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Kolloidchemie und Pharmazie

Im Anschluss an die diesjährige Hauptversammlung lud die Kolloidgesellschaft am 30. September 1999 zu einem Sondersymposium an die Universität Würzburg ein, um den pharmazeutischen Technologen Prof. Dr. Herbert Rupprecht, der sich seit April 1997 im Ruhestand befindet, als verdientes Mitglied zu ehren. Das Thema lautete: "Kolloidchemische Aspekte in der Pharmazie, den Lebensmittelwissenschaften sowie der Kosmetik".

Ehrung für Professor Rupprecht

Professor Schwuger, der 1. Vorsitzende der Kolloidgesellschaft, ehrte Herbert Rupprecht zum Auftakt der Veranstaltung mit einer Urkunde. Damit drückt die Kolloidgesellschaft ihre Würdigung und ihren Dank für Rupprechts langjährige aktive Tätigkeit in der Gesellschaft, insbesondere bei der Anwendung kolloidchemischer Prinzipien auf Probleme der pharmazeutischen Technologie, aus.

Professor Lagaly, Kiel, zeichnete in seiner Laudatio auf den Ehrengast ein Bild sowohl des Wissenschaftlers wie auch des Menschen Rupprecht. Er illustrierte seine Worte mit zahlreichen, auch privaten Photographien aus dem Leben Rupprechts.

Rupprecht studierte Pharmazie in München; daran schloss sich eine Promotion unter der Leitung von Prof. Dr. Elsa Ullmann in pharmazeutischer Technologie an (Dezember 1968). Seine Dissertation hatte er über "Wechselwirkungen zwischen kationischen Arzneistoffen und kolloidaler Kieselsäure Aerosil® unter Berücksichtigung verschiedener Milieubedingen" geschrieben. Dies war der Grundstein für die weitere Forschungsrichtung.

Hauptforschungsgebiet: Adsorption und Adsorbate

Intensive Kontakte zum Institut für anorganische Chemie, insbesondere zu Armin Weiß, Gerhard Lagaly und Hans-Peter-Boehm, wirkten enorm stimulierend auf die weiteren Arbeiten Rupprechts. Diese führten ihn im September 1974 mit der Arbeit "Grenzflächenreaktionen in Arzneiformen" zur Habilitation. Danach wirkte er als Oberassistent in München.

1976 folgte er einem Ruf auf die C4-Professur für Pharmazeutische Technologie der Universität Regensburg, nachdem er zuvor ein Angebot aus Kiel abgelehnt hatte. Obwohl sehr viel Zeit und Energie in den Aufbau der Pharmazie in Regensburg zu stecken war, litt der Forschungsdrang Rupprechts nicht. Unermüdlich bearbeitete er neue Fragestellungen aus dem breiten Spektrum der Kolloidwissenschaften im Bereich der Galenik.

Besonders wichtig waren:

  • Adsorption grenzflächenaktiver Stoffe an anorganische Festkörper auf Basis von SiO2, TiO2 und Schichtsilicaten.
  • Einsatz anorganischer Trägersubstanzen zur Steuerung der Wirkstoffliberation.
  • Chemisorbate an Siliciumdioxiden.
  • Chemische Stabilität Hydrolyse- und/oder Oxidationsempfindlicher Substanzen in Adsorbaten an Festkörperoberflächen.
  • Polymerwechselwirkungen und deren Anwendung in der Arzneiformung.

Durch die Kontinuität, mit der Rupprecht diese wissenschaftlichen Themen bearbeitete, wurde er zum ausgewiesenen Experten für Adsorptionsprobleme. Den krönenden Abschluss der kolloidchemischen Arbeiten bildete das Postulat isolierter Admizellen an Festkörperoberflächen, das Rupprecht gemeinsam mit Gu entwickelt hat. Als akademischer Lehrer zeichnete sich Rupprecht durch didaktisches Geschick aus, weswegen er auch außerhalb seiner Universität stets ein gern gesehener Referent war.

Ähnlichkeit mit dem Maiglöckchen

Resümierend stellte Lagaly fest, dass es viele Parallelen des Menschen Rupprecht zum Maiglöckchen, Convallaria majalis, gebe: Zum einen sei dieses für seine herzstärkende Wirkung bekannt. Einige Ärzte der Renaissance, für die es noch das Hauptherzstärkungsmittel war, erwählten es als ihr Emblem. Man nannte es "salus mundi" (Heil der Welt).

Außerdem war es im Volk stets ein Symbol der Hoffnung auf Liebe, Glück und das Ende allen Kummers; da man es mit Maria identifizierte, auch eines der Demut oder Bescheidenheit. Dies, so Lagaly, alles Eigenschaften die er an Rupprecht in der nun schon viele Jahre dauernden Freundschaft kennen und schätzen gelernt hat.

Das wissenschaftliche Programm des Sondersymposiums bildeten vier Plenarvorträge, die kolloidchemische Aspekte in den Bereichen Pharmazie, Kosmetik und Lebensmittelwissenschaften beleuchteten.

Von Nanopartikeln bis Emulsionen

Prof. Dr. Friberg, Potsdam (N.Y.), referierte über "Some fundamental phenomena in topical application of active substances". Das Verdunsten flüchtiger Komponenten nach der topischen Applikation eines Mehrphasensystems beeinflusst dessen kolloidchemischen Aufbau und damit auch die Wirkstoffabgabe. Insofern ist das Vehikel, das wir applizieren, nicht dasselbe, aus dem der Wirkstoff abgegeben wird. Deshalb ist es überaus wichtig, die Strukturveränderungen, die sich nach der Applikation ergeben, zu kennen.

Prof. Dr. Kirsten Westesen, Jena, berichtete über "Neuartige auf Lipiden beruhende kolloidale Dispersionen als potenzielle Arzneistoff-Applikationssysteme - Erwartungen und Wirklichkeit". Injizierbare, kolloidale Trägersysteme müssen in der Pharmazie sehr hohe Anforderungen erfüllen. Am Beispiel des Ubidecarenon (Ubichinon 50, Coenzym Q10) zeichnete sie das Bild einer zukünftigen Generation von nanopartikulären Zubereitungen: trägerfreie Systeme, bei denen der Wirkstoff selbst in nanopartikulärer Form vorliegt.

Prof. Dr. W. Buchheim, Kiel, berichtete in seinem Vortrag "Mikrostrukturanalyse kolloidaler Lebensmittelsysteme" von Erkenntnissen, die diesbezüglich in den vergangenen Jahren vor allem an Milch und Milchprodukten gewonnen wurden. Mit Hilfe lichtoptischer Methoden, vor allem Transmissions- und Rasterelektronenmikroskopie, und unterschiedlicher Präparationstechniken visualisierte er Vorgänge in kolloidalen Lebensmittelsystemen, die durch unterschiedliche Verarbeitungsschritte ausgelöst werden. Diese Erkenntnisse können genutzt werden, um gezielt bestimmte Produktstrukturen und Eigenschaften zu erzielen.

Prof. Dr. K.-P. Wittern, Hamburg, referierte über "Rheologische Messmethoden zur Charakterisierung von Emulsionen". Mit Hilfe der Rheologie kann eine Vorhersage der kosmetischen Akzeptanz eines Produktes gemacht werden. Für die Akzeptanz ist sowohl ein primäres als auch ein sekundäres Hautgefühl von Bedeutung. Ersteres lässt sich vorteilhaft mit einem Schubspannungs-gesteuerten Rheometer, das letztere besser mit einem Drehzahl-gesteuerten oder Kapillar-Rheometer ermitteln.

Den Ausklang der Veranstaltung bildeten zwei Blöcke von Diskussionsvorträgen, bei denen in jeweils zwei parallelen Sitzungen Wissenschaftler ihre Ergebnisse zur Diskussion stellten.

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