Arzneimittel und Therapie

Akute Migräneattacken: Triptane sind erste Wahl

Triptane zählen heute zu den Migränetherapeutika der ersten Wahl. Mittlerweile gibt es mehrere Präparate, die sich nur wenig voneinander unterscheiden, und weitere Triptane befinden sich in der klinischen Prüfung. Doch auch ältere Präparate wie die Mutterkornalkaloide haben noch ihre Berechtigung in der Migränetherapie.

Wer unter Migräne leidet, muss häufig darum kämpfen, dass seine Erkrankung ernst genommen wird. Nur etwa 30% der Betroffenen gehen überhaupt zum Arzt, die anderen behelfen sich mit Schmerzmitteln aus dem Selbstmedikationsbereich. Wenn diese jedoch nicht mehr ausreichen und das physische, psychische und soziale Wohlbefinden der Betroffenen stark beeinträchtigt ist, müssen spezifischer wirkende Präparate unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden.

Als Mittel der ersten Wahl werden in der modernen Migränetherapie im akuten Anfall vor allem die Triptane eingesetzt. Sie sollten möglichst früh und spezifisch nur bei Migräneattacken eingesetzt werden, bei anderen Kopfschmerzformen wirken sie nicht. Triptane sollten außerdem nicht mehr als 10 Tage pro Monat eingesetzt werden.

Die Migräneattacke hat vier Stadien

Klinisch wird eine Migräneattacke in vier Stadien unterteilt: 1. Die Prodromalphase beginnt bereits 24 bis 48 Stunden vor dem Auftreten der Schmerzen mit Heißhunger, Stimmungsschwankungen, Polyurie; 2. die Auraphase (bei ca. 10 bis 15% der Patienten) mit Gesichtsfelddefekten, Fortifikationen, wandernden Skotomen; 3. die (eigentliche) Schmerzphase und 4. die Entspannungsphase mit erhöhtem Schlafbedürfnis und Symptomen, die klinisch häufig gegensätzlich zu den Begleitsymptomen der Prodromalphase erscheinen.

Wenn man die vielfältigen klinischen Symptome, die im Rahmen einer Migräneattacke auftreten können, betrachtet, wird klar, dass die Pathophysiologie nicht aus einem singulärem Mechanismus besteht, sondern das Ergebnis vieler unterschiedlicher ineinander greifender Mechanismen ist, die getrennt betrachtet werden müssen.

Wie der Schmerz entsteht

Bei der Schmerzentstehung geht man heute von der neurovaskulären Hypothese aus. Diese besagt, dass es nach der Auslösung durch einen Trigger zu einer Dilatation der meningealen Arterien kommt. Die angeschwollenen Gefäße aktivieren trigeminale Schmerzfasern, welche die meningealen Gefäße netzartig umschließen und das Schmerzsignal an das Gehirn übermitteln. In diesen Fasern werden verschiedene vasoaktive Neuropeptide, wie Calcitonin-gene-related-peptide (CGRP), Substanz P und Neurokinin A gespeichert. Diese Neuropeptide werden im Migräneanfall freigesetzt und sind wahrscheinlich für den eigentlichen Migränekopfschmerz verantwortlich, denn sie setzen eine Kettenreaktion in Gang, die über eine reine Gefäßerweiterung hinausgeht: So werden sekundär weitere Mediatoren wie Histamin, Serotonin und Prostaglandine freigesetzt. Ferner werden gefäßständige Enzymsysteme wie die Cyclooxigenase aktiviert, die ihrerseits mit der Synthese von Prostaglandinen reagiert. Dadurch kommt es zu einer Entzündung an den kranialen Gefäßen.

Diese Effekte können durch die Aktivierung von Serotonin1B- und -1D-Rezeptoren begrenzt und beendet werden. Serotoninagonisten (5-HT1B/D-Agonisten) wie die Triptane aktivieren zum einen 5-HT1B-Rezeptoren, die auf der glatten Muskelzelle sitzen und verengen so die pathologisch gedehnten Gefäße im Kopf. Ferner können 5-HT1D-Rezeptoren, die im Trigeminus-Ganglion gebildet werden, die Peptid-Freisetzung unterbrechen. Neben dieser Wirkung direkt am Gefäß haben Triptane wahrscheinlich auch einen zentralen Ansatzpunkt und wirken auf der Höhe des Hirnstamms.

