution könne man kräftig sparen - durch Versand, durch Apotheken-Ketten, durch einen Systemwechsel hin zu Strukturen, wie sie in den angelsächsischen Ländern vorherrschen. Ein Vorurteil, gepflegt von Krankenkassen, aber zunehmend auch in der Pharmaindustrie. Das Motto dabei: Kommt uns bitte nicht mit Daten, Fakten, Vergleichen, Argumenten - wir verzichten ja auch darauf. Jüngstes Opfer dieses Wirklichkeitsverlustes: Dr. Thomas Werner, Vorstand von Glaxo Deutschland, bei einer Veranstaltung in München.

Ahnungslosigkeit oder Methode? Wahrscheinlich beides. Richtig ist: von je 100 DM Arzneimittelumsatz in den Apotheken, der GKV-Versicherten zugute kommt, erhielten (Stand 1998) die Kasse 5 Mark als Rabatt, der Staat 12,92 DM als Mehrwertsteuer, auf Apotheken und Großhandel entfielen zusammen 28,02 DM, rund die Hälfte des Anteils, den die Hersteller kassierten (54,04 DM). Wie passt das zu der kecken Behauptung, die Distribution verdoppele die Preise? Darauf kommt nicht einmal, wer die MWSt. (in Verkennung ihres Charakters) voll den Apotheken zurechnet. Mehr als die Hälfte der MWSt. ist jedoch dem Herstellerabgabepreis zuzuordnen; er liegt dann bei über 60 DM von jenen 95 DM, die inkl. MWSt. zur Abrechnung kommen. Verdopplung?

In Deutschland liegen die Umsatzrenditen im Großhandel und bei den Apotheken im Schnitt bei unter 1% vor Steuern - trotz ausgefeiltester Logistik und hoher Performance, die international jedem Leistungs- und Kostenvergleich standhalten. Mehr als über die ausgelutschten Distributionskosten müssten Politik und Krankenkassen über die Preispolitik der Hersteller ins Grübeln geraten. Glaxo hat z.B. 1998 satte 23% Umsatzrendite vor Steuern eingestrichen - da war die ganze Forschung vorher schon bezahlt. Wer bei den großen Konkurrenten unter 10% liegt, erweckt fast Mitleid. Fast alle großen Pharma-Hersteller dürfen ihre Shareholder i.d.R. mit solchen Renditen verwöhnen. (z.B. Amgen 31,8%, Lilly 23,5%, Schering Pl. 21,7%, BMS 19,9%, Pfizer 19,4%, Novartis 19,1%, Roche 17,8%; jeweils 1998). Man muss sich die Dimensionen klar machen: eine eher kleine, einzelne Firma wie Schering (Deutschland) hat 1998 bei knapp 6,5 Mrd. Umsatz "bescheidene" 478 Mio. DM Gewinn vor Steuern verbucht (rund 7%). Es sei ihr gegönnt. Aber: Eine Vorsteuerrendite in der gleichen Größenordnung haben die 17 deutschen Pharmgroßhandlungen und rund 21 500 Apotheken 1998 zusammen erwirtschaftet.

Im Glashaus zu sitzen und mit Steinen zu werfen - das ist nicht mutig, sondern töricht. Klaus G. Brauer

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