Arzneimittel und Therapie

Neues Basistherapeutikum: Leflunomid bei rheumatoider Arthritis

Mit Leflunomid (Arava®) kommt voraussichtlich im Lauf des Jahres ein neues Basistherapeutikum zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis auf den Markt. Es scheint die Vermehrung von aktivierten Lymphozyten zu bremsen, indem es die Pyrimidin-Synthese hemmt. In Phase-II- und soeben abgeschlossenen Phase-III-Studien besserte Leflunomid die Gelenksymptome und war relativ gut verträglich.

Die rheumatoide Arthritis (auch: chronische Polyarthritis) ist eine Autoimmunerkrankung mit einer schweren Entzündung der Gelenke, die bis zur Zerstörung von Knochen, Knorpel und Sehnen führen kann.

Nichtsteroidale Antirheumatika halten die Gelenkzerstörung nicht auf

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) verringern zwar Schmerz und Entzündung und verbessern die Beweglichkeit, halten aber die fortschreitende Gelenkzerstörung nicht auf. Das leisten dagegen die sog. krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (disease modifying antirheumatic drugs), wie Goldverbindungen, Sulfasalazin, Malariatherapeutika und das Immunsuppressivum Methotrexat. Von besonders großem Nutzen sind solche Basistherapeutika, wenn sie bereits sehr früh, möglichst innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Diagnose, angewendet werden. Es gibt allerdings kein Basistherapeutikum, das bei allen Patienten gut wirkt. Die meisten sind mit erheblichen Nebenwirkungen belastet. Daher besteht durchaus Bedarf an neuen Arzneimitteln.

Isoxazol-Derivat mit immunmodulatorischen Eigenschaften

Eine Neuzulassung, die für dieses Jahr erwartet wird, ist Leflunomid (Arava®). Leflunomid wurde bei Hoechst synthetisiert. Ähnliche Substanzen waren im Rahmen eines Herbizid-Projektes entstanden. Bald wurden die immunmodulatorischen Eigenschaften von Leflunomid erkannt.

Leflunomid ist ein Isoxazol-Derivat ohne jede Strukturverwandtschaft zu bekannten Immunmodulatoren. Im Körper wird das Prodrug durch Öffnen des Isoxazol-Rings rasch in seine aktive Form, das Malonnitrilamid A77 1726, umgewandelt. In vitro hemmt A77 1726 die Vermehrung von T-Lymphozyten und die T-Zell-abhängige Autoantikörperbildung in B-Lymphozyten. Die Wirkung fällt allerdings speziesabhängig unterschiedlich aus: Lymphozyten von Mäusen und Ratten reagieren 400mal empfindlicher auf die Substanz als menschliche Lymphozyten.

Irreversible Hemmung des Enzyms Dihydroorotat-Dehydrogenase

A77 1726 scheint seine immunmodulatorische Wirkung über neuartige Mechanismen zu entfalten. In höheren Konzentrationen hemmt es Tyrosinkinasen. Der Hauptwirkungsmechanismus dürfte jedoch die reversible Hemmung des Enzyms Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH) zu sein. Das Enzym an der inneren Mitochondrienmembran ist entscheidend an der De-novo-Synthese des Pyrimidin-Ribonucleotids Uridinmonophosphat (UMP) beteiligt. Stimulierte Lymphozyten können erst von der G1- in die S-Phase des Zellzyklus übergehen, wenn sie ihre Ribonucleotidspiegel auf das 8- bis 16-fache erhöht haben. Dabei sind sie dringend auf die De-novo-Synthese angewiesen.

Ein Hemmstoff der UMP-Neusynthese müsste daher stimulierte Lymphozyten in der G1-Phase festhalten. In-vitro-Versuche mit Mitogen-stimulierten menschlichen Lymphozyten bestätigen dies: Unter Behandlung mit A77 1726 bleibt die proliferative Reaktion der Lymphozyten aus, und die Zellen verbleiben in der G1-Phase, statt in die S-Phase überzugehen. Der Zusatz von Uridin hebt diese Wirkungen auf. Den Stillstand im Zellzyklus bei niedrigen Ribonucleotid-Konzentrationen vermittelt das Tumorsuppressorprotein p53, das an der Regulation des Übergangs von der G1- in die S-Phase beteiligt ist. Pyrimidine werden außerdem für die Glykosylierung von Lipiden und Proteinen benötigt. Solche glykosylierten Produkte spielen eine wichtige Rolle bei der Anheftung von Leukozyten ans Gefäßendothel. Leflunomid hemmt die Leukozytenadhäsion ans Endothel. Leflunomid beeinflusst auch die Synthese von Zytokinen. Es fördert die Bildung des immunsuppressiven TGF-β und hemmt die Synthese des immunstimulierenden Interleukin-2.