Die Aura-Symptomatik

Etwa 10 bis 15% der Migräne Patienten berichten über eine sogenannte Aura, die 30 bis 60 Minuten anhält: visuelle Phänomene in Form von wandernden Skotomen, Fortifikationen, Gesichtsfeldausfällen oder auch fokalen neurologischen Reizen und Ausfallsymptome, die sich kontinuierlich ausbreiten.

Die sich meist ausbreitenden oder auch wandernden Symptome ähneln einem neurophysiologischen Phänomen: der Cortical Spreading Depression (CSD). Hierbei handelt es sich um eine sich langsam (2-5 mm/min) ausbreitende (Spreading) neokortikale Depolarisationswelle, gefolgt von einem wachsendem Band elektrischer Hypoaktivität (Depression). Gleichzeitig ist meist der Blutfluss gestört. Bekannte Auslöser der CSD sind hohe extrazelluläre Kalium-Konzentrationen, elektrische Stimuli, fokale Ischämien oder mechanische Verletzungen des Kortex. Die Depolarisation wird durch exzitatorische Aminosäuren (Glutamat und Aspartat) vermittelt und ist bisher nur durch NMDA-Rezeptorantagonisten blockierbar.

Möglicherweise existiert ein Spreading-Depression-artiges Phänomen beim Menschen, das für die Aura verantwortlich ist. Wodurch dieses Phänomen getriggert wird und weshalb es nur bei 10 bis 15% der Migränepatienten auftritt, ist noch ungeklärt.

Anwendungsbeobachtung mit Rizatriptan

Triptane sind das Mittel der Wahl zur Behandlung von Migräneattacken. Sie wirken selektiv auf die 5-HT1B-Rezeptoren an Blutgefäßen und bewirken dadurch deren Kontraktion. An den Koronararterien befinden sich vor allem 5-HT2A-Rezeptoren, die durch die Triptane kaum beeinflusst werden. Dennoch sind alle Triptane bei kardiovaskulären Risikofaktoren kontraindiziert.

Außerdem blockieren Triptane über ihre Wirkung auf 5-HT1D-Rezeptoren die trigeminusinduzierte Ausschüttung von Neuropeptiden, und hemmen damit Entzündungserscheinungen an den duralen und menigealen Gefäßen im Rahmen einer Migräneattacke. In der Initialphase einer Migräneattacke hemmen Triptane auch die zentralnervöse afferente Aktivität. Alle heute auf dem Markt befindlichen Triptane sind in ihrer Wirkung vergleichbar, ebenso wie Eletriptan, das derzeit entwickelt wird. Sie unterscheiden sich vor allem in ihren physikochemischen Eigenschaften.

Rizatriptan weist einen besonders raschen Wirkungseintritt auf. Es wird oral sehr schnell resorbiert, bereits nach 50 Minuten werden maximale Plasmakonzentrationen erreicht. Die Bioverfügbarkeit ist mit 45% sehr hoch. Nachdem plazebokontrollierte Phase-III-Studien gezeigt haben, dass die Wirkung von Rizatriptan 10 mg bereits nach 30 Minuten einsetzt und rund 71% der behandelten Patienten nach 2 Stunden über eine Schmerzlinderung berichten, wurde in einer weiteren Studie unter Praxisbedingungen die Effektivität und Verträglichkeit von Rizatriptan analysiert.

In einer offenen Anwendungsbeobachtung wurden insgesamt 33187 Migränepatienten mit Rizatriptan 10 mg behandelt. In einem standardisierten Schmerztagebuch dokumentierten 25487 Patienten die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Rizatriptan 10 mg. Insgesamt sind in den Schmerztagebüchern 70491 Migräneanfälle prospektiv dokumentiert worden. Die Patienten waren zu 18% Männer und zu 80% Frauen. Das mittlere Lebensalter betrug 42,7 Jahre. Die Migräne bestand bei den Patienten im Mittel seit 12,2 Jahren. Die mittlere Attackenfrequenz betrug rund 2 Migräneattacken pro Monat. Am häufigsten betrug die Attackenlänge 2 Tage. Rund 87% der Patienten gaben an, während der Migräneattacken in ihrer Funktionsfähigkeit stark eingeschränkt zu sein, oder sogar bettlägerig zu sein. Der weit aus größte Teil der Patienten erhielt eine medikamentöse Vorbehandlung, wobei in erster Linie Antiemetika, Analgetika und Ergotamine eingesetzt wurden. Nur 17,3% der behandelten Patienten hatten bereits Erfahrungen mit Triptanen.

