Arzneimittel und Therapie

Rhinovirus-Infektion: Tremacamra - ein Mittel gegen Schnupfen?

Nicht nur die Behandlung der Virusgrippe, sondern auch die der gewöhnlichen Erkältung macht Fortschritte: Ein rekombinantes lösliches ICAM-1-Molekül (Tremacamra), intranasal angewendet, senkte bei einer künstlich herbeigeführten Rhinovirus-Infektion die Schwere der Erkältungssymptome. Dies galt sowohl, wenn die Behandlung vor dem Viruskontakt begann, als auch, wenn sie erst einige Stunden danach einsetzte.

Für die weitaus häufigste Infektionskrankheit, die Erkältung, gibt es bislang keine wirksame Behandlung. Rhinoviren sind für etwa 70% der Erkältungen verantwortlich. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Rhinovirus-Serotypen. Die meisten - 90 der 101 beschriebenen - docken über das interzelluläre Adhäsionsmolekül 1 (ICAM-1) an Zellen an. Die Blockade dieses Zellrezeptors ist deshalb ein vielversprechender Ansatz, um Erkältungen zu verhindern oder zu behandeln.

Lösliches ICAM-1

Ein monoklonaler Antikörper gegen ICAM-1 war bei Freiwilligen mit einer künstlich durch Rhinoviren herbeigeführten Erkältung allerdings nur von kurzem Erfolg: Nach Absetzen der Behandlung breitete sich das Virus stärker aus, und die Symptome waren schwerer als ohne Behandlung.

Ein rekombinantes lösliches ICAM-1 (Tremacamra, zuvor unter dem Namen BIRR 4, von Boehringer Ingelheim), das nur aus dem extrazellulären Teil des Rezeptors besteht, war in verschiedenen Zelllinien gegen ein breites Spektrum von Rhinoviren wirksam. Jetzt wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Tremacamra bei Rhinovirus-Infektionen erstmals bei Menschen geprüft.

Studien an gesunden Freiwilligen

In vier randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudien bekamen gesunde Freiwillige, die nasal mit dem Rhinovirus Typ 39 inokuliert wurden, Tremacamra oder ein Plazebo intranasal verabreicht. Zwei Studien fanden an der University of Virginia statt. Hier wurde die Studienmedikation bereits sieben Stunden vor der Inokulation verabreicht.

Die beiden anderen Studien wurden an der Medical University of South Carolina durchgeführt. Hier bekamen die Teilnehmer erst 12 Stunden nach der Inokulation erstmals die Studienmedikation. An beiden Zentren wurde in jeweils einer Studie Tremacamra in Form eines Dosieraerosols verabreicht, in der anderen Studie als Pulverinhalat mit Carboxymethylcellulose (CMC, als Clearance-Verzögerer) und Mannitol. Die Studien mit dem Pulverinhalat hatten zwei Plazebogruppen: Eine verwendete ein CMC-Mannitol-haltiges Pulverinhalat, die andere ein Mannitol-haltiges.

Die Teilnehmer waren gesunde Freiwillige von 18 bis 60 Jahren. Der Antikörper-Titer durfte maximal 1:4 betragen, ein Garant für eine ausreichende Empfindlichkeit gegenüber dem verwendeten Virus. Alle Teilnehmer wurden vom Studientag 0 (Tag der Inokulation mit dem Virus) bis zum Tag 8 in Hotelzimmern isoliert. Sie bekamen sieben Tage lang in Drei-Stunden-Abständen sechs Dosen Tremacamra in einer Tagesdosis von 4,4 mg zur intranasalen Anwendung. Bis zum Tag 14 bewerteten sie die Schwere ihrer Erkältungssymptome auf einer Skala von 0 bis 3.

Wirksam und gut verträglich

Untersucht wurde die Wirkung von Tremacamra auf die Infektionsrate, die durch Virusisolation und Serokonversion festgestellt wurde, auf die Erkrankungsrate, die Symptomschwere und die Menge an Nasenschleim. Da keine signifikanten Unterschiede zwischen den Studien vorlagen, wurden die Ergebnisse gemeinsam ausgewertet.

  • 98 Personen wurden randomisiert, 196 erhielten die Studienmedikation. Die Wirksamkeitsanalyse erfasste 177 Teilnehmer, davon 96 mit Plazebo und 81 mit Tremacamra.
  • 92% der mit Plazebo Behandelten und 85% der mit Tremacamra Behandelten waren mit dem Rhinovirus infiziert.
  • Der Gesamtpunktwert der Symptome betrug mit Plazebo 17,6, mit Tremacamra 9,6 (45% weniger).
  • 67% der mit Plazebo Behandelten und 44% der mit Tremacamra Behandelten litten an einer klinisch manifesten Erkältung. Auch die Menge des Nasenschleims, die durch Auswiegen der benutzten Papiertaschentücher von Tag 1 bis 7 bestimmt wurde, war mit Tremacamra reduziert: von durchschnittlich 32,9 auf 14,5 g (um 56%).

Tremacamra war insgesamt gut verträglich. Die Pulverinhalation führte bei etwa jedem vierten Teilnehmer zu Nasenreizungen. Dies betraf sowohl die Verumgruppe als auch die Plazebogruppe mit dem CMC-haltigen Pulverinhalat. Daher dürfte CMC die Ursache der Reizung sein. Es gab keinen Hinweis darauf, dass Tremacamra durch die Nasenschleimhaut resorbiert wurde.

Die Schwere der Symptome wird reduziert

Demnach reduziert die ICAM-1-Behandlung - egal ob vor oder nach dem Viruskontakt begonnen - die Schwere der Erkältungssymptome. Daher könnte sich die Rezeptorblockade für die Prophylaxe Rhinovirus-bedingter Erkältungen eignen. Ob die Behandlung auch dann greift, wenn sie erst nach Beginn der ersten Symptome einsetzt, muss noch gezeigt werden. Weiterhin bleibt zu klären, ob die gefürchteten Komplikationen von Erkältungen - insbesondere Entzündungen von Mittelohr und Nasennebenhöhlen sowie Verschlimmerungen eines bestehenden Bronchialasthmas - unter der Behandlung seltener auftreten.

Literatur Turner, R. B., et al.: Efficacy of tremacamra, a soluble intercellular adhesion molecule 1, for experimental rhinovirus infection. J. Am. Med. Assoc. 281, 1797-1804 (1999). McIntosh, K.: Closer to a cure for the common cold? J. Am. Med. Assoc. 281, 1844-1845 (1999).

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