Feuilleton

Ausstellung: Fremdkörper – Fremde Körper

Unter dem Thema "Fremdkörper - Fremde Körper. Von unvermeidlichen Kontakten und widerstreitenden Gefühlen" zeigt das Deutsche Hygiene-Museum Dresden bis zum 27. Februar 2000 eine Sonderausstellung. Ziel der brillant inszenierten Schau ist es, anhand von 500 Exponaten auf 1000 m2 Fläche die Besucher mit der Konstruktion des Vorurteils und dem Umgang damit zu konfrontieren. Dabei werden nicht etwa nur dessen negative Seiten, sondern auch durchaus positive Aspekte aufgezeigt.

Ein Dorn, der etwa bei der Gartenarbeit in den Daumen eingedrungen ist, sollte so rasch wie möglich entfernt werden. Gelingt es nicht, den Fremdkörper zu beseitigen und die Wunde zu desinfizieren, reagiert der Organismus auf natürliche Weise, um sich gegen die Bakterien abzuschirmen.

Heilsame Fremdkörper

Im medizinischen Bereich wurde der Begriff "Fremdkörper" zuerst verwendet: Führt die Entfernung von Tumoren, Blasen- und Gallensteinen oder gar einem entzündeten Blinddarm zur Heilung, so sind Brillen oder Zahnprothesen "Fremdkörper" im positiven Sinn, die durch den Träger mehr oder weniger akzeptiert werden (müssen).

Auch Implantate wie Herzschrittmacher sind Fremdkörper. Im Interesse einer Genesung ist hier die Akzeptanz durch den Empfänger erforderlich. Schwieriger ist es hingegen, den heilsamen Fremdkörper auch auf der psychischen Ebene in das eigene Ego zu integrieren. Oft verhalten Patienten sich reserviert, wenn etwa der behandelnde Arzt ein Afrikaner oder die Krankenschwester eine Inderin ist. Die Ausstellung appelliert daher, im Fremden weder einen Typus noch eine Bedrohung zu sehen, sondern jeweils ein Individuum.

Pseudowissenschaftliche Fremdenfeindlichkeit

Dass es hier immensen Nachholbedarf gibt, zeigen mannigfache Beispiele. Um 1800 wurde versucht, mit pseudowissenschaftlichen Untersuchungen einzelner Körperteile fremde Völker als "Typen" zu klassifizieren. Exponate aus dieser Epoche bis zu zeitgenössischen Zeugnissen dokumentieren die Klischeevorstellungen, die von Generation zu Generation weitervermittelt wurden und sogar im ausgehenden zweiten Jahrtausend noch unter uns verbreitet sind.

Sogar Kinderschuhe mit applizierten "Negerlein" belegen, dass wir uns auch im Zeitalter der Globalisierung noch gegen Fremde abgrenzen. Allenfalls als "Dienstleister auf Abruf" werden sie akzeptiert: "In diesem Land bin ich willkommen", so der Eindruck des Kochs Lee Hua. Gleichzeitig schränkt er ein: "Solang' mein Essen schmeckt." "Ich bin einer von Euch", wird der Automechaniker Orhan Türksever auf einem anderen Plakat der "Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus" zitiert. Zumindest, "solang' Eure Autos laufen".

Installation zum Nachdenken

Die Video-Installation "Thougths" des Künstlers York der Knöfel bietet Gelegenheit, das Vertraute im Fremden und das Fremde im Vertrauten zu entdecken: Auf 48 Monitoren erzählen Menschen aller Altersgruppen und unterschiedlichen Aussehens ihre persönliche Alltagsgeschichte. Wer sie genau beobachtet und ihnen vielleicht sogar per Kopfhörer zuhört, erfährt, dass sie zwar fremd sind, aber doch ganz anders als vermutet. Jeder von ihnen ist nämlich ein Individuum mit einer eigenen Biographie, die kennen zu lernen sich im Interesse eines differenzierten Urteils für ein humanes Miteinander ganz gewiss lohnt.

Ausstellungsdaten

Ort: Deutsches Hygiene-Museum, Lingnerplatz 1, 01069 Dresden, Tel. (0351) 4846-304, Fax (0351) 4846-588, Internet: www.dhmd.de Geöffnet: Montag bis Freitag 9.00 bis 17.00 Uhr, Mittwoch bis 20.30 Uhr; Samstag, Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr. Jeden Mittwoch um 18.00 Uhr wird eine kostenlose Führung angeboten.

Katalog: 250 Seiten, 150 teils farbige Abbildungen, Hatje Cantz-Verlag (ISBN 3-7757-0845-6), 68 DM (im Museumsshop: 34 DM; kein Versand).

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