Wirksam in Tiermodellen für Autoimmunerkrankungen

In mehreren Tiermodellen für Autoimmunerkrankungen war Leflunomid hochwirksam. Im Modell der adjuvanten Arthritis bei Mäusen und Ratten verhinderte es den Krankheitsausbruch bzw. reduzierte den Grad der Gelenkentzündung. Außerdem hemmte Leflunomid das Fortschreiten einer Lupus-erythematodes-ähnlichen Erkrankung bei Mäusen. Auch in Transplantationsmodellen wurde die immunsuppressive Wirkung von A77 1726 gezeigt. Hier werden allerdings inzwischen bevorzugt Malonnitrilamid-Derivate mit kürzerer Halbwertszeit geprüft.

Bevorzugte Wirkung auf Autoimmun-Lymphozyten

Klinische Studien an Patienten mit rheumatoider Arthritis bestätigten die bevorzugte Wirkung des Immunmodulators auf Autoimmun-Lymphozyten. Leflunomid scheint andere sich teilende Zellen des blutbildenden Systems, wie Neutrophile, Erythrozyten und Thrombozyten, und Zellen des Gastrointestinaltrakts nicht zu beeinflussen. In antirheumatisch wirksamen Dosen kommen Leukopenie, Thrombopenie oder Schleimhautentzündungen nicht gehäuft vor. Auch leiden die mit Leflunomid Behandelten nicht vermehrt an Infektionen.

Randomisierte Phase-II-Studie mit 402 Patienten

Eine randomisierte Phase-II-Studie zur Dosisfindung fand im früheren Jugoslawien statt. 402 Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis wurden sechs Monate lang mit täglich 5, 10 oder 25 mg Leflunomid oder Plazebo behandelt. Die Patienten durften gleichzeitig stabile Dosen NSAR und Corticosteroide einnehmen, mussten aber andere Basistherapeutika sechs bis zwölf Wochen vor Aufnahme in die Studie absetzen. Primäre Zielkriterien waren schmerzhafte und geschwollene Gelenke (Anzahl und Punktwert für die Symptomschwere) und das Gesamturteil von Arzt und Patient. Zu den sekundären Zielkriterien zählten unter anderem die Dauer der morgendlichen Gelenksteifigkeit, die Greifkraft und die Lebensqualität gemäß Health Assessment Questionnaire.

Tagesdosen von 10 und 25 mg Leflunomid erwiesen sich als wirksam. Die 25-mg-Dosis erzielte in allen Kriterien eine bessere Wirksamkeit als Plazebo, die 10-mg-Dosis in allen Kriterien außer der Zahl und dem Punktwert der geschwollenen Gelenke und der morgendlichen Gelenksteifigkeit. Die Wirkung zeigte sich bereits bei der ersten Untersuchung nach vier Wochen. Weitere Verbesserungen ergaben sich bis zur 20. Woche; danach blieb die Wirkung erhalten.

Infektionen traten nicht häufiger auf

21 Patienten in den aktiven Behandlungsarmen (7%) brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen vorzeitig ab. Gastrointestinale Symptome, Hautausschläge und Allergien, Gewichtsverlust und reversibler Haarausfall traten mit Leflunomid häufiger auf als mit Plazebo. Insbesondere der Haarausfall kam in der 25-mg-Gruppe gehäuft vor. Dagegen gab es in den Leflunomid-Gruppen nicht öfter Infektionen als in der Plazebo-Gruppe. Opportunistische Infektionen traten nicht auf. Unter 10 oder 25 mg Leflunomid waren bei mehreren Patienten Leberfunktionswerte erhöht. In den 10- und 25-mg-Gruppen nahmen die Immunglobulin-Spiegel signifikant ab, ebenso die Rheumafaktoren IgA-, IgG- und IgM-RF.

