Arzneimittel und Therapie

Infektionskrankheiten: Interferon alfacon-1 gegen Hepatitis C

Interferon alfacon-1 ist ein neues gentechnisch hergestelltes Interferon zur Behandlung der Hepatitis C. Es soll unter dem Handelsnamen Inferax® in den nächsten Wochen in Deutschland eingeführt werden. Das neue Interferon kann in der Primärtherapie der Hepatitis C sicher und effektiv eingesetzt werden. Speziell Patienten mit hoher Viruslast und einer Infektion mit HC-Viren vom Genotyp 1 profitieren von Inferax®. Mit Inferax® lassen sich auch dann noch Erfolge erzielen, wenn Patienten auf die Interferon-Primärtherapie nicht angesprochen haben oder wieder rückfällig wurden.

Hierzulande sind schätzungsweise 500000 bis 800000 Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert, weltweit sind es etwa 150 Millionen. Infizierte Patienten zeigen oft jahrelang keine oder nur unspezifische Symptome, doch als Spätfolge einer chronische Hepatitis C kann sich eine Zirrhose bis hin zum Leberversagen oder ein Leberzellkarzinom entwickeln.

Hepatitis C - die unheimliche Gefahr

Vor zehn Jahren wurde im Wissenschaftsmagazin "Science" das Hepatitis-C-Virus zum ersten Mal beschrieben. Es war ausschließlich mit molekularbiologischen Methoden entdeckt worden. Nach seiner Erstbeschreibung konnte es nun auch bei vielen Patienten mit Hepatitis-Erkrankungen unklarer Genese nachgewiesen werden.

Heute weiß man, dass in Deutschland etwa 0,7 bis 1,0 Prozent der Bevölkerung mit diesem Virus infiziert sind. Risikogruppen mit hoher Prävalenz sind:

  • Patienten mit Hämophilie (70 bis 90 Prozent),
  • i.v. Drogenabhängige (50 bis 90 Prozent),
  • chronische Dialysepatienten (5 bis 30 Prozent) sowie
  • Patienten mit Posttransfusionshepatitis (60 bis 80 Prozent).

Insgesamt muss in Deutschland mit etwa 500000 bis 800000 chronischen Hepatitis-C-Virusträgern gerechnet werden. Die Prävalenz der chronischen HCV-Infektion liegt in anderen Ländern, z. B. im Mittelmeerraum mit etwa 2%, deutlich höher. In Afrika, Südostasien und Südamerika tragen je nach Region sogar bis zu 40% der Bevölkerung das Virus in sich.

Übertragungswege

}Die klassischen Übertragungswege des Hepatitis-C-Virus sind parenteral, beispielsweise über Blutkonserven, Plasmaprodukte (Gerinnungsfaktoren, Immunglobuline), Mehrfachverwendung von Injektionskanülen (bei Reihenimpfungen, in Süditalien früher häufig verwendete "Familienspritzen") sowie beim intravenösen Drogenabusus ("needle-sharing"). Weitere dokumentierte Übertragungswege sind die Organtransplantation, die Plasmaseparation mit Reinfusion korpuskulärer Blutbestandteile, Hämodialyseeinheiten und mangelnde Hygiene, beispielsweise bei Tätowierungen und beim Piercing.

  • Unter anderem können Nadelstichverletzungen zur HCV-Transmission führen. Insgesamt tritt die Hepatitis-C-Virusinfektion bei medizinischem Personal allerdings nicht häufiger auf als bei Blutspendern. Wie für HIV beschrieben, ist auch für HCV eine Transmission durch mangelnde hygienische Bedingungen im Rahmen ärztlicher oder zahnärztlicher Behandlungen denkbar.
  • Eine vertikale Transmission des Hepatitis-C-Virus von der Mutter auf das Kind ist möglich. Dieses Risiko liegt anhand bisheriger Studien bei unter 10%, erhöht sich jedoch bei einer Koinfektion mit HIV und HCV deutlich.
  • Die erhöhte Prävalenz von anti-HCV-Antikörpern bei homosexuellen Männern unterstreicht die Annahme, dass eine sexuelle Transmission des Hepatitis-C-Virus möglich ist. Dieses Risiko ist bei heterosexuellen Partnern aber zumindest in westlichen Ländern niedrig (0 bis 5%) und nur bei solchen Praktiken erhöht, bei denen es zu Verletzungen kommen kann.
  • Noch 1985 enthielten etwa 0,5% aller Blutprodukte das HC-Virus, damals wurde das Risiko einer Übertragung noch nicht ernst genommen. Heute ist nur noch eine von 20000 Blutkonserven infiziert. Seit dem 1. April 1999 ist eine PCR-Direkttestung der Proben Pflicht, die Sicherheit ist dadurch deutlich erhöht werden.
  • Das Hepatitis-C-Virus zählt zur Familie der Flaviviridae. Innerhalb dieser Familie können das Dengue- und Gelbfiebervirus durch Stechmücken übertragen werden. Hinweise auf einen analogen Transmissionsweg liegen für das HCV allerdings nicht vor.

Oft ist es schwer, die Ursache der Erkrankung zu ermitteln, weil die Infektion bereits 20 Jahre vor Beginn der aktuellen Symptome stattgefunden haben kann. In fast 40% der Erkrankungsfälle in Deutschland lässt sich nicht herausfinden, wie das Virus übertragen wurde; 34% erhielten das Virus über Blutprodukte (vor 1990); bei 21% der Patienten ist intravenösen Drogengebrauch die Ursache, und 4% haben sich beim Sex angesteckt.

Akute Erkrankung verläuft häufig mild

Die Inkubationszeit der transfusionsbedingten Hepatitis-C-Virusinfektion liegt zwischen 5 und 12 Wochen mit Extremwerten von 2 bis 26 Wochen. Die akute Phase der Erkrankung ist häufig durch einen milden, oft sogar inapparenten und anikterischen Krankheitsverlauf gekennzeichnet. Fulminante Verläufe sind zumindest in westlichen Ländern ausgesprochen selten. Die akute Hepatitis C kann zu einem hohen Prozentsatz chronisch werden (50 bis 80%). Diese Angaben beziehen sich auf den persistierenden Nachweis HCV-spezifischer RNA und sind nicht gleichbedeutend mit chronischer Hepatitis.

Histologische Untersuchungen bei Patienten mit persistierend normwertigen Transaminasen allerdings ergaben, dass in fast allen Fällen entzündliche Veränderungen in den Portalfeldern nachweisbar waren. Nicht bekannt ist, wie häufig eine "gesunder" HCV-Trägerstatus ist. Damit sind Menschen gemeint, bei denen zwar Virus im Blut nachgewiesen werden kann, die Leber jedoch histologisch unauffällig ist und auch die Leberenzyme nicht erhöht sind. Möglicherweise handelt es sich hier auch nur um ein frühes Stadium einer langsam progredienten HCV-Infektion oder einer schubweise verlaufenden Erkrankung.

Chronische Erkrankung: uncharakteristische Symptome

Klinisch sind die Symptome der chronischen Hepatitis C ebenfalls häufig uncharakteristisch und mild. Dazu gehören Müdigkeit und rechtsseitige Oberbauchbeschwerden. Biochemisch charakteristisch sind fluktuierende Transaminasenerhöhungen im chronischen Verlauf. Langfristig entwickeln etwa 20 bis 30% der Patienten mit chronischer Hepatitis C eine Leberzirrhose. Gefährdet sind vor allem männliche Patienten über 40 Jahre, die regelmäßig mehr als 5 g Alkohol täglich zu sich nehmen.

Vom Zeitpunkt der Infektion bis zur Entwicklung einer Zirrhose vergehen im Schnitt etwa 30 Jahre. Vor allem bei älteren Infizierten kann diese Entwicklung auch schneller gehen, bei etwa 33% weniger als 20 Jahre. Infizieren sich jüngere Menschen, kann es (bei 31%) allerdings auch mehr als 50 Jahre dauern, bis es zur Leberzirrhose kommt. Wenn sich eine Leberzirrhose entwickelt hat, ist auch das Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom erhöht.

Problematische Therapie

Eine Impfung gegen das HCV gibt es derzeit noch nicht, und die Aussicht auf einen wirksamen Impfstoff ist wegen der hohen Variabilität des Erregers gering. Auch die Behandlungserfolge sind noch mäßig: Mit dem Goldstandard zur Behandlung der Infektion, der Kombination von Interferon alpha-2a oder -alpha-2b und Ribavirin, lassen sich etwa 40% der Patienten heilen. Alpha-Interferone hemmen die Virusreplikation und zerstören die Virus-RNA. Eine Monotherapie mit Interferon reicht allerdings zur Behandlung der Infektion nicht aus.

Etwa 50% der Patienten sprechen auf eine derartige Therapie (dreimal 3 Mio. I.E. Alpha-Interferon pro Woche) nicht an, und von den Patienten, die primär auf eine Therapie ansprechen, erleiden 50 bis 80% innerhalb eines halben Jahres nach Therapieende wieder einen Rückfall (Relapser). Nach sechs Monaten Therapie sind also höchstens 15 bis 20% Responder zu erwarten. Durch die Kombination mit Ribavirin erhöht sich die Erfolgsquote. Gute Voraussetzungen für einen Therapieerfolg sind weibliches Geschlecht, eine niedrige Virusmenge sowie keine Fibrose.

"Consensus-Interferon"

Interferon alfacon-1 ist ein neues Interferon, das in der Natur nicht vorkommt. Es unterscheidet sich von den bisher verfügbaren Interferonen in seiner Aminosäure-Sequenz. Das neue Interferon entstand durch die Analyse verschiedener Subtypen der Alpha-Interferone. An jeder Position der Sequenz wurde die Aminosäure eingebaut, die bei den analysierten Interferon-Subtypen am häufigsten vorkam - daher wird das Resultat auch als Consensus-Interferon bezeichnet. Interferon alfacon-1 besitzt eine 10fach höhere Bindungsaffinität für den Interferon-Rezeptor als Alpha-Interferone.

In präklinischen Studien entwickelte das neue Interferon in virusinfizierten Zellkulturen eine 10fach höhere antivirale Aktivität als natürliche Interferone. Seine klinische Wirksamkeit hat es in zwei großen multizentrischen Studien bewiesen. Vor allem bei der Primärtherapie von Problempatienten sowie nach einem zweiten Therapiezyklus bei Non-Respondern und bei rückfälligen Patienten (Relapsern) waren mehr Erfolge als mit den anderen Alpha-Interferonen zu verzeichnen.

Zwei klinische Studien

In der ersten randomisierten und doppelblinden Studie erhielten 704 bisher nicht mit Interferon behandelte Patienten 24 Wochen lang dreimal wöchentlich subkutan entweder 3 µg bzw. 9 µg Interferon alfacon-1 oder 3 Mio. I. E. Interferon alpha 2b. Nach einer Nachbeobachtungszeit von weiteren 24 Wochen wurden 337 Non-Responder bzw. Relapser in die zweite Studie aufgenommen und dreimal wöchentlich mit 15 µg Interferon alfacon-1 behandelt. Eine Patientengruppe bekam diese höhere Dosis 24 Wochen lang, die zweite Gruppe 48 Wochen lang. Dabei sprachen etwa gleich viele Patienten auf 9 µg Interferon alfacon-1 und 3 Mio. I.E. Interferon alpha 2b an. Beide Interferone waren dreimal wöchentlich subkutan injiziert worden.

Kontrolliert wurde der therapeutische Erfolg sowohl am Ende der Behandlung wie auch nach einer Nachbeobachtungszeit von weiteren 6 Monaten mit einem hochsensitiven Test, der noch 100 Virus-RNA-Kopien pro ml Serum nachweisen kann. Sind am Ende der Nachbeobachtungszeit keine Viren mehr nachweisbar, gilt dies als dauerhafte Ansprechrate. Gemessen am virologischen Erfolg ist Interferon alfacon-1 in der 9-µg-Dosis dem Vergleichs-Interferon sowohl unmittelbar am Ende der Therapie wie auch nach weiteren 24 Wochen Nachbeobachtung mindestens ebenbürtig.

Bei dieser Studie war das neue Interferon bei einigen problematischen Untergruppen dem Vergleichs-Interferon überlegen. Dazu gehören beispielsweise Patienten mit hoher Viruslast: Je mehr Viren im Serum nachweisbar sind, desto schwieriger ist die chronische Hepatitis C mit Interferon zu behandeln. In der Studie sprachen nun gerade die Patienten mit anfänglich besonders hoher Viruslast besser auf Interferon alfacon-1 als auf Interferon alpha-2b an.

Rund zwei Drittel der Patienten waren mit Hepatitis-C-Viren vom Genotyp 1 infiziert - einer besonders problematische Virus-Variante, die schlechter als die Genotypen 2 und 3 auf eine Interferon-Therapie anspricht. Hier zeigte sich Interferon alfacon-1 dem Vergleichs-Interferon signifikant überlegen: Unmittelbar nach der Inferax®-Behandlung war das Virus bei jedem vierten Patienten nicht mehr nachweisbar, in der Vergleichsgruppe waren es nur 15%. Auch am Ende der Nachbeobachtungszeit war Interferon alfacon-1 mit einer dauerhaften Ansprechrate von 8% gegen 4% immer noch tendenziell überlegen.

Ein anderer Parameter für die therapeutische Wirkung ist die Leberhistologie. Bei 55% der mit Interferon alfacon-1 behandelten Patienten besserte sich das histologische Bild signifikant. Die Leberhistologie besserte sich auch bei Patienten, deren Leberenzyme noch erhöht waren oder bei denen noch Viren nachweisbar waren - und sogar bei bereits zirrhotischer Leber. Bei Patienten mit Zirrhose konnten auch die Viren ähnlich oft wie in der gesamten Gruppe unter die Nachweisgrenze gedrückt wurden.

Studie mit Non-Respondern und rückfälligen Patienten

Im Anschluss an die Erstbehandlungs-Studie wurden 337 Non-Responder bzw. rückfällige Patienten (Relapser) dreimal wöchentlich mit einer Dosis von 15 µg Interferon alfacon-1 therapiert. Eine Gruppe erhielt das Medikament 24 Wochen lang, die zweite Gruppe wurde 48 Wochen lang behandelt.

Bei den rückfälligen Patienten gab es am Ende der Re-Treatment-Phase bei den virologischen Ansprechraten keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Entscheidend ist jedoch der dauerhafte Erfolg am Ende der Nachbeobachtungszeit. Hier kristallisierte sich der Vorteil der längeren Therapie klar heraus: Die 48-wöchige Behandlung mit Inferax® hatte doppelt so vielen Patienten zu einem therapeutischen Dauererfolg verholfen (58 vs. 28%).

Therapieversager und rückfällige Patienten

Therapieversager und rückfällige Patienten haben in früheren Studien kaum von einer erneuten Therapie mit den bisher verfügbaren Alpha-Interferonen profitiert. Dagegen sprachen 58% der Patienten, die nach dem ersten Behandlungszyklus mit 9 µg Inferax® oder 3 Mio. I.E. Interferon alpha 2b einen Rückfall erlitten hatten, auf eine zweite Behandlung mit einer höheren Interferon alfacon-1-Dosis (15 µg) dauerhaft an. Dies ist vergleichbar mit der Wirkung einer Wiederbehandlung mit einer Kombination aus Ribavirin und Interferon alpha-2b. Von den Therapieversagern der Erstbehandlung (Non-Responder) sprachen 13% auf die erneute Therapie mit Inferax® an. Dies ist besser als die Ergebnisse der Wiederholungsbehandlung von Non-Respondern mit anderen Interferonen, die in der Literatur mit 0% bis 3% beschrieben werden.

Nebenwirkungen wie andere Interferone

Die Nebenwirkungen von Interferon alfacon-1 sind mit denen anderer Interferone vergleichbar. Bei den Nebenwirkungen unterscheiden sich 9 mg Interferon alfacon-1 und 3 Mio. I. E. Interferon alpha-2b praktisch nicht. Die Nebenwirkungsprofile von 9 µg Inferax® und der höheren Dosis von 15 µg Inferax® sind ähnlich.

Viele Patienten berichten von vorübergehender Müdigkeit oder Myalgien, bei einigen kam es zu Fieber oder depressiven Verstimmungen. Die Inzidenz dieser Nebenwirkungen stieg nicht an, wenn das neue Interferon länger (12 statt 6 Monate) oder in höherer Dosis (15 µg statt 9 µg) gegeben wurde. Obwohl Interferon alfacon-1 in der Natur nicht vorkommt, entwickelten die Patienten nicht häufiger Antikörper als gegen Interferon alpha 2b.

Interferon alfacon-1 ist ein neues gentechnisch hergestelltes Interferon zur Behandlung der Hepatitis C. Es soll unter dem Handelsnamen Inferax in den nächsten Wochen in Deutschland eingeführt werden. Das neue Interferon kann in der Primärtherapie der Hepatitis C sicher und effektiv eingesetzt werden. Speziell Patienten mit hoher Viruslast und einer Infektion mit HC-Viren vom Genotyp 1 profitieren von Inferax. Mit Inferax lassen sich auch dann noch Erfolge erzielen, wenn Patienten auf die Interferon-Primärtherapie nicht angesprochen haben oder wieder rückfällig wurden.

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