Arzneimittel und Therapie

Chronische Polyarthritis: Zytokine als therapeutische Ansatzpunkte

In einem entzündeten Gelenk finden sich vermehrt proentzündliche Zytokine, die als vielversprechendes Angriffsziel für neue Therapien der chronischen Polyarthritis angesehen werden. Insbesondere das Prinzip der TNF-alpha-Blockade bedeutet einen Fortschritt für die Behandlung.

Zytokine sind lösliche Proteine, die nach stimulatorischen Signalen vor allem von immunkompetenten Zellen gebildet und ausgeschüttet werden. Nur bei einem kleinen Teil der über 50 bekannten Zytokine ist die immunologische Funktion charakterisiert worden. Die meisten Zytokine lösen als Botenstoffe komplexe immunologische, pro- oder antientzündliche Reaktionen aus. Diese können allerdings, je nach Zielzelle, Zielort und Aktivierungsstatus der Umgebung, ganz unterschiedlich ausfallen.

Ztokine, die bei der chronischen Polyarthritis im arthritischen Gelenk gebildet werden, werden nach ihrer vermeintlichen pathophysiologischen Funktion eingeteilt in

  • proentzündliche Zytokine sowie Chemokine,
  • vermeintlich antientzündliche Zytokine und
  • Antizytokinmoleküle.

Pro- und antientzündliche Zytokine

Die proentzündlichen Zytokine regulieren den Einstrom und die Aktivierung von Entzündungszellen sowie das Überleben und die Vermehrung verschiedener Zellen (z.B. Fibroblasten und Knorpelzellen). Die vermeintlich antientzündlichen Zytokine wirken punktuell in der Blockade anderer Zytokine oder systemisch in der entzündungshemmenden Regulation bestimmter Zelltypen wie Fibroblasten. Antizytokinmoleküle, zum Beispiel lösliche proteinspezifische Rezeptoren, kontrollieren die Entzündung, indem sie die proentzündlichen Zytokine vor der Bindung an den Rezeptor abfangen oder vom Rezeptor verdrängen.

In der Synovialflüssigkeit ("Gelenkschmiere") von Patienten mit chronischer Polyarthritis werden Zytokine aus allen drei Gruppen nachgewiesen. Allerdings scheint das Gleichgewicht zu Gunsten der proentzündlichen Zytokine verschoben zu sein. Daher wurden in den letzten Jahren Versuche unternommen, die Erkrankung durch Eingriff in das Zytokin-Netz zu behandeln.

Therapiestrategien gegen TNF-alpha

Besonders gut belegt ist die Bedeutung der proentzündlichen Zytokine TNF-alpha, Interleukin(IL)-1 und -6 für die Entstehung der chronischen Polyarthritis. Im Gelenk der Patienten scheint eine Hierarchie der proentzündlichen Zytokine vorzuliegen: TNF-alpha reguliert die Bildung und Freisetzung von IL-1β und IL-6.

In Therapiestudien an Patienten mit chronischer Polyarthritis wurden zwei chimäre Antikörper gegen TNF-alpha eingesetzt:

  • der chimäre Mensch IgG1/Maus anti-TNF-alpha monoklonale Antikörper (mAk) cA2
  • der chimäre Mensch IgG4/Maus TNF-alpha monoklonale Antikörper (mAk) CDP571.

Doppelblindstudie mit Antikörper

cA2 wurde in einer Doppelblindstudie an vier europäischen Zentren mit 73 Patienten getestet. Die Teilnehmer bekamen randomisiert Plazebo oder den chimären TNF-alpha monoklonalen Antikörper in einer Dosis von 1 oder 10 mg/kg. Die Studie ergab signifikante Unterschiede zwischen der Plazebogruppe und den Verumgruppen bezüglich der klinischen Parameter und der serologisch-immunologischen Kriterien. Mit dem chimären Antikörper CDP571 wurden etwas geringere Erfolge erzielt.

Die Antikörper-Infusion wurde gut vertragen. Bis zu 10% der Patienten entwickelten allerdings in der Nachbeobachtungszeit IgG- oder IgM-Antikörper gegen doppelsträngige DNS oder Cardiolipin. Ebenfalls klinisch geprüft wird ein Fusionsprotein aus humanem IgG1 und dem p75 TNF-alpha-Rezeptor (Etanercept, Enbrel®).

Ist auch eine längerfristige Behandlung erfolgreich?

Die Studien zeigen, dass die kurzzeitige Blockade von TNF-alpha erfolgreich sein kann. Ob sich die Ergebnisse auf eine längerfristige Behandlung oder die Therapie anderer Autoimmunerkrankungen übertragen lassen, bleibt zu klären. Zumindest für Morbus Crohn erwies sich die TNF-alpha-Blockade als gutes Behandlungsprinzip bei aggressiven Krankheitsverläufen.