Pharmakokinetik

Zur Pharmakokinetik von Leflunomid ergab die Studie:

  • Die Pharmakokinetik scheint im Dosisbereich 5 bis 25 mg linear zu sein.
  • Die mittlere Plasma-Halbwertszeit beträgt 15 bis 18 Tage.
  • Der aktive Metabolit A77 1726 wird zu mehr als 99% an Plasmaproteine gebunden.
  • A77 1726 wird sowohl mit den Fäzes als auch mit dem Urin ausgeschieden.

Eine offene Fortsetzung der Studie über ein weiteres Jahr zeigte eine Stabilisierung der klinischen Wirkung und ähnliche Nebenwirkungen wie im bisherigen Studienprotokoll.

Drei Phase-III-Studien

Inzwischen wurde Leflunomid in einer 20-mg-Tagesdosis in drei großen randomisierten doppelblinden Phase-III-Studien geprüft:

  • einer sechsmonatigen plazebokontrollierten Vergleichsstudie mit Sulfasalazin (358 Patienten in Europa, Australien, Neuseeland und Südafrika; "European Leflunomid Study")
  • einer zwölfmonatigen Vergleichsstudie mit Methotrexat (999 Patienten in Europa und Südafrika)
  • einer zwölfmonatigen plazebokontrollierten Vergleichsstudie mit Methotrexat (485 Patienten in den USA und Kanada).

Die ausführliche Veröffentlichung der Studienergebnisse steht noch aus. Ergebnisse der European Leflunomid Study, die als Poster zusammengefasst wurden, sprechen für eine gleich gute Wirkung von 20 mg Leflunomid und 2 g Sulfasalazin. Bei der Lebensqualität erzielte das neue Antirheumatikum sogar bessere Wirkungen. Leflunomid erwies sich - ähnlich wie in der Phase-II-Studie - als relativ gut verträglich. Insbesondere trat keine hämatologische Toxizität auf. Um trotz der langen Halbwertszeit rasch Steady-state-Konzentrationen zu erreichen, war Leflunomid zu Beginn drei Tage lang in einer Loading dose von 100 mg verabreicht worden. Die Sulfasalazin-Tagesdosis war dagegen innerhalb von vier Wochen von 0,5 auf 2,0 g gesteigert worden.

Kombination mit Methotrexat


Besonders wirksam könnte Leflunomid zusammen mit anderen Basistherapeutika, wie dem Purinsynthese-Hemmer Methotrexat, sein. In einer offenen Pilotstudie bekamen 30 Patienten, die trotz mindestens sechsmonatiger Methotrexat-Einnahme an aktiver rheumatoider Arthritis litten, zusätzlich Leflunomid. Die mittlere Methotrexat-Dosis betrug 17,2 mg pro Woche. Leflunomid wurde zu Beginn zwei Tage lang als Loading dose von 100 mg verabreicht, danach in einer Tagesdosis von 10 mg, die bei Nichtansprechen auf 20 mg erhöht werden konnte.

23 Patienten führten die Kombinationstherapie ein Jahr lang durch. Die Zahl der schmerzhaften Gelenke sank im Mittel um 68%, die der geschwollenen Gelenke um 44%. Die Behandlung wurde relativ gut vertragen. Es traten Nebenwirkungen auf, wie sie von Methotrexat und Leflunomid bekannt sind. Drei Patienten brachen die Behandlung wegen erhöhter Leberenzymwerte ab. Es gab keinen Hinweis auf pharmakokinetische Interaktionen.

Quellen Fox, R. I.: Mechanisms of action of leflunomide in rheumatoid arthritis. J. Rheumatol. 25, Suppl. 53, 20-26 (1998). Rozman, B.: Clinical experience with leflunomide in rheumatoid arthritis. J. Rheumatol. 25, Suppl. 53, 27-32 (1998). Mladenovic, V., et al.: Safety and effectiveness of leflunomide in the treatment of patients with active rheumatoid arthritis. Arthritis & Rheumatism 38, 1595-1603 (1995). Silva, H. T., Jr., R. E. Morris: Leflunomide and malononitriloamides. Exp. Opin. Invest. Drugs 6, 51-64 (1997). Smolen, J. S., et al.: Efficacy and safety of leflunomide versus placebo and sulfasalazine in rheumatoid arthritis: a double-blind, randomized, pivotal study. Poster from the 11th EULAR Symposium 1998. Weinblatt, M. E., et al.: Combination therapy with leflunomide-methotrexate in refractory rheumatoid arthritis. Poster from the 11th EULAR Symposium.

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