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Preisverleihung: Internationaler Aspirin-Preis 1998

BUDAPEST (diz). Für herausragende Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Acetylsalicylsäureforschung verleiht die Firma Bayer alljährlich den Internationalen Aspirin-Preis. Den Internationalen Aspirin-Seniorpreis 1998 erhielt der italienische Pharmakologe Professor Carlo Patrono, Chieti-Universität, Rom. Den Aspirin-Preis für junge Forscher teilten sich 1998 Dr. Paul Schwenger, Abteilung Mikrobiologie am medizinischen Zentrum der Universität New York, und Professor Ramón Hermida, von der Universität Vigo, Spanien. Die Preisverleihung fand am 5. Dezember in Budapest statt.

Die Entdeckung der Acetylsalicylsäure (ASS) feierte 1997 ihren 100. Geburtstag, der Markenname Aspirin wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Seit damals steht die Forschung um die Acetylsalicalsäure nicht still, jedes Jahr überrascht dieser alte Arzneistoff mit neuen Forschungsergebnissen. Grund genug für die Firma Bayer, seit 1994 solche Ergebnisse mit dem Internationalen Aspirin-Preis auszuzeichnen. Ausgewählt werden die Preisträger von einem unabhängigen Komitee international anerkannter Wissenschaftler.

Die niedrigdosierte ASS-Therapie

Für sein Lebenswerk wurde der italienische Pharmakologe Professor Carlo Patrono mit dem "International Aspirin Senior Award" ausgezeichnet. Patrono gehört zu den Forschern, die sich mit den Beziehungen zwischen dem Prostaglandinmetabolismus und der Funktion von Blutplättchen befassten. Die Arbeit von Patrono legte die Grundlage für die international anerkannte Praxis, niedrigdosierte Acetylsalicylsäure in der präventiven kardiovaskulären Medizin einzusetzen.

Anfang der 80er erforschte Patrono und sein Team die Dosisabhängigkeit der durch Acetylsalicylsäure inhibierten Cyclooxygenase in Blutplättchen und Gefäßwänden. Sie fanden heraus, daß wiederholte Gaben von niedrigdosiertem Aspirin schnell zu einer kompletten Hemmung der Bildung von Thromboxan in den Plättchen führt. Sie entdeckten, daß niedrigdosiertes ASS einen antithrombotischen Effekt hat, ohne negative Auswirkungen auf die physiologische Produktion von antithrombotischem Prostacyclin in den Gefäßwänden.

Die Experimente bestätigten, daß ASS in einer täglichen Dosis von durchschnittlich 100 mg gut vom Körper toleriert wird. Bei Risikopatienten reduziert diese Dosierung das Risiko eines Herzinfarkts oder eines Gehirnschlags um nahezu ein Drittel. Patrono befasste sich außerdem mit den beiden Enzymen COX 1 und COX 2 und deren spezifischen Hemmung.

ASS bei Präeklampsie

Den "Aspirin Young Researchers Award 1998" teilten sich Professor Ramon Hermida und Dr. Paul Schwenger. Das Spezialgebiet von Hermida ist die Chronobiologie. In diesem Rahmen befaßte er sich mit dem charakteristischen Rhythmus des Blutdrucks während einer normalen Schwangerschaft. Während einer Risikoschwangerschaft ist der Blutdruck pathologisch erhöht (Präeklampsie). Hermida führt dies auf eine Störung des normalen Biorhythmus des Blutdrucks zurück.

Mittlerweile ist es bekannt wenn auch nicht unumstritten, daß niedrigdosierte ASS der Entwicklung einer Präeklampsie und ihren Komplikationen vorbeugen kann. Professor Hermida zeigte, daß in Abhängigkeit der Tageszeit, zu der ASS eingenommen wird, mehr oder weniger ausgeprägte Effekte auf den Blutdruck bei Patientinnen mit dem Risiko zur Präeklampsie auftreten. Die kontrollierte Gabe von ASS vor dem Schlafengehen hat, so seine Ergebnisse, einen korrigierenden Effekt auf den biologischen Rhythmus des Blutdrucks. Studien zur Präeklampsieprophylaxe mit Acetylsalicylsäure haben bereits dazu geführt, daß man sich über den richtigen Einnahmezeitpunkt Gedanken macht. Die Arbeit von Professor Hermida ist, so die Bayer-Forschung, ein "Meilenstein", der zu einem neuen Konzept für Studien mit ASS in der Präeklampsieforschung werden könnte.

Antitumor-Effekte von ASS

Fast durch Zufall entdeckte Professor Gabriel Kune in den späten 80er Jahren, daß Personen, die häufig ASS einnehmen, in viel geringerem Umfang Dickdarmkrebs entwickeln im Vergleich zu den Personen, die keine ASS einnehmen. Seit dieser Erkenntnis wuchs die Zahl der Studien über den Antitumoreffekt von Acetylsalicylsäure dramatisch an. Die meisten dieser Studien kamen zu dem Schluß, daß eine häufige und längerfristige Einnahme von ASS das Risiko, Dickdarmkrebs zu entwickeln, im Durchschnitt bis zu 40% verringern kann. Diskutiert wird noch über die Dosis, die Dauer der Gabe, über relevante Risikogruppen und natürlich auch über den Mechanismus, wie ASS wirken könnte und ob es ähnliche Substanzen zur Tumorprävention gibt.

Dr. Paul Schwenger, ebenfalls mit dem Aspirin-Forschungspreis ausgezeichnet, zeigte, daß der Hauptmetabolit von ASS intrazelluläre Signalproteine aktiviert, die Kinasen, und auf diese Weise einen inhibitorischen Effekt auf spezielle Reaktionskaskaden hat, bei denen die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-kappaB eine besondere Rolle spielt. Die Arbeit von Dr. Schwenger zeigt, daß der Kinase-induzierte Hemmeffekt der Acetylsalicylsäure auf die Aktivierung von NF-kappaB ein Teil der intrazellulären Reaktion sein könnte, der die Zelle dazu bewegen könnte, ihren "Selbstmord" durch Apoptose zu beschließen. Bis jetzt konnte der Apoptose-induzierende Effekt nur an normalen Zellen gezeigt werden, der nächste Schritt wird sein, denselben Mechanismus bei Tumorzellen zu identifizieren.

Paul Schwenger ist der jüngste Wissenschaftler, der bisher mit dem Aspirin-Forschungspreis ausgezeichnet wurde.

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