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Fakultätskolloquium: 25 Jahre Pharmazie Heidelberg

HEIDELBERG (diz). Im Jahr 1974 bezog die Fakultät für Pharmazie in Heidelberg die Räume in den Neubauten des Universitätscampus im Neuenheimer Feld. Aus diesem Anlass veranstaltete die Fakultät für Pharmazie am 12. Februar 1999 ein Fakultätskolloquium. Der Dekan der Fakultät, Prof. Dr. M. Wink, nutzte diese Gelegenheit und verband dieses Kolloquium mit der Ehrung zweier verdienter Mitglieder der Fakultät, Prof. Dr. H. Stamm und Frau Dr. Ruth Dillmann-Marschner.

In einem kurzen historischen Abriss machte Wink darauf aufmerksam, daß es pharmazeutische Lehrveranstaltungen und Vorlesungen an der 1386 gegründeten Heidelberger Universität nicht erst seit 25 Jahren gibt, sondern bereits eine lange Tradition haben. 1522 wurde ein dritter Lehrstuhl Medizin eingerichtet, der sich mit der Arzneimittellehre befasste. Ende des 16. Jahrhunderts wurde der erste botanische Garten in Heidelberg angelegt, der mit Arzneip.anzen gestaltet wurde.

Mitte des 17. Jahrhunderts liest J. C. Fausius Pharmazie in Heidelberg, im Jahre 1708 leitet Apotheker Daniel Nebel das chemische Labor an der Universität Heidelberg. Eine "Cathedra", das heißt ein Ordinariat für Chemie und Pharmazie", wurde 1771 eingerichtet. Das Extraordinariat in Pharmazie erhielt 1798 Apotheker Wilhelm May. 1824 wurde dann ein Ordinariat für Pharmazie geschaffen, das von Philipp Lorenz Geiger besetzt wurde, dem wohl berühmtesten Pharmazeuten in Heidelberg: er entdeckte z. B. die Alkaloide Coniin, Atropin, Colchicin und Hyoscyamin.

1890 gründete Waldemar von Schröder das Pharmakologische Institut in Heidelberg. Zu dieser Zeit lag die Ausbildung in pharmazeutischer Chemie in Händen des Gmelin-Schülers F. W. H. Delffs. Dessen Assistent, Friedrich August Bornträger, führte die spezielle Ausbildung in pharmazeutischer Chemie und das Praktikum durch. Ein eigenes Pharmazeutisches Institut in unserem Sinne wurde allerdings bis 1938 nie errichtet.

Die Pharmazie in Heidelberg lässt sich allerdings nicht ohne die Entwicklung der Pharmazie in Karlsruhe betrachten. Hier übernahm 1946 Mannich den Unterricht in Pharmazeutischer Chemie. Zwei Jahre später wurde Kurt Bodendorf als Extraordinarius berufen. In den 50er und 60er Jahren ging der Aufbau der Pharmazie in Karlsruhe unter seiner Ägide zügig weiter. Nach seiner Emeritierung 1967 wurde der pharmazeutische Chemiker Richard Neidlein als Nachfolger berufen. Für die 50er und 60er Jahre in Karlsruhe sind weitere Namen zu nennen: 1954 Kühlwein, 1956 Schneider (Pharmazeutische Chemie), 1958 Vogt (Galenik), 1960 Sprecher (Pharmakognosie), 1964 Schwenker (Pharmazeutische Chemie), 1967 Neidlein (Pharmazeutische Chemie), 1969 Stamm (Pharmazeutische Chemie) und Lichtenthaler (Biologie).

Überlegungen, die Pharmazie von Karlsruhe nach Heidelberg zu verlegen, wurden 1967 angestellt. Diese Pläne reiften schnell heran, vor allem deswegen, weil in Heidelberg Institutsneubauten geplant waren. Die Pharmazie konnte daran partizipieren. Nach der Bauperiode von 1970 bis 1973 zog die Pharmazie von Karlsruhe nach Heidelberg im Jahre 1974 um.

Die Pharmazie bleibt in Heidelberg

Wie sieht die Zukunft der Pharmazie in Heidelberg aus? 1997 war der Fortbestand der Pharmazie in Heidelberg gefährdet. Das Ministerium dachte bereits an die Schließung des Instituts. Man wolle damit einen Schlussstrich unter Reformbemühungen ziehen, aus der mangelhaft ausgestatteten Fachrichtung ein Forschungsinstitut zu machen, so hieß es damals.

Zuvor hatte eine externe Kommission überprüft, ob eine Fusion der Fakultät für Pharmazie und der Fakultät für Chemie sinnvoll gewesen wäre. Empfohlen wurde die Errichtung eines Instituts für Arzneimittel- und Wirkstoffforschung. Eine vom Rektorat gewählte Expertenkommission erhob zudem zahlreiche Vorwürfe gegen die Heidelberger Professoren der Fakultät für Pharmazie. Die Kommission kritisierte, daß die Ausbildung der Pharmazeuten nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprächen, man warf den Professoren zu geringe wissenschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen vor, beklagt wurde, daß die Professoren zu wenig Drittmittel einwarben und zu wenig Kontakte mit der pharmazeutischen Industrie pflegten. In einem offenen Brief wehrten sich die Professoren gegen diese Vorwürfe und taten sie als "haltlos" ab.

Nach zahlreichen engagierten Briefen und Gesprächen sowie Verhandlungen mit der Industrie kam dann im Frühjahr 1998 die erlösende Meldung: Der Studiengang Pharmazie an der Universität Heidelberg bleibt erhalten. Der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF stellt für die Förderung der Forschung einen Betrag von 10 bis 12 Mio. DM zur Verfügung uner der Bedingung, dass Bund und Land einen Betrag in gleicher Höhe beisteuern. Mit dem Geld soll ein neues Institut zur Arzneimittel- und Wirkstoffforschung aufgebaut werden.

Zu den neuen Fächern, die in Heidelberg eingerichtet werden sollen, gehören zum Beispiel eine genomorientierte Biotechnologie, bioorganische und bioanorganische Chemie, biopharmazeutische Transportsysteme, pharmazeutische Biologie mit Schwerpunkt biogener Wirkstoffe, Bioanalytik, physikochemische und molekulare Toxikologie. Selbständig arbeitende Nachwuchsgruppen, die aus einer C1-Stelle und zwei Mitarbeitern bestehen, sollen eigenständig forschen, unabhängig von den Professoren. Diese Konstruktion soll neue Impulse setzen. Die Genehmigung für dieses neue Konzept hängt jetzt, so Wink, nur noch vom Stuttgarter Ministerium ab.

Ehrungen

Für seinen jahrelangen Einsatz für die Fakultät der Pharmazie in Heidelberg ehrte Wink im Rahmen des Kolloquiums Prof. Dr. H. Stamm, pharmazeutischer Chemiker, der seinen 75. Geburtstag feierte. Der gebürtige Münsteraner habilitierte sich 1965 bei Böhme in Marburg und wechselte dann nach Karlsruhe. 1974 bis 1989 hatte er eine C3-Stelle für Pharmazeutische Chemie in Heidelberg inne. Er war 1980/81 Dekan dieser Fakultät und im Senat der Universität als gewähltes Mitglied vertreten. Sein Lebenswerk umfasst über 140 Publikationen. Für ihren langjährigen Einsatz am Institut für Pharmazeutische Technologie in Heidelberg ehrte Wink Frau Dr. Ruth Dillmann-Marschner. Nach dem Pharmaziestudium in Karlsruhe promovierte sie 1959 bei Schneider. Seit 1962 war sie in Karlsruhe in der Pharmazeutischen Technologie tätig und zog dann mit nach Heidelberg um. Die akademische Oberrätin erwarb sich große Verdienste für die Durchführung von Lehrveranstaltungen.

Das Fakultätskolloquium wurde abgerundet durch einen wissenschaftlichen Vortragsteil mit folgenden Vorträgen:

  • Der gezielte Weg zum Arzneimittel (Prof. Dr. Hugo Kubinyi),
  • Chemie und Biologie exklusiver mariner Alkaloide (Dr. Thomas Lindel),
  • Analyse genetisch modifizierter NMDA-Rezeptoren in Mäusen (Priv.- Doz. Georg Köhr),
  • Wirkung und potentielle Anwendung neuer Apoptose-hemmender Verbindungen (Priv.-Doz. Hans-Peter Deigner),
  • Aristolochiasäure – vom Arzneimittel zum Humankarzinogen? (Priv.-Doz. Heinz Schmeiser), JFunktionelle Bedeutung extrarenaler Renin-Angiotensin-Systeme (Priv.- Doz. Jörg Peters).

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