Arzneimittel und Therapie

Drogensucht: Substitution als Grundlage der Abstinenz

Bei Drogensüchtigen empfehlen Suchtexperten eine Substitutionstherapie, denn ihrer Ansicht nach lässt sich Abstinenz auf anderem Weg kaum erreichen. Die Substitutionsbehandlung ist komplex und beinhaltet immer eine psychosoziale Betreuung des Patienten. Neben Methadon-Razemat und Levomethadon wird es in Deutschland mit Levo-Alpha-Acetylmethadol (LAAM) bald eine neue Substanz zur Substitution opiatabhängiger Menschen geben.

Abstinenz bleibt Behandlungsziel

Abstinenz, gesundheitliche Stabilisierung, berufliche Integration und soziale Rehabilitation lauten die klassischen Ziele der Suchttherapie. In der Substitutionstherapie opiatabhängiger Patienten werden diese Ziele nicht in Frage gestellt, sondern lediglich die Reihenfolge geändert. An erster Stelle steht nicht länger die Abstinenz, denn 60 bis 90 Prozent werden nach einer Abstinenzbehandlung wieder rückfällig.

Angesichts dieser düsteren Lage konzentriert man sich heute zunächst auf die Substitution. Damit läßt sich der Gesundheitszustand der Süchtigen stabilisieren; soziale Integration und berufliche Rehabilitation sind wieder möglich. "Wenn das alles einigermaßen stabil ist, dann schaffen die Leute auch die Abstinenz", meinte Prof. Dr. Markus Gastpar. "Wir wollen eine Umkehrung, aber keine Änderung der Ziele".

Gegenargumente nicht stichhaltig

Die Gegner der Substitutionstherapie bringen Argumente vor, die ungerechtfertigt sind, sagte Gastpar. So träfe der Einwand, die Abgabe von Suchtmitteln verstärke die Abhängigkeit, nicht zu, weil man nach den gesetzlichen Bestimmungen nur solche Menschen substituieren dürfe, die schwer abhängig sind. Falsch ist nach Gastpar auch die Ansicht, durch Substitution erfolge keine Änderung des Suchtverhaltens. Wissenschaftliche Studien zeigen nämlich, dass die Substitution positive Effekte auf das Suchtverhalten hat: Sie führt unter anderem zu einer deutlichen bis vollständigen Abnahme des illegalen Opiatkonsums, zur Abnahme der Beschaffungskriminalität und zu einer Besserung der beruflichen oder schulischen Lage der Substituierten.

Effektivität steigern

Die Substitutionsbehandlung mit Methadon stellt Studien zufolge für viele Patienten eine zeitlich befristete Behandlungsform dar, wenn sie die vollständige Abstinenz innerhalb von Monaten oder wenigen Jahren erreichen. Eine große Gruppe von Patienten sind aber auf eine jahrelange Erhaltungstherapie mit Methadon angewiesen. Die Effektivität der Substitutionsbehandlung kann gesteigert werden, wenn Arzt und Patient gemeinsam klare Ziele definieren, wenn die Substitutionstherapie von einer intensiven psychosozialen Betreuung begleitet und wenn das Problem des Beikonsums von Heroin, Benzodiazepinen oder Cocain durch "Verhaltensstrategien" und "Bewältigungskonzepte" gelöst wird.

Komplexe Strategie

Die Substitution opiatabhängiger Menschen erfordert eine komplexe Strategie. Jede Behandlung muss ein sinnvolles Konzept haben, das Kontakte zur Drogenberatung und zu anderen Betreuungsstellen beinhalten muss. Die Einstellung auf Methadon erfolgt in kleinen Schritten, indem man die Dosis mit Blick auf eine stabile Befindlichkeit des Patienten erhöht. Der Substituierte muss seinen Beikonsum, in erster Linie Benzodiazepine nach Cocain, je nach pharmakologischen Kriterien sofort einstellen oder schrittweise reduzieren. Regelmäßige körperliche Untersuchungen und Labortests sind notwendig. Dazu kommen unregelmäßige Screenings, um einen etwaigen Beikonsum von Drogen zu entdecken. Wichtig ist die psychosoziale Betreuung des Patienten, die nicht selten den Erfolg oder Misserfolg der Substitution ausmacht.

Levomethadon und Razemat

1998 nahm in Deutschland schätzungsweise die Hälfte der 120000 i.v.-drogenabhängigen Menschen an einem Substitutionsprogramm mit Levomethadon oder Methadon-Razemat teil. Das vollsynthetische Opioid Methadon ist ein Razemat und besteht zu gleichen Teilen aus den beiden Enantiomeren Dextro- und Levomethadon. Die Wirkung des Razemats, das es in Deutschland seit diesem Jahr auch als Fertigarzneimittel gibt (Methaddict®), beruht im wesentlichen auf dem Anteil des linksdrehenden Levomethadons. Beide Substanzen sind lipophil, überwinden rasch die Blut-Hirnschranke und wirken ähnlich stark wie Morphin am µ-Opioidrezeptor. Mit durchschnittlich 35 Stunden besitzen sie eine sehr lange Eliminationshalbwertszeit. Das hat den Vorteil, dass ein konstanter Plasmaspiegel mit einer einmal täglichen Einnahme erzielt wird.

LAAM bald auch in Deutschland

Levo-Alpha-Acetylmethadol (LAAM) ist ein synthetischer µ-Opioidrezeptor-Agonist, der oral angewendet wird. Seit 1993 ist die Substanz in den USA zur Substitutionsbehandlung zugelassen; europäische und deutsche Zulassung sind beantragt. Nach der deutschen Zulassung wird es voraussichtlich nicht erlaubt sein, heroinabhängige Patienten sofort mit LAAM einzustellen, sondern erst nach einigen Wochen Behandlung mit Methadon. Wegen der sehr langen Halbwertszeit (etwa 2,5 Tage) wird ein konstanter Plasmaspiegel der LAAM-Metaboliten nämlich erst nach frühestens 2 Wochen erzielt. Aufgrund der bisher vorliegenden klinischen Studien ist die LAAM-Substitution der Methadonbehandlung hinsichtlich Effektivität und unerwünschter Wirkungen vergleichbar, hinsichtlich des Heroinbeikonsums überlegen.

Keine tägliche Einnahme notwendig

Die sehr lange Halbwertszeit von LAAM ist der Grund dafür, dass die Substanz nicht täglich eingenommen werden muss. Um möglichst gleichmäßige Plasmaspiegel zu erreichen, empfiehlt sich eine Verordnung "jeden zweiten Tag". Aus praktischen Gründen wird man jedoch eine Verordnung "montags-mittwochs-freitags" bzw. "dienstags-donnerstags-samstags" wählen. Bei diesen Dosierungsintervallen muss allerdings vor dem Wochenende die erforderliche LAAM-Dosis in Einzelfällen um bis zu 40 Prozent erhöht werden.

Take-home-Rezepte gefordert

Die amerikanische Zulassung sieht nicht vor, dass Substituierte ihre LAAM-Trinktabletten aus der Apotheke mitnehmen und zu Hause einnehmen. Damit will man in erster Linie den Handel mit LAAM in der Drogenszene unterbinden. Auch die deutsche Zulassung wird kein Take-home-Rezept enthalten. Suchtmediziner setzen sich jedoch für eine Take-home-Regelung bei LAAM ein. Diese soll an strenge Bedingungen gekoppelt werden und ist in erster Linie für Patienten mit hoher Compliance gedacht, die nachweislich keine anderen psychotropen Substanzen konsumieren.

Bei Drogensüchtigen empfehlen Suchtexperten eine Substitutionstherapie, denn ihrer Ansicht nach lässt sich Abstinenz auf anderem Weg kaum erreichen. Die Substitutionsbehandlung ist komplex und beinhaltet immer eine psychosoziale Betreuung des Patienten. Neben Methadon-Razemat und Levomethadon wird es in Deutschland mit Levo-Alpha-Acetyl-Methadol (LAAM) bald eine neue Substanz zur Substitution opiatabhängiger Menschen geben.

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