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Vielleicht wird es ja doch noch klappen – so ist von Optimisten in der Regierungskoalition zu hören. Vielleicht lasse der Bundesrat Andrea Fischers "GKV-Gesundheitsreform 2000" ja doch noch passieren. Immerhin habe doch der Gesundheitsausschuss des Bundesrates am Mittwoch letzter Woche mit 9 zu 7 Stimmen zugestimmt.

Es wäre ein Wunder, wenn es auch im Plenum so käme. Und Wunder gibt es bekanntlich selten – auch in der Politik. In den Ausschüssen des Bundesrates hat jedes Land nur eine Stimme. Die politische raison de survivre von Länderkoalitionen schlägt dort nicht unbedingt durch. Für das SPD/FDP-regierte Rheinland-Pfalz hat z. B. der SPD-Gesundheitsminister Gerster im Ausschuss "pro" gestimmt, im letztlich entscheidenden Bundesratsplenum wird er sich mit Rücksicht auf das Überleben seiner Koalition der Stimme enthalten müssen – was einer Ablehnung gleich kommt. Hinzu kommt, dass die größeren Länder im Plenum jeweils bis zu 6 Stimmen haben, die ganz kleinen maximal die Hälfte (was allerdings immer noch viel zu viel ist, wenn man die Einwohnerzahlen zu Grunde legt).

Der rot-grüne Gesetzentwurf für die "Gesundheitsreform 2000" wird also in der Form, wie er – knapp am Eklat vorbei – den Bundestag passiert hat, am Bundesrat scheitern. Ein Konsens mit der Opposition, die im Bundesrat die Mehrheit hat, wird sich angesichts der tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten in der Kürze der Zeit nicht mehr finden lassen. Ob es im nächsten Jahr vor der NRW-Wahl noch dazu kommen kann, darf bezweifelt werden.

Was bleibt? Die Koalition wird versuchen zu retten, was zu retten ist – mit einem Rumpf- oder Notgesetz, das nicht mehr der Zustimmung des Bundesrates bedarf und schon einen Namen hat: "1.GKV-Innovationsförderungsgesetz". So heißt es jedenfalls in einem non-paper, das zwar in der Welt ist, aber am Dienstag (noch) munter dementiert wurde.

Der kostenträchtige Krankenhaussektor kann dabei im wesentlichen nicht angepackt werden. Damit bleibt die Reform ein Torso. An der Positivliste will die Koalition festhalten. Sie scheint immer noch nicht verstanden zu haben, was sie sich damit antut. Wenn es konkret wird, wird es wegen der Positivliste Krach geben – nicht zuletzt auch innerhalb der Koalition. Bekommt die Alternativmedizin über einen Anhang zur eigentlichen Positivliste einen Persilschein? Wie lässt sich das rechtfertigen, wenn gleichzeitig an chemisch definierte Arzneimittel die anspruchsvolle Messlatte der evidence based medicine angelegt wird?

Spannend wird auch, was aus dem Arzneimittelbudget wird. Ob das dort nach § 84 Abs. 1 bisher vorgesehene Referenzwertsystem (Benchmarking) ohne eine Zustimmung des Bundesrates auskommt, ist keinesfalls eine triviale juristische Frage. Selbst wenn es so wäre – die Regierung wäre klug beraten, diesen Irrsinn zu lassen. Die kollektive Budgetierung, (kombiniert mit einer ebenso kollektiven Regressandrohung bei Überschreitung) führt immer tiefer in die Rationierung – aus der verschämten, versteckten Rationierung wird immer häufiger die offene, brutale Rationierung werden. Die Prügel dafür werden nicht nur Ärzte bekommen, sie werden versuchen, die Wut – einem Blitzableiter vergleichbar – ins Zentrum der Regierungskoalition weiter zu leiten.

Hat die Koalition immer noch nicht verstanden, dass die Arzneimittelausgaben im ambulanten Bereich in den verschiedenen Regionen (KV-Bezirken) berechtigterweise differieren können – z. B. wegen unterschiedlicher Morbidität, unterschiedlicher Befreiungsquote (z. B. als Folge unterschiedlicher Arbeitslosigkeit) und unterschiedlicher Verteilung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung?

Wenn schon Benchmarking, dann müssten neben allen relevanten Unterschieden in der Bevölkerungsstruktur (Alter, Geschlecht, Morbidität) auch alle Ausgabensektoren einbezogen werden. Beschränkt auf die ambulante Arzneimittelversorgung führt die Ausrichtung an den "billigsten" Versorgungsbezirken zu kontraproduktiven Umsteuerungen, z. B. zur Kosten treibenden Verlagerung vom ambulanten auf den stationären Bereich.

Klaus G. Brauer

Hoffen auf ein Wunder

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