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Ärzte: Reform zurückziehen

KÖLN (im). Die niedergelassenen Ärzte haben die Regierung zum Rückzug ihrer bisherigen Reformpläne im Gesundheitswesen aufgefordert. Die Arzneimittelbudgets müssten durch Richtgrößen ersetzt werden, forderten sie auf der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am 4. Dezember in Köln. Dort trat überraschend der erste Vorsitzende Dr. Winfried Schorre (58) zurück.

Schorre gab für seinen Schritt, der selbst Vorstand und Geschäftsführung der Organisation am Samstag überraschte, ausschließlich persönliche Gründe an. Der Kölner Psychiater legte auch sein Amt als Vorsitzender der KV Nordrhein nieder. Er habe nicht politisch resigniert, stellte Schorre klar. Er hatte das Amt des Vorsitzenden auf Bundes- und Landesebene seit 1993 inne. Dr. Eckhard Weisner führt die Geschäfte kommissarisch weiter. Am 15. Januar 2000 soll der Nachfolger an die Spitze der Vertretung der rund 110000 niedergelassenen Ärzte gewählt werden, Wunschkandidat des KBV-Vorstands ist Dr. Manfred Richter-Reichhelm aus Berlin.

Der Rücktritt von Schorre aus persönlichen Motiven kam überraschend. Allerdings hätten ihn einige aus politischen Gründen noch vor wenigen Wochen nicht ausgeschlossen, als Unruhen bei der KBV offenkundig wurden. Im Spätsommer hatte der KBV-Chef die Kritik am gemeinsamen Aktionsprogramm mit Bundesgesundheitsministerin und Krankenkassen zur Einhaltung der Arzneibudgets durchgestanden und Rücktrittsforderungen abgeschmettert, im Herbst setzte er sich durch und der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Dr. Lothar Krimmel musste wegen Illoyalität gegenüber seinem Vorsitzenden gehen.

Schritte gegen Arzneibudgets

Am Samstagvormittag noch hatte Schorre in einer engagierten Rede scharfe Kritik an der Politik von Bundesgesundheitsministerin geäußert. Er hatte Andrea Fischer mangelnde Dialogbereitschaft vorgeworfen, Gespräche seien reine "Alibiveranstaltungen" gewesen. In Köln kündigte Schorre die Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten gegen die Arznei- und Heilmittelbudgets an. Kollektive Regresse bei Überschreitung der Grenzen seien nicht nur verfassungswidrig, sondern auch unmoralisch. Sie hätten in einem Solidarsystem nichts zu suchen.

Schorre verwies auf das ungelöste Einnahmeproblem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Mit Blick auf Europa sagte er, die Freizügigkeit der Bürger müsse sich auch im Gesundheitswesen auswirken. Er sprach sich für ein sinnvolles Nebeneinander von Sachleistung und Kostenerstattung in der GKV mit Wahlfreiheit sowohl für Patienten als auch für Ärzte aus.

Die Ärzte wollten die Patienten zu ihren Bundesgenossen gegen die Folgen rotgrüner Politik machen. Gemeinsam mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Professor Jörg Dietrich Hoppe, kündigte Schorre weitere Protestaktionen des "Bündnisses Gesundheit 2000" gegen die Reformpläne der Bundesgesundheitsministerin an.

Neuanfang nötig

In einer Resolution sprachen sich die Ärzte für einen völligen Neuanfang der Gesundheitsreform mit allen Beteiligten aus. Dazu sollte die Vorlage im Vermittlungsausschuss zur Disposition gestellt werden. Eine Reform sei zwar nötig, der Ansatz der Bundesregierung setze jedoch nur die falsche Budgetierungspolitik verschärft fort.

Scharf wurde die geplante Umgehung des Bundesrates durch ein zustimmungsfreies Rumpfgesetz verurteilt. Es sei unverantwortlich, wenn die Reformgesetzgebung zu wahltaktischen Ablenkungsmanövern benutzt werde. Der Versuch, die abgespeckte Version, die lediglich die Beitragssätze sichern solle, als Innovationsförderung zu verkaufen, sei Etikettenschwindel, den die Ärzte mit den anderen Gruppen im Bündnis Gesundheit 2000 bloß stellen wollten. Die Versorgung der Bevölkerung dürfe nicht durch gesetzliche Budgets definiert werden. Die Arznei- und Heilmittelbudgets müssten durch arztgruppenbezogene Richtgrößen abgelöst werden. Anstelle des verfassungswidrigen Kollektivregresses könnte Individualverantwortung eingeführt werden.

Daten von Rechenzentren

Solange die Krankenkassen nicht schnell genug Verordnungsdaten liefern könnten, dürfe der Zugriff auf die Daten der Apothekenrechenzentren nicht per Gesetz ausgeschlossen werden. Nötig sei vielmehr der Zugriff darauf online in pseudonymisierter Form, so die Delegierten.

Die niedergelassenen Ärzte haben die Regierung zum Rückzug ihrer bisherigen Reformpläne im Gesundheitswesen aufgefordert. Die Arzneimittelbudgets müssten durch Richtgrößen ersetzt werden, forderten sie auf der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Dort trat überraschend der 1. Vorsitzende Dr. Winfried Schorre zurück.

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