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Impfungen: Aufklärung ist dringend notwendig

STUTTART (ral). Fragt man den Durchschnittsbürger auf der Straße nach seinem Impfstatus, erhält man nur einen fragenden Blick und ein Achselzukken. Was bei Kleinkindern noch als selbstverständlich gilt, wird bereits bei Teenagern zur Nebensache. "Impfen ist doch überflüssig", so der Tenor, mit dem man in der Arztpraxis und in der Apotheke konfrontiert wird. Dass diese Einstellung gefährlich ist, braucht hier sicher nicht erklärt zu werden. Ändern kann man sie nur durch verstärkte Aufklärungsarbeit. Unter dem Motto "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" riefen daher auch Karin Wahl von der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg und Dr. Gisela Dahl von der Landesärztekammer Baden-Württemberg am 25. Oktober im Rahmen einer Pressekonferenz zu mehr Aufklärung über die Notwendigkeit von Impfungen auf.

Es hört sich erstaunlich an, ist aber dennoch wahr: Deutschland zählt in Sachen Impfung noch immer zu den Entwicklungsländern. Zumindest die von der WHO gesteckten Ziele für das Jahr 2000 wie die Ausrottung der Poliomyelitis oder der Röteln-Embryopathie werden hierzulande nicht annähernd erreicht.

Alarmierend sind vor allem die Impflücken bei Erwachsenen und speziell bei Senioren in Deutschland. So sind zwar 90% der Kleinkinder gegen Diphtherie, Tetanus und Poliomyelitis geimpft, von den 10 bis15-jährigen besitzen aber bereits nur noch 70% einen wirkungsvollen Impfschutz gegen diese drei Infektionskrankheiten. Bei der Gruppe der 18 bis 20-jährigen weisen nur noch 50 Prozent einen ausreichenden Schutz gegen Tetanus auf, 49 Prozent gegen Diphtherie, 55 Prozent gegen Polio - und dieser Abwärtstrend setzt sich mit zunehmendem Lebensalter fort. Den schlechtesten Impfschutz weist mit weniger als 30 Prozent die Gruppe der Frauen über 60 Jahre auf.

Bei Masern, Mumps und Röteln werden bereits von Anfang an unzureichende Durchimpfungsraten in Deutschland erreicht: nur etwa 70% der Kleinkinder werden geimpft. Das bedeutet, dass jährlich etwa 200000 Kinder ohne Impfschutz gegen Masern bleiben. Deutschland gilt daher auch als Haupt-"Exporteur" von Masern in andere, nahezu masernfreie Länder wie die USA, was diese unter anderem dazu veranlasst hat, bei Kindern, die im Rahmen eines Schüleraustauschs in die Staaten wollen, eine Masernimpfung zu verlangen.

Impfangst ist die eine Ursache...

Für die mangelnde Impfbereitschaft der Deutschen spielen zwei Dinge eine Rolle. Im Fall der nicht- oder nur unzureichend geimpften Kleinkinder sind meist Ängste der Eltern vor der "krankmachenden" Impfung oder vor Impfzwischenfällen die Ursache. Schauergeschichten und auch Berichte von tatsächlichen Impfzwischenfällen lassen viele Eltern vor der Impfung zurückschrecken und die Gefahren, denen das Kind durch die Unterlassung ausgesetzt ist, vergessen.

Diesen Eltern gilt es, die Angst vor der Impfung zu nehmen und gleichzeitig die Notwenigkeit derselben zu verdeutlichen, z. B. durch Aufzählung einiger Zahlen: Vergleicht man die Häufigkeit an Komplikationen durch eine Impfung mit der Häufigkeit bei der entsprechenden Erkrankung, erhält man z. B. im Fall der Enzephalitis nach Maserninfektion ein Risiko von 1 : 1500, nach der Masernimpfung bei 1 : 1 Million. Das Risiko, nach einer Polioinfektion eine bleibende Lähmung zurückzubehalten, liegt bei 1 zu 100, nach der Polioimpfung dagegen bei Null.

...Impfmüdigkeit die andere

Eine weitere Ursache, warum Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen, liegt im geringen Stellenwert, den sie den Impfungen beimessen. Umfragen haben ergeben, dass Schutzimpfungen bei Eltern nur auf Platz 4 rangieren - hinter Vorsorgeuntersuchungen, Unfallverhütung und vitaminreicher Ernährung.

Auch für sich selbst erachten die meisten Erwachsenen Impfungen als überflüssig. Daran gedacht wird immer erst dann, wenn eine Fernreise geplant wird - und auch dann meist erst im allerletzten Moment. Hier gilt es, darauf aufmerksam zu machen, dass 1. Auch Infektionskrankheiten, die bei uns bereits als "ausgerottet" galten, aufgrund der verstärkten "Völkerbewegung" plötzlich wieder auftreten können. 2. Gerade auf Fernreisen immer mit der Infektion mit einem für uns "exotischen" Erreger gerechnet werden muss.

Ein Beispiel für eine "wiederkommende" alte Infektionskrankheit ist Diphtherie. Seit Jahren hierzulande nur noch theoretisch als Krankheit bekannt, fordert die Diphtherie derzeit aus Osten kommend auch in Deutschland wieder Opfer. In Russland und andern GUS Staaten sind 50000 Erkrankte registriert, mehr als 2500 Menschen starben bereits an den Folgen.

Ein aktuelles Beispiel für die Gefahr, der man sich ohne ausreichenden Impfschutz auf einer Fernreise aussetzen kann, ist der Fall des deutschen Kameramanns, der vor kurzem an den Folgen einer Gelbfieberinfektion gestorben ist. Die immer wiederkehrenden Meldungen über Malariaerkrankungen sind weitere.

Ängste nehmen und aufmerksam machen

Ängstliche Eltern beruhigen und sorglose Erwachsene aufrütteln - das ist die Aufgabe, vor die Ärzte und Apotheker gestellt werden. Die Ärzteschaft, so Frau Dahl, hat bereits damit begonnen, indem die Erlaubnis zu impfen von einigen wenigen Facharztgruppen auf alle Ärzte ausgeweitet wurde. In regelmäßigen Impfseminaren sollen die "hinzugekommenen" Ärzte nun auf ihre Aufgabe vorbereitet und auch für die Notwendigkeit der Impfaufklärung sensibilisiert werden.

Die Apotheke, so Frau Wahl, hat auch in diesem Fall die Aufgabe unterstützend zu beraten und aufzuklären. Zwar sind Impfstoffe verschreibungspflichtig und fallen als solche unter das Heilmittelwerbegesetz, eine neutrale Aufklärung über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen ist aber in jedem Fall möglich und wünschenswert. Sei es durch Einzelberatungen, durch Handzettel, Schaufensteraktionen oder Seminare - Möglichkeiten zur Beratung gibt es viele, man muss sie nur regelmäßig wahrnehmen.

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