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Vor der Gesundheitsreform: Unterschiedliche Meinungen in Koalition

BONN (im). Kurz vor der Koalitionstagung zur Gesundheitsreform sind unterschiedliche Auffassungen bei Sozialdemokraten und Grünen sichtbar geworden. Die vom SPD-Gesundheitsexperten Rudolf Dreßler ins Gespräch gebrachte teilweise Einschränkung der freien Arztwahl ist vom Koalitionspartner, der Opposition und vom AOK-Bundesverband kritisiert worden.

In der Klausurtagung am 18./19. Februar wollen SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer Eckpunkte der neuen Gesundheitsreform festlegen. Für den Arzneimittelsektor wird die wichtigste Frage die der Ausgestaltung der Positivliste sein, die sowohl SPD als auch Bündnisgrüne wollen.

Dreßler hatte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vorgeschlagen, mit der Chipkarte die Arztbesuche auf zwei Hausarzt- und einen Facharztbesuch im Quartal zu begrenzen, von Hausarzt-Überweisungen abgesehen. Die SPD will so die Lotsenfunktion des Hausarztes stärken und unnötige Doppeluntersuchungen vermeiden. Sowohl bei Bundesgesundheitsministerin Fischer als auch bei Katrin Göring-Eckardt, der gesundheitspolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion, stieß dies unterdessen auf Kritik. Auch der kleinere Koalitionspartner will die Rolle der Hausärzte stärken, aber die freie Arztwahl nicht einschränken und mehr auf gestärkte Patientenrechte als auf Bevormundung und Reglementierung setzen.

Gewichtiger als diese Frage scheint zudem der Dissens in der wichtigen Frage zu sein, wie das Globalbudget, das die Regierung als Deckel für die Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einführen will, konkret ausgestaltet werden soll. In der Diskussion stehen beispielsweise getrennte Ausgabentöpfe je nach Kassenart oder aber ein kassenartenübergreifendes Budget.

Dreßler hatte in der Zeitschrift Focus darüber hinaus angeregt, neben Löhnen und Gehältern weitere Einkünfte für die Beiträge in der GKV heranzuziehen. Seine Forderung, den Arztwechsel teilweise einzuschränken, ist vom AOK-Bundesverband abgelehnt worden. In einem Bericht in der Neuen Osnabrücker Zeitung äußerte sich der AOK-Verwaltungsratsvorsitzende Gert Nachtigal skeptisch. Die freie Arztwahl solle erhalten bleiben. Nachtigal bezweifelte, ob die Umstellungskosten von mehreren hundert Millionen Mark im vernünftigen Verhältnis zum Nutzen stehe. Weniger als fünf Prozent der Versicherten wechseln nach AOK-Angaben regelmäßig ihren Arzt.

CDU: Mißbrauch bei Chipkarte richtig bekämpfen

Wolfgang Lohmann von der CDU/CSU-Fraktion signalisierte Gesprächsbereitschaft bei der Chipkarte. Die Novellierung der Krankenversichertenkarte solle wenn, dann aber richtig und nicht als Stückwerk erfolgen, weil der Austausch der Karten 300 bis 400 Millionen Mark koste. Ungeeignet sei, die Zahl der Arztbesuche vorzugeben, weil Einzelfälle unberücksichtigt blieben und viele Ausnahmen zugelassen werden müssten. Lohmann schlug vor, jeden Arztbesuch zu registrieren, so dass Besuche an aufeinanderfolgenden Tagen auffielen. Darüber hinaus müsse die Karte aufwendige Diagnoseverfahren und die Arzneimittel enthalten, letzteres, um Medikamentenmüll zu vermeiden, sagte Lohmann.

Gegen die von der SPD geplante Entmündigung des Patienten sprach sich auch der CDU-Sozialpolitiker Dr. Hermann Kues aus. Der Kranke solle nach dem Willen der Sozialdemokraten noch für eine weiter aufgeblähte Bürokratie zusätzlich bluten, indem Einkünfte über das Arbeitseinkommen hinaus herangezogen würden, befürchtete Kues.

Dr. Dieter Thomae von der FDP warnte die SPD vor blinder Reglementierungssucht. Die freie Arztwahl der Patienten werde mit Füßen getreten, und in fast inhumaner Weise werde über den Bedarf von Millionen chronisch Kranker hinweggegangen.

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