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AIDS-Prävention in den neuen Ländern: Stärker an ostdeutschen Gewohnheiten

BONN (bmg). Die nach der Öffnung der innerdeutschen Grenzen von vielen befürchtete rapide Zunahme von HIV-Infektionen in den neuen Ländern ist ausgeblieben. Dieser erfreuliche Zustand lässt sich aber auf Dauer nur aufrechterhalten, wenn AIDS-Prävention in Ostdeutschland sich stärker auf die in der DDR gewachsenen Formen und Orte kommunikativer und sexueller Begegnungen bezieht.

Dies zeigen Ergebnisse eines Forschungsprojekts, das mit Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) am renommierten Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) durchgeführt wurde, so eine Pressemitteilung des BMG.

Ausgangspunkt für die Untersuchung war die Frage, wie die nach wie vor günstigere Zahl an HIV-Infektionen in den neuen Ländern erhalten werden kann. Wie im Westen stellen auch im Osten homosexuelle Männer mit über zwei Dritteln den höchsten Anteil der HIV-Infizierten. Die Ergebnisse einer Befragung der Arbeitsgruppe Public Health im WZB von homosexuell aktiven Männern, Kennern der Szene und AIDS-Experten in den neuen Ländern belegen: Ansprechorte, Formen und Inhalte der AIDS-Prävention, wie man sie nach der Wende in den neuen Ländern von der alten Bundesrepublik übernommen hat, gehen an den Gewohnheiten und Bedürfnissen der schwulen Ost-Männer vielfach vorbei.

So richtet sich z.B. gedrucktes Präventionsmaterial in Aufmachung und Inhalt vorwiegend an das Publikum der kommerziellen schwulen Subkultur. In den neuen Ländern bevorzugen schwule Männer jedoch nach wie vor "gemischte" Lokale, und viele stehen kommerziellen Treffpunkten grundsätzlich ablehnend gegenüber. Zudem bestehen zwischen den Botschaften der AIDS-Prävention in der DDR und der bundesdeutschen Linie Widersprüche, die nicht ausgeräumt sind, und die deshalb auch heute noch häufig zu Desorientierung und Fehlverhalten führen. Dieser Effekt wird durch die erstaunlich häufige und stabile Fehlwahrnehmung von Betroffenen verstärkt, nach der das Gebiet der ehemaligen DDR immer noch eine "epidemiologische Insel" sei.

Der Autor der Studie, Rainer Herrn, sieht aber auch ost-spezifische Möglichkeiten zur Lösung dieser Probleme: "Unter den Ost-Schwulen sind Bedürfnis und Bereitschaft zu Gesprächen nach wie vor besonders hoch. Verbesserungen der AIDS-Prävention hängen davon ab, inwieweit es gelingt, das Gespräch über HIV und AIDS zwischen den schwulen Männern in den neuen Ländern (wieder) in Gang zu bringen."

Projektleiter Rolf Rosenbrock sieht in den Ergebnissen nicht nur wichtige und praktische Ansatzpunkte der Präventionsverbesserung in den neuen Ländern, sondern auch einen Ansatz dafür, dass durch weitere Verfeinerung des zielgruppenspezifischen Vorgehens der "strukturellen Prävention" die Anzahl von ca. 2000 neuen HIV-Infektionen pro Jahr in Deutschland noch gesenkt werden könnte.

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