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Hamburger Asthma-Studie: Pharmazeutische Betreuung erhöht Lebensqualität von A

HAMBURG (tmb). Der standespolitische Kurs ist klar: Die pharmazeutische Betreuung ist die Zukunftsperspektive der Apothekerschaft. Doch hilft dies überhaupt den Patienten, wie immer wieder behauptet wird? Den Beweis hat die ABDA mit der Hamburger Asthmastudie erbracht, deren Ergebnisse am 13.September in Westerland und am 15.September in Hamburg der Öffentlichkeit vorgestellt wurden (siehe auch unseren Bericht über den Fortbildungskongress der Bundesapothekerkammer in dieser Ausgabe). Die Studie belegt einen signifikanten Zuwachs an Lebensqualität bei den pharmazeutisch betreuten Asthmapatienten. Doch zeigt eine genauere Analyse der Studie, dass noch viele Fragen zu einer pharmakoökonomischen Betrachtung der pharmazeutischen Betreuung zu klären sind. Die Studie öffnet damit den Weg für weitergehende Untersuchungen.

Die Studie und ihre Ergebnisse stellten in Hamburg vor: Die Studienleiter Prof. Dr. Karl-Christian Bergmann, Bad Lippspringe, und Dr. Martin Schulz, ABDA, Eschborn, sowie Prof. Dr. Franz Petermann, Zentrum für Rehabilitationsforschung (ZRF), Universität Bremen, und Prof. Dr. Rainer Braun, ABDA, Eschborn.

Asthma eignet sich für die pharmazeutische Betreuung, da es eine chronische Krankheit mit beträchtlichem Leidensdruck ist und zu einem großen Teil medikamentös behandelt wird. Die große Bedeutung des Asthmas zeigt sich anhand der seit fast zwei Jahrzehnten weitgehend unveränderten Zahl von etwa 6000 Asthmatoten pro Jahr in Deutschland. Insgesamt leiden etwa 5% der Bevölkerung in Deutschland an Asthma. Mit diesen Zahlen geht eine enorme ökonomische Bedeutung der Krankheit einher. So wurden für 1994 als direkte Kosten etwa 3,15 Mrd. DM und als indirekte Kosten des Asthmas knapp 2Mrd. DM ermittelt. Die pharmazeutische Betreuung offeriert die Möglichkeit, diese Kosten erheblich zu senken, was jedoch konkret anhand von Studien bewiesen werden muss.

Arzneimittelbezogene Probleme

Einsparmöglichkeiten ergeben sich aus den hohen Kosten, die durch arzneimittelbezogene Probleme entstehen. Als typische Formen solcher arzneimittelbezogenen Probleme nannte Dr. Martin Schulz:

  • notwendige Arzneimittel werden nicht verordnet,
  • primäre Non-Compliance, d.h. Verordnungen werden nicht eingelöst,
  • es werden falsche Arzneimittel angewendet, z.B. weil die Patienten Dauer- und Akutmedikation verwechseln,
  • Unterdosierung,
  • Überdosierung,
  • unerwünschte Wirkungen,
  • Wechselwirkungen,
  • Hyper-Compliance, d.h. Patienten nehmen zu viele Arzneimittel.

Ein erheblicher Teil dieser falschen Arzneimittelanwendungen und damit auch der Folgekosten dürfte durch pharmazeutische Interventionen zu vermeiden sein. Doch muss dies durch Studien belegt werden. Einen Ansatz hierzu liefert die vorliegende Studie.

Studienvorbereitung

Die Hamburger Studie geht auf ein Zusammentreffen der Initiatoren während einer Fortbildung im Januar 1994 in Hamburg zurück, was erheblich zur Wahl des Studienortes beigetragen haben dürfte. Nachdem die ABDA 1994 die erforderlichen Mittel bereitgestellt hatte, folgten Studienplanung und gemeinsame Gespräche der Hamburger Apotheker- und Ärztekammer. Anfang 1997 wurden die Studienprotokolle in drei Pilotapotheken getestet, so dass im Februar 1997 mit der Studiendurchführung begonnen werden konnte.

Im Anschluss an die einjährige Studie wurden die Ergebnisse im Zentrum für Rehabilitationsforschung der Universität Bremen ausgewertet. An der Studie waren 161 Studien- und 81 Kontrollpatienten sowie 26 Studien- und 22 Kontrollapotheken beteiligt. Die Patienten wurden von ca. 120 Ärzten behandelt. Die Studienteilnehmer waren Asthmapatienten im Alter zwischen 18 und 65 Jahren. Sie mussten die deutsche Sprache beherrschen, um die zahlreichen Fragebögen ausfüllen zu können. Außerdem mussten sie bereit sein, alle sechs Wochen an einem umfangreichen Beratungsgespräch teilzunehmen.

Bezüglich der Verteilung der Asthmaschweregrade entsprachen beide Gruppen etwa der Gesamtpopulation der Asthmapatienten in Deutschland. In der Studiengruppe waren mehr Patienten mit allergischem Asthma, in der Kontrollgruppe mehr Patienten mit Asthma-Mischformen. Bezüglich anderer krankheitsbezogener Daten bestanden zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede.

Durchführung der Studie

Ziel der Studie war, das Wissen der Patienten um ihre Krankheit und die Anwendung der Arzneimittel zu verbessern. Die inhaltlich umfassendste im Rahmen der Studie erfasste Größe ist die gesundheitsbezogene Lebensqualität. Obwohl dies auf den ersten Blick als eine eher vage Größe erscheinen mag, ist die gesundheitsbezogene Lebensqualität mittlerweile eine anerkannte Zielgröße der Gesundheitsökonomie und anderer gesundheitsbezogener Untersuchungen. Denn aus Sicht der Patienten ist die subjektiv empfundene Lebensqualität bedeutsamer als medizinische Messwerte, bei denen sich verschiedene Patienten unterschiedlich fühlen können. Eine solche patientenbezogene Sichtweise ist im Rahmen der pharmazeutischen Betreuung als folgerichtig anzusehen, da diese den Patienten in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellt.

Für die Erfassung der Lebensqualität ist das gewählte Messkonzept entscheidend. Die Hamburger Studie verwendete hierzu den international sehr weit verbreiteten Fragebogen SF-36 (Short Form-36), der mit 36 Fragen einen Eindruck von der gesamten gesundheitsbezogenen Lebensqualität vermittelt. Zusätzlich wurde der asthmaspezifische Fragebogen FLA (Fragebogen zur Lebensqualität bei Asthma) entwickelt, der mit 40 Fragen gezielt auf die Probleme der Asthmatiker eingeht. Diese Fragen verteilen sich auf die Themenbereiche physische Gesundheit, psychische Belastung und funktioneller Status.

Ergebnisse der Studie

Die Auswertung des SF-36 zeigte eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität. Das Signifikanzniveau lag für die Verbesserung des körperlichen Befindens unter 0,05 und für die Verbesserung des psychischen Befindens sogar unter 0,01. Demnach lässt sich anhand eines international anerkannten Maßes belegen, dass die pharmazeutische Betreuung die Lebensqualität von Asthmatikern verbessert. Doch betonten die Studienleiter, dass sie angesichts der Zielsetzung dem asthmaspezifischen Frageinstrument den Vorzug geben.

Hier erwies sich die Intervention im Gesamtscore und bei allen drei Teilskalen für physische, psychische und funktionelle Aspekte als vorteilhaft. Beim Gesamtscore lässt sich die Aussage mit einem Signifikanzniveau von unter 0,001 bestätigen. Der Umfang der Verbesserung der Lebensqualität bei den Studienpatienten beläuft sich im Mittel auf etwa 10%, gemessen in den Einheiten des verwendeten Fragebogens.

Als weitere psychosoziale Parameter wurden das Wissen über Asthma und die Behandlung, die Compliance und die Selbstwirksamkeit ermittelt. Unter Selbstwirksamkeit wird in der Psychologie die wahrgenommene Fähigkeit zum Selbstmanagement der Krankheit verstanden. Dieser eigenverantwortliche Umgang und die Stärkung des Selbstbewusstseins des Patienten sind letztlich die entscheidenden Ziele bei einer patientenorientierten Intervention. Das Selbstmanagement, die Compliance und das krankheitsbezogene Wissen wurden durch die pharmazeutische Betreuung im Vergleich zur Kontrollgruppe jeweils hochsignifikant verbessert.

Darüber hinaus wurden diverse klinische Parameter erhoben: der Asthmaschweregrad, der Atemnotschweregrad, die Lungenfunktion, bestimmt als forciertes expiratorisches Volumen der ersten Sekunde (Einsekundenkapazität, FEV1), und die Vitalkapazität der Lunge (VK). Als sehr aussagekräftig für die Schwere des Asthma bzw. die Lungenfunktion gilt der Quotient aus Einsekundenkapazität und Vitalkapazität, der als Tiffeneau-Wert bezeichnet wird. Dieser Wert verbesserte sich in der Studiengruppe signifikant im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Bei der Präsentation der Ergebnisse in Hamburg galt es jeweils zu belegen, dass die Studiengruppe sich gegenüber der Kontrollgruppe signifikant verbesserte. Dies wurde überzeugend dargelegt, wobei teilweise extrem aussagekräftige Signifikanzniveaus erreicht wurden. Demnach bietet die pharmazeutische Betreuung einen Vorteil. Weniger deutlich wurde zumeist auf das Ausmaß der Verbesserung eingegangen. Dieses konnte bei der Präsentation nur anhand einzelner Grafiken abgeschätzt werden. So verbesserte sich beispielweise der Asthma-Schweregrad in der Studiengruppe in sechs Monaten im Mittel von etwa 1,6 auf unter 1,5, blieb in der Kontrollgruppe aber etwa konstant.

Die Selbstwirksamkeit verbesserte sich von einem Skalenwert von etwa 56 nach sechs Monaten auf etwa 65 in der Studien- und etwa 60 in der Kontrollgruppe. Bei den meisten gemessenen Größen wurde der größere Vorteil in den ersten sechs Monaten der Interventionsphase erzielt. Doch auch in den folgenden sechs Monaten waren zumeist noch Vorteile zu verzeichnen. Oft waren in der Kontrollgruppe in den ersten sechs Monaten immerhin geringe Vorteile zu verzeichnen, die jedoch nur selten anhielten. Dies dürfte auf Hinweise bei der ersten Erhebung der Medikation zurückzuführen sein, die jedoch im Laufe der Zeit in Vergessenheit zu geraten schienen. Dies würde unterstreichen, dass die pharmazeutische Betreuung als kontinuierlicher Prozess angelegt werden muss und nicht durch eine einmalige Schulung ersetzt werden kann.

Aus allen diesen Ergebnissen wurde in Hamburg das Fazit gezogen, dass die pharmazeutische Betreuung signifikant den Gesundheitszustand, das Wissen, die Einstellung zur Krankheit, die Fertigkeiten zu ihrer Behandlung und damit letztlich die Lebensqualität der Asthmapatienten verbessert.

Zufriedenheitswerte

Außerdem wurden im Rahmen der Studie Zufriedenheitswerte bei Patienten, Ärzten und Apothekern erhoben. Demnach waren die weitaus meisten Patienten zufrieden oder sehr zufrieden mit der Beratung durch die Apotheker, der Atmosphäre in der Apotheke, den vermittelten Inhalten und der Wirkung auf ihre Lebensqualität.

Insgesamt positiv waren auch die Zufriedenheitswerte der Apotheker. 54% stehen der pharmazeutischen Betreuung generell positiv gegenüber, 43% eingeschränkt. 96% sind vom Nutzen der pharmazeutischen Betreuung überzeugt. Doch versprechen sich 48% langfristig keine wirtschaftlichen Vorteile von der pharmazeutischen Betreuung. 82% wollen sich weiterhin engagieren, weitere 15% eingeschränkt. Weniger gut wurde hingegen die Kooperation mit den Ärzten eingeschätzt. 10% der Studienapotheker hatten im Studienzeitraum keinen Kontakt zu den Studienärzten, 70% nur einmal in drei bis sechs Monaten. 46% der Studienapotheker betrachteten die Informationen der Ärzte als nicht oder wenig nützlich. Die Anregungen der Ärzte hielten 27% für meistens umsetzbar, 47% für gelegentlich und 27% für selten oder nie umsetzbar. Die Fragebögen, mit denen die Zufriedenheit der Ärzte beurteilt werden sollte, waren nicht auswertbar, da nur 28 Fragebögen zurückgeschickt wurden.

Zukunft der pharmazeutischen Betreuung

Im Anschluss an die Präsentation der Ergebnisse würdigte ABDA-Präsident Heinz-Günter Friese die herausragende Bedeutung der Studie für den Berufsstand als "Meilenstein" einer Vision von der pharmazeutischen Betreuung. Er betonte, dass die Studie allein von der Apothekerschaft finanziert wurde. Zur Zukunftsperspektive der pharmazeutischen Betreuung erklärte Friese, dass die Gesellschaft von den Apothekern Belege über den Wert der pharmazeutischen Tätigkeit fordere. Dies könne die vorliegende Studie bieten. Damit erreiche die Argumentation der Apotheker nun eine ganz andere Qualität als ohne die Studienergebnisse. Es sei jetzt wissenschaftlich belegt, dass die pharmazeutische Betreuung den Patienten hilft. Die Gesellschaft wolle wissen, um wie viel sich die Situation der Patienten durch die pharmazeutische Betreuung bessere. Nur so sei eine Honorierung dieser Tätigkeit zu erreichen.

Friese gestand ein, dass die pharmazeutische Betreuung in großem Umfang auf der Grundlage der bestehenden Arzneimittelpreisverordnung nicht möglich ist. Bei dieser Tätigkeit sei eine Honorierung der "Zeitschiene", d.h. des zeitlichen Aufwandes bei der Patientenbetreuung, erforderlich. Die pharmazeutische Betreuung spare Kosten, insbesondere Folgekosten bei eingesparten Krankenhausaufenthalten und Arbeitsunfähigkeitszeiten. Daher sei es legitim, wenn die Apotheker einen Teil der Einsparungen als Honorar einforderten. Dies sei dann auch ein Anreiz für die weitere Entwicklung der pharmazeutischen Betreuung.

Pharmakoökonomische Betrachtung

Gerade die von Friese klar hervorgehobene Bedeutung quantitativer und kostenbezogener Daten relativiert jedoch die Aussagekraft der vorliegenden Studie, wie die anschließende Diskussion zeigte. Auf die Frage von Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Apothekervereins Hamburg, wurden als Kosten der Studie DM 600000 genannt, die von der ABDA finanziert wurden. Hinzu kämen Aufwändungen der beteiligten Apotheken, deren Entschädigung sicher nicht kostendeckend gewesen sei. Doch könnten hieraus nicht die tatsächlichen Kosten einer realistischen pharmazeutischen Betreuung abgeleitet werden.

Einerseits sei die Arbeitszeit in den Apotheken nicht ermittelt worden. Andererseits sei die Arbeit im Rahmen der Studie ohnehin viel aufwändiger als bei der pharmazeutischen Betreuung in der "Realität". Denn dann fallen Fragebögen und viele studienspezifische Auswertungen weg. Insofern liefert die Studie keine aussagekräftigen Daten über die Kosten der vorgenommenen Intervention. Zudem sind die Ergebnisse hinsichtlich verbesserter Lebensqualität und Krankheitssymptome überwiegend qualitativer Natur. Somit ist eine quantitative Bewertung von Einsparungen oder ein Vergleich von Kosten und Ergebnissen im Rahmen der vorliegenden Studie nicht möglich. Hierfür fehlen zudem Daten über Einsparungen bei der Rehabilitation, bei Fehlzeiten am Arbeitsplatz und bei Krankenhauseinweisungen.

Die Studie liefert hierzu keine auswertbaren Daten, da diese Ereignisse im Beobachtungszeitraum in der Studienpopulation nur selten auftraten. So waren über 90% der Studienteilnehmer während der Studie nicht wegen ihres Asthmas in stationärer Behandlung. Für eine gezielte Untersuchung der Häufigkeit der Hospitalisierung hätten Teilnehmer mit besonders schwerem Asthma herangezogen werden müssen, doch sollte die Studie repräsentativ für alle Asthmatiker sein.

Um die fehlenden Informationen zu erhalten, soll eine zweite Stufe der Betrachtung folgen. Hier wird es keine Kontrollgruppe mehr geben, da dies nach den Ergebnissen der vorliegenden Studie als unethisch zu betrachten sei. In dieser zweiten Stufe soll die pharmazeutische Betreuung unter Alltagsbedingungen im Vordergrund stehen. Doch war es vor einer solchen vertieften quantitativen Betrachtung nötig, erst einmal nachzuweisen, dass die pharmazeutische Betreuung etwas bringt. Wie viel sie bringt, ist nun die nächste Frage.

Beziehungen zur Ärzteschaft

Außerdem wurde im Rahmen der Diskussion die Einschätzung der Ärzte zur pharmazeutischen Betreuung thematisiert. So verwies Dr. Graue auf die außerordentlich scharfe Kritik durch ärztliche Kollegen, der der Studienleiter Prof. Bergmann im Rahmen der Studienorganisation ausgesetzt war, und dankte für dessen Engagement angesichts dieser Umstände. Doch betonten die Organisatoren der Studie mehrfach, dass die pharmazeutische Betreuung definitionsgemäß nur im Einvernehmen mit den Ärzten stattfinden könne. Prof. Bergmann machte deutlich, dass es hinsichtlich der Schulung der Patienten keine "Erbhöfe" geben könne. Um Verhaltensänderungen bei den Patienten zu erreichen, müsse die Schulung stets wiederholt werden, was die Zusammenarbeit aller Berufsgruppen im Gesundheitswesen erfordere.

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