Die Wirksamkeit einer langfristigen TNF-alpha-Blockade hängt davon ab, ob neben der Entzündungsreaktion in der Gelenkschmiere auch Knorpel- und Knochenschäden verringert werden können. Des Weiteren muss überprüft werden, ob die Langzeittherapie zu Nebenwirkungen, wie malignen Erkrankungen oder Autoimmunphänomenen, führen kann.

Hauptproblem Antikörper

Studien zur wiederholten Applikation der Antikörper ergaben teilweise eine kürzere und geringere Wirksamkeit im Vergleich zur ersten Infusion. Das Hauptproblem bei der wiederholten Anwendung chimärer monoklonaler Antikörper scheint das Auftreten humaner antichimärer Antikörper (HACA) bei rund der Hälfte der Behandelten zu sein. Hierdurch können allergische Reaktionen ausgelöst werden, es kann aber auch die Halbwertszeit des chimären Antikörpers verkürzt und seine Bindung an das TNF-alpha-Protein behindert werden. Um die Entwicklung von HACA zu verhindern, wurde ein völlig humanisierter monoklonaler Antikörper gegen TNF-alpha entwickelt (D2E7). Er befindet sich derzeit in der klinischen Prüfung.

Um eine bessere Toleranz gegen den monoklonalen Antikörper zu induzieren, kann dieser auch mit einem traditionellen Immunsuppressivum wie Cyclophosphamid, Azathioprin oder Methotrexat kombiniert werden. Die Kombination der TNF-alpha-Blockade mit Methotrexat war in zwei Studien wirksamer als die Einzelsubstanzen.

Blockade von Interleukin-1

Die biologischen Wirkungen von Interleukin-1 werden durch zwei Kompensationssysteme reguliert:

  • den löslichen IL-1-Rezeptor und
  • den IL-1-Rezeptorantagonisten (IL- 1RA).

IL-1RA bindet an IL-1-Rezeptoren, ohne in der Zelle Signale auszulösen. In einer Doppelblindstudie wurde ein rekombinanter humaner IL-1RA an Patienten mit chronischer Polyarthritis eingesetzt. Die Patienten erhielten den Rezeptorantagonisten sechs Monate lang subkutan in einer Tagesdosis bis zu 150 mg. Hohe Dosen mit täglicher Applikation erzielten relativ gute klinische Ergebnisse. Zusätzlich verlangsamte IL-1RA das röntgenologisch nachgewiesene Fortschreiten der Gelenkzerstörung. Auch ein löslicher rekombinanter humaner IL-1-Rezeptor wurde intraarteriell und - weniger erfolgreich - systemisch appliziert.

Insgesamt sind die Wirksamkeitsdaten zur Blockade von IL-1 weniger überzeugend als die zur Blockade von TNF-alpha. Denkbar ist eine Kombinationstherapie aus beiden, falls die IL-1-Blockade tatsächlich Knorpel- und Knochenzerstörung verhindern kann, während TNF-alpha die Entzündung reduziert.

Hemmung von Interleukin-6

In einer Pilotstudie bekamen fünf Patienten mit chronischer Polyarthritis zehn Tage lang einen murinen monoklonalen Antikörper gegen Interleukin-6 injiziert. Dabei wurden einige klinische Verbesserungenen registriert. Daher scheint nach Humanisierung oder Chimärisierung des Antikörpers eine Fortführung der Studie unter plazebokontrollierten Doppelblind-Bedingungen sinnvoll.

Interferon gamma

Auch mit Interferon gamma wurde versucht, in das Zytokin-Netz bei chronischer Polyarthritis einzugreifen und so den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen. Allerdings setzten beispielsweise in einer Fünf-Jahres-Studie die meisten Patienten die Substanz wegen Mangels an anhaltendem Erfolg wieder ab.

In einem entzündeten Gelenk finden sich vermehrt proentzündliche Zytokine, die als vielversprechendes Angriffsziel für neue Therapien der chronischen Polyarthritis angesehen werden. Insbesondere das Prinzip der TNF-alpha-Blockade bedeutet einen Fortschritt für die Behandlung.

Zytokine, die lokal im arthritischen Gelenk produziert werden

1. Proinflammatorische Zytokine IL-2, IL-6, IL-8, IL-15, IL-18, TNF-alpha, GM-CSF und Chemokine RANTES 2. Putative antiinflammatorische Zytokine IL-4, IL-10, IL-13, TGF-beta 3. Antizytokinmoleküle TNF-alpha-Rezeptor p55 bzw. p75, IL-1-Rezeptor, IL-1-Rezeptorantagonist

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