Die Wirkung von Rizatriptan trat sehr schnell ein. Bei 38% der behandelten Anfälle berichteten die Patienten über ein Eintreten der Wirkung bereits nach 30 Minuten. Bei weiteren 41 % stellte sich die Wirkung innerhalb eines Zeitraumes von 30 bis 60 Minuten ein. Komplette Schmerzfreiheit wurde bei 28% innerhalb von 30 bis 60 Minuten erreicht, bei 47% wurde Schmerzfreiheit innerhalb von 60 bis 120 Minuten dokumentiert. Im Langzeitverlauf, bei wiederholter Behandlung mehrerer Attacken, zeigte sich, dass der Anteil der Patienten, die nach einer halben bis einer Stunde nach Tabletteneinnahme schmerzfrei waren, von Migräneattacke zu Migräneattacke zunahm. Unerwünschte Ereignisse traten nur bei 649 der behandelten Patienten auf. Der überwiegende Anteil der Patienten (92%) setzte die Therapie mit Rizatriptan 10 mg am Ende der Anwendungsbeobachtung fort.

Sind Mutterkornalkaloide eine Alternative?

Eine Konsensusgruppe kam vor kurzem zu dem Schluss, dass Substanzen der ersten Wahl zur Behandlung akuter Migräneattakken Triptane sind. Nach Meinung des Neurologen Prof. Dr. Hans-Christoph Diener haben Mutterkornalkaloide aber dennoch ihren Platz in der modernen Migränetherapie, denn immerhin werden diese Substanzen bereits seit 70 Jahren zur Behandlung der Migräne eingesetzt, die Erfahrungen mit den Triptanen reichen dagegen erst 9 Jahre zurück.

In der Wirksamkeit sind Triptane den Mutterkornalkaloiden eindeutig überlegen. Ein weiterer Nachteil der Mutterkornalkaloide: Sie haben eine komplexe Pharmakologie, binden an viele Rezeptoren und erzeugen damit zahlreiche unerwünschte Wirkungen. Außerdem ist ihr Nutzen wissenschaftlich nicht gut belegt. Mutterkornalkaloide hatten laut Diener allerdings nie eine wirklich faire Chance, da die meisten klinischen Studien in Zeiten durchgeführt wurden, als es noch keine heute akzeptierten Studiendesigns gab.

Die Wiederkehr von Kopfschmerzen scheint jedoch bei Mutterkornalkaloiden seltener zu sein als bei den Triptanen. Ein medikamenteninduzierter Dauerkopfschmerz kann bei beiden Substanzgruppen auftreten, dies scheint aber bei den neuen Triptanen schneller zu gehen als bei Ergotamin. Der wichtigste Vorteil der Mutterkornalkaloide ist ihr relativ geringer Preis.

Auch wenn heute Triptane die Mittel der ersten Wahl sind, sollten Patienten, die ihre Attacken erfolgreich mit Mutterkornalkaloiden behandeln, nicht umgestellt werden, und auch bei Neueinstellungen kann sich ein Versuch mit Mutterkornalkaloiden lohnen.

Triptane zählen heute zu den Migränetherapeutika der ersten Wahl. Mittlerweile gibt es mehrere Präparate, die sich nur wenig voneinander unterscheiden, und weitere Triptane befinden sich in der klinischen Prüfung. Doch auch ältere Präparate wie die Mutterkornalkaloide haben noch ihre Berechtigung in der Migränetherapie.

Migräne in Stichworten

  • Prävalenz: 14% Frauen, 7% Männer und 4% Kinder; in Deutschland sind etwa 6,5 Mio Menschen betroffen
  • Symptome: anfallsartige, episodisch auftretende, pulsierende, pochende Kopfschmerzen, zumeist einseitig, Schmerzverstärkung bei Bewegung, häufig verbunden mit neurologischen Ausfallerscheinungen wie Seh- und Sprachstörungen
  • Auslöser ("Triggerfaktoren"): z. B. Schokolade, Rotwein, Käse, Stress, Wetterumschwung, Hormone
  • Schmerzentstehung: Aktivierung des trigemino-vaskulären Systems
  • Therapiemöglichkeiten: Akuttherapie, Prophylaxe, nichtmedikamentöse Verfahren (z.B. Muskelentspannung nach Jacobson